Die Basketballtrainerin Becky Hammon kann kinoreif düster dreinblicken. Man stelle sich eine Mischung aus dem Joker der Batman-Filme und Miss Ratched aus „Einer flog übers Kuckucksnest“ vor. Mit dieser Miene sprach Hammon nun auf der Pressekonferenz über das Aus ihrer Las Vegas Aces im Halbfinale der US-Profiliga WNBA gegen die New York Liberty. „Wir hatten Chancen, aber wir haben einfach nicht getroffen und dann fing im vierten Viertel diese Leo-Sache an.“ Hammons Seufzen sollte bedeuten: Kann man nix machen, wenn Leonie Fiebich ein Spiel auf ihre Weise übernimmt.
Die deutsche Basketballerin der Liberty hatte kräftig Anschub geleistet, den Titelverteidiger mit einem 76:62 auszuschalten. Die „Leo-Sache“ gestaltete sich so: Fiebich, 24, war wieder einmal überall auf dem Parkett, sie klaute hinten Bälle, punktete vorne mit Märschen durch die Zone und trug ihr Team mit ihrer Präsenz (elf Punkte, sieben Rebounds, vier Assists) ins Finale. Ab Donnerstag kann sie als zweite Deutsche nach Marlies Askamp 2002 den Titel in der besten Basketballliga der Welt holen.
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Die gebürtige Landsbergerin Fiebich ist aber nur ein Teil dieser Geschichte über den Aufstieg des deutschen Basketballs und seiner Protagonisten und Protagonistinnen. Der andere hat mit New York zu tun, einer Stadt, in deren Venen bekanntlich Basketball fließt. Zwischen dem Madison Square Garden, der Hauptstadt des Basketballs, und der Barclays Arena am Nordzipfel Brooklyns hat sich ein Trend entwickelt: Im Big Apple ist Basketball aus Deutschland gerade eine coole Sache. Denn neben der Rookie-Überraschung Fiebich, die in den Playoffs seit Wochen „Leo-Sachen“ vollbringt, gibt es ja noch ihre Berliner Mitspielerin Nyara Sabally, 24, Dennis Schröder (31, Brooklyn Nets) und neuerdings auch Ariel Hukporti (22, New York Knicks).
Mag sein, dass ihre Schicksale nur wenige Verbindungen aufweisen, jeder und jede aus diesem Kreis ist auf seine Weise in der Sportstadt New York gelandet – aber andererseits: War nicht genau diese Vielfalt an Zuzug, dieser gelebte Melting Pot, schon immer ein Markenzeichen dieser Metropole? Nyara Sabally, die bereits zum zweiten Mal im Finale steht (vergangene Saison verlor sie mit den Liberty gegen Las Vegas), hatte es in einem Interview beim Sender YESnetwork so beschrieben: „Ich fühle mich schon fast wie eine richtige New Yorkerin, ich liebe die Menschen in Brooklyn.“
Halbfinale der US-Basketballliga:Wie Leonie Fiebich die WNBA erobert
Sie trifft fast jeden Wurf, verzückt New York und erhält Auszeichnungen: Leonie Fiebich könnte als zweite deutsche Basketballerin die Meisterschaft in den USA gewinnen – weil sie mehrere Fähigkeiten vereint.
Die kulinarischen Möglichkeiten haben es ihr angetan und überhaupt, sie sei ein „Großstadtkind“. Bei den Liberty kommt sie von der Bank, die Konkurrenz im Kader ist enorm, die Minuten umkämpft. Trotzdem: Nyara ist derzeit die erfolgreichere der Sabally-Schwestern, ihre Schwester Satou, 26, verpasste mit den Dallas Wings die Playoffs. Geboren wurde sie übrigens: in NYC.
In die Playoffs will auch Dennis Schröder endlich wieder – und er versucht es nach einigen Wanderjahren nun mit einem neuen Ansatz als Veteran. Im vergangenen Winter war er von den Toronto Raptors zu den Brooklyn Nets gewechselt. Ein Klub im Umbruch, aber zuletzt ohne Chancen auf die vorderen Plätze, ein neuer Trainer aus Spanien, das sind die Gegebenheiten. Für den Weltmeister aus Braunschweig bedeutet das: Er muss als Altgedienter den Laden zusammenhalten, die Jungen anführen, Erfahrung einbringen. Dafür ist er trotz sportlich überschaubarer Aussichten bereit, länger in Brooklyn zu verweilen, als es sein verbleibender Einjahresvertrag besagt.
„Ich möchte langfristig in Brooklyn bleiben. Hoffentlich funktioniert das“, sagte er im Sommer dem Magazin Andscape. Schröder sieht sich als New Yorker, er hat nach einigen Monaten Pendelei seine Frau und seine drei Kinder an die Ostküste geholt. Dem Vernehmen nach mieten die Schröders ein Sechszimmer-Townhouse im Brooklyner Stadtteil Red Hook, die angebliche Monatsmiete von 40 000 Dollar kann er sich bei einem Jahresgehalt von 13,4 Millionen Dollar leisten. Von der Dachterrasse kann er genauso Richtung Manhattan hinüberschauen wie Sabally und Fiebich, die ihr Klub ebenso in Brooklyn untergebracht hat – mit dem Unterschied, dass Fiebich als Neuling gerade mal 67 249 Dollar pro Saison verdient. New York, Stadt der Gegensätze, das gilt auch im Profisport.
Dennis Schröder verdient über 13 Millionen Dollar, Leonie Fiebich etwas über 67 000 Dollar
Aber was ist schon Geld, wenn man die Möglichkeit bekommt, an diesem Ort seinem Job nachzugehen. Neuester New-York-Import aus Germany ist mit dem Center Ariel Hukporti ein Weitgereister. Seine Eltern stammen aus Togo, er selbst wurde in Stralsund geboren, über Freiburg und Ludwigsburg ging es für ihn nach Litauen und schließlich für drei Jahre in Australiens Profiliga. Von Melbourne aus gelangte Hukporti im vergangenen Sommer in den NBA-Draft und wurde kurz vor Schluss tatsächlich noch gewählt: Von den New York Knicks, die ihm einen „Two-Way-Contract“ gaben.
Er kann damit sowohl im Farmteam des Klubs in der unterklassigen G-League auflaufen, wie auch als tatsächlicher Knickerbocker im Madison Square Garden in Manhattan. Zuletzt gestaltete sich die personelle Lage im Kader der Knicks derart, dass man einen Wuchtbasketballer wie ihn gut gebrauchen konnte, um das Stammpersonal zu entlasten. Hukporti besitzt jedenfalls Eigenschaften, die in New York schon immer gut ankamen.
Er ist das, was Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann zuletzt als „worker“ bezeichnete: ein Wühler mit Streetball-Attitüde. Sollte der Klub seinen Vertrag vor dem Saisonstart am 23. Oktober noch in einen festen NBA-Vertrag umwandeln, könnte Hukporti adhoc einen anderen Deutschen ersetzen: Der Quakenbrücker Isaiah Hartenstein hat New York soeben Richtung Oklahoma City Thunder verlassen. 87 Millionen Dollar für drei Jahre verdient er dort – da kann man schon mal Goodbye zum Big Apple sagen.