Basketball-WM:Team USA purzelt auseinander

James Harden

James Harden ist nur einer von vielen Promis aus der NBA, der bei der WM fehlen wird.

(Foto: imago sportfotodienst)
  • Das "Dream Team" gilt im Basketball eigentlich als unbesiegbar - doch bei der anstehenden WM gehen Team USA die prominenten Spieler aus.
  • Es gibt zahlreiche Absagen. Das könnte dazu führen, dass die USA einiges von ihrer Dominanz einbüßen.
  • Viele NBA-Profis haben schlicht anderes vor in diesem Sommer.

Von Jonas Beckenkamp

Vielleicht liegt es daran, dass man diesen Begriff nicht aus dem Kopf kriegt - Dream Team. Dieser Name weckt ja für alle Zeiten Erinnerungen an jene Spaß- und Zaubertruppe um Michael Jordan, Magic Johnson, Larry Bird, Charles Barkley und all die anderen Basketball-Größen aus der amerikanischen Profiliga NBA, die bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona auf dem Weg zur Goldmedaille eine famose Show hinlegte. Das Team USA war so viel besser als der Rest der Welt, dass es seine Gegner mit durchschnittlich 44 Punkten Differenz abfieselte und sich solche Sprüche leisten konnte wie von Barkley, der einmal über den nächsten Kontrahenten sagte: "Ich weiß nichts über Angola, aber Angola steckt in Schwierigkeiten."

Diese überragende Vorstellung lastete freilich derart schwer auf allen nachfolgenden US-Mannschaften, dass sich die Auswahlspieler selbst bereits bei Olympia 2000 in Sydney von der Bezeichnung Dream Team distanzierten, um die Erwartungen zu dämpfen. Zwei Jahre später, bei der Heim-WM in Indianapolis, war der Mythos der scheinbar unbesiegbaren NBA-Profis endgültig dahin - da setzte es die ersten Niederlagen für die Vertreter der stärksten Liga der Welt und mit Rang sechs die schlechteste Platzierung der US-Basketballer in der WM-Geschichte.

Nun sieht es so aus, als schicke der US-Verband seine schwächste Auswahl seit 2002 zur diesjährigen WM nach China (31. August bis 15. September). Grund ist eine bemerkenswerte Flut von Absagen. Aus dem ursprünglich berufenen 20-Mann-Kader haben sich bereits neun Akteure zurückgezogen: Kevin Love (Cleveland), DeMar DeRozan (San Antonio), Damian Lillard (Portland), Bradley Beal (Washington), Tobias Harris (Philadelphia), Anthony Davis (LA Lakers), James Harden und Eric Gordon (beide Houston) sowie C. J. McCollum (Portland).

Amerikaner schätzen eine WM nicht allzu sehr

Schon zuvor hatten namhafte Profis abgewunken: LeBron James (LA Lakers), Stephen Curry (Golden State), Kawhi Leonard (LA Clippers) und Russell Westbrook (Houston), dazu der talentierte Liga-Neuling Zion Williamson (New Orleans). Bedenkt man, dass auch die verletzten NBA-Stars Kevin Durant (jetzt in Brooklyn) und Klay Thompson (Golden State) nicht dabei sind, wird klar, was den Amerikanern bei der WM fehlt: die erste Garde, und wenn man ehrlich ist, sogar auch die zweite. Vom Glanz eines Dream Teams bleibt da nicht mehr viel übrig. Das Fachmagazin SB Nation fürchtet, dass der Mannschaft "auf alarmierende Weise der Dampf ausgeht".

Ein Grundproblem ist, dass die Amerikaner Basketball-Weltmeisterschaften nicht allzu sehr schätzen. Als World Champion gilt in den USA gemeinhin der NBA-Meister, zudem kommt vielen Amerikanern die internationale Spielweise mit den modifizierten Regeln des Weltverbandes Fiba komisch vor: das kleinere Spielfeld, die kürzere Spielzeit, die nähere Dreierlinie. In jedem Fall bedeutet ihnen eine Goldmedaille bei einer WM längst nicht so viel wie eine bei Olympia.

LeBron James schont sich und dreht "Space Jam"

Ein weiterer Grund für die große Unlust auf die WM ist die Belastung in der NBA: 82 Saisonspiele, für fast alle nominierten Profis kraftraubende Playoffs, da bleibt wenig Zeit zur Regeneration, zumal die neue Saison nur wenige Wochen nach der WM beginnt. Viele scheuen das Verletzungsrisiko gegen hochmotivierte Gegner aus allen Ecken der Welt. Und: Die NBA wurde in diesem Sommer von einem Transferbeben erschüttert, sodass manche Profis sich erst mal neu sortieren.

So teilte zum Beispiel James Harden, dessen Rauschebart und Wackeldribblings weltweite Markenzeichen sind, erst kürzlich mit, dass er sich lieber auf "die Veränderungen bei den Houston Rockets vorbereiten" wolle, nachdem er höchstpersönlich den Umzug seines Kumpels Westbrook nach Texas arrangiert hatte, um endlich eine Chance auf den Titel zu haben. Ähnliche Gedankenspiele führten zuvor zur Absage von Center Anthony Davis, der nach seinem Wechsel zu LeBron James ausgeruht in die Saison gehen möchte, weil er nun "mit meinem neuen Klub den NBA-Titel anstrebt", wie er angab.

Im Sammelsurium von Gründen für die vielen Absagen gibt es auch schlicht private Entscheidungen - Bradley Beal und Steph Curry wollen sich beispielsweise um ihre neugeborenen Kinder kümmern. Und LeBron James gab an, sich mit bald 35 Jahren einfach schonen zu wollen. "Diesen Sommer passt es für mich nicht", sagte er, womit er sich freilich eine Olympia-Teilnahme in Tokio im kommenden Jahr offenhielt. Was ihm allerdings in den Terminplan passte: die Dreharbeiten zu einem neuen Kinofilm, der Fortsetzung von "Space Jam", mit dem einst Michael Jordan als Schauspieler debütierte.

Während frühere US-Teams zumindest einen harten Kern hatten, eine Gruppe von Spielern, die sich schon länger kannte, ist die neue Auswahl ein frisch zusammengewürfelter Haufen. Es fehlen persönliche Verbindungen, "im Grunde tummeln sich im Team lauter Zufallsbekanntschaften", urteilt SB Nation. Stand jetzt sind die prominentesten Mitglieder von Team USA der Spielgestalter Kemba Walker (Boston Celtics) sowie der Flügelmann Donovan Mitchell (Utah Jazz). In Deutschland dürfte auch der 34 Jahre alte P. J. Tucker (Houston) noch bekannt sein, der einst in Bamberg gespielt und von dort aus den Sprung in die NBA geschafft hat. Der Rest der Welt reibt sich jedenfalls die Hände: Die USA, der Titelverteidiger, scheinen endlich mal wieder zu schlagen zu sein. Sollte alles nach Plan verlaufen, könnte die deutsche Mannschaft im Viertelfinale auf die Nachfahren des Dream Teams treffen. Früher wäre das ein Albtraum gewesen, mittlerweile ist es eine eher traumhafte Aussicht.

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