Basketball-WM:Ein Desaster für die Generation Schröder

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Am Boden: Spielmacher Dennis Schröder ist mit der deutschen Mannschaft aus dem Kampf um die WM-Medaillen gerutscht. (Foto: Zhong Zhi/Getty Images)
  • Die deutschen Basketballer kassieren bei der WM eine nicht für möglich gehaltene Niederlage gegen die als Außenseiter eingeschätzte Dominikanische Republik und verpassen die Zwischenrunde.
  • Das Aus ist ein herber Rückschlag für eine Mannschaft, die von der Breite her als talentierteste in der Geschichte des DBB gilt.
  • Auf dem Weg zur Heim-EM 2021 sollte die Mannschaft bei der WM sowie bei Olympia für eine erwartungsvolle Grundstimmung sorgen. Die ist nun erheblich gedämpft.

Von Joachim Mölter, Shenzhen/München

Der Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl hat nicht viel gesagt nach der zweiten Niederlage seiner Mannschaft im zweiten WM-Spiel. "Ich finde, wir bleiben weit unter unseren Möglichkeiten im Moment", war einer der wenigen Sätze, die ihm zu entlocken waren. "Ich glaube, wir hatten unsere Nerven nicht zu hundert Prozent unter Kontrolle", war ein anderer. Diese Unaufgeregtheit ist eine Stärke des 50-Jährigen: Bei Krisen und Katastrophen wäre er ein idealer Mann zur allgemeinen Beruhigung.

Das kommt ihm jetzt vielleicht zugute. Denn auch wenn Henrik Rödl seine Nerven noch recht gut unter Kontrolle hatte, konnte man aus seiner für gewöhnlich unbewegten Miene alles herauslesen, was in ihm vorging: Er war enttäuscht, ratlos, fassungslos, fast ein bisschen entsetzt.

Zwei Tage nach dem knappen 74:78 gegen Frankreich, einen der Medaillenkandidaten bei dieser Weltmeisterschaft in China, gab es am Dienstag in Shenzhen eine nicht für möglich gehaltene 68:70 (39:37)- Niederlage gegen die als Außenseiter eingeschätzte Dominikanische Republik - damit ist die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) schon aus dem Rennen um die Medaillen. Statt wie geplant in die Zwischenrunde nach Nanjing, führt die Reise nach dem letzten Vorrundenspiel am Donnerstag (10.30 Uhr) gegen Jordanien nach Shanghai, in die Runde um die Ränge 17 bis 32 gegen Kanada und den Senegal.

Auch die Qualifikation für Olympia gerät nun in Gefahr

Das ist ein herber Rückschlag für eine Mannschaft, die von der Breite her als talentierteste in der Geschichte des DBB gilt, noch talentierter sogar als die Generation um den kürzlich zurückgetretenen Dirk Nowitzki, die 2002 WM-Bronze und 2005 EM-Silber nach Hause gebracht hatte. Auch Nowitzkis Nachfolgern, der Generation um den neuen Anführer Dennis Schröder, war bei diesem Turnier ein greifbares Mitbringsel zugetraut worden. Und das nicht nur vom chronisch optimistischen DBB-Präsidenten Ingo Weiss, sondern auch von Fachleuten wie den drei ehemaligen Bundestrainern Svetislav Pesic, Henrik Dettmann und Dirk Bauermann, die zu ihren Zeiten jeweils Medaillen mit ihrer DBB-Auswahl gewonnen hatten.

Allerdings hatte Spielmacher Schröder, 25, schon vor der WM in einem Interview mit der Sport-Bild darauf hingewiesen, dass das Medaillenziel "der Vorstand, nicht wir Spieler" ausgegeben habe. "Was wir alle wollen", hatte der Profi vom NBA-Klub Oklahoma City Thunder hinzugefügt, sei: "Die Qualifikation für Olympia in Tokio nächstes Jahr."

Doch auch die gerät nun in Gefahr, weil die deutsche Mannschaft die Zwischenrunde verpasst hat. Bei der WM in China können sich sieben Länder direkt für Olympia qualifizieren: Die zwei Besten aus Amerika und Europa sowie das jeweils beste Team aus Afrika, Asien und Ozeanien sind neben Gastgeber Japan bei den Spielen 2020 in Tokio dabei. Die 16 nächstbesten Mannschaften der WM haben im kommenden Sommer noch eine Chance bei insgesamt vier Qualifikationsturnieren - die Teilnahme daran war das Minimalziel der deutschen Mannschaft. Sie muss nun also schauen, dass sie in der Platzierungsrunde möglichst weit vorne landet. Ansonsten bleibt nur noch ein winziges Hintertürchen: als eines von zwei europäischen Teams per Wildcard zur letzten Qualifikationschance zugelassen zu werden.

"Ich bin wahnsinnig enttäuscht", resümierte Verbandschef Weiss nach der Niederlage gegen die Dominikanische Republik: "Das ist großer Mist. Wir sind mit anderen Erwartungen hierher gefahren." Er sprach auch deshalb von einem "herben Rückschlag", weil der DBB erst im Juli den Zuschlag für die Ausrichtung der Europameisterschaft 2021 erhalten hat. Auf dem Weg dorthin sollte das Team bei WM sowie Olympia für eine erwartungsvolle Grundstimmung sorgen. Die ist nun erheblich gedämpft. "Es ist ein richtiges Desaster", fand der Münchner Maodo Lo, der noch einer der Besten gewesen war mit zehn Punkten und einer makellosen Wurfausbeute.

Damit war der 25-Jährige die Ausnahme im deutschen Team. "Wir haben wirklich schlecht geworfen, obwohl wir freie Sicht hatten", klagte Rödl danach. Aber es lag nicht allein an der schwachen Trefferquote, gerade aus der Distanz, aus der nur drei von 19 Versuchen im Korb landeten.

Die Niederlage ist vor allem deshalb schwer zu begreifen, weil die Dominikanische Republik ohne ihre besten Männer angereist war, die NBA-Profis Karl-Anthony Towns (Minnesota) und Al Horford (Philadelphia) - der eine 2,13 Meter groß, der andere 2,08. In Korbnähe hatte das Team aus der Karibik nur noch den aktuell vereinslosen 2,10-Meter-Mann Eloy Vargas sowie den 2,03 Meter großen Ronald Roberts aufzubieten, der in der vorigen Saison beim Bundesliga-Absteiger Science City Jena aktiv war. Doch diese beiden waren von den deutschen NBA-Profis Daniel Theis (Boston/2,04) und Maxi Kleber (Dallas/2,07) sowie den Euroleague-erfahrenen Johannes Voigtmann (Moskau/2,11) und Danilo Barthel (München/2,07) nicht in den Griff zu bekommen: Vargas erzielte 16 Punkte, Roberts zehn. Und was noch schlimmer war: Die körperlich unterlegenen Dominikaner schnappten sich auch mehr Rebounds als die großen Deutschen (37:35). Irritierend war zudem die Wurfauswahl beim deutschen Team. Schröder nahm sich selbst 18 Würfe heraus und verschaffte Theis, seinem alten Kumpel aus Braunschweiger Zeiten, 16 Gelegenheiten. Sie sammelten zwar auch die meisten Punkte - Schröder 20, Theis 12 -, aber der Rest des Teams kam deutlich weniger zum Zug: Alle anderen zusammen warfen 23 Mal auf den Korb. Voigtmann, bei der Niederlage gegen Frankreich mit 25 Punkten noch bester Werfer, bekam diesmal nur zwei Wurfchancen, Kleber überhaupt keine. Dafür versemmelte Schröder in der Schlussphase zwei Chancen zum Ausgleich, einmal mit einem missglückten Pass auf Theis, das andere Mal eigenhändig.

Was er sich dabei gedacht hatte, verriet Schröder nicht. Der Anführer der neuen deutschen Basketball-Generation schlich nach dem Spiel still zum Bus. Kein Wort, kein Satz, keine Erklärung, nichts.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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