Süddeutsche Zeitung

Basketball-Nationalmannschaft:Ein erstaunlich gut zusammengewürfelter Haufen

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Das junge deutsche Basketball-Team zeigt respektable Leistungen in der WM-Qualifikation - Bundestrainer Herbert macht gerade vieles richtig, muss aber im Sommer harte Entscheidungen treffen.

Von Ralf Tögel

Die Rahmenbedingungen, so ehrlich muss man sein, waren nicht besonders sexy. Ihr Ticket für die Weltmeisterschaft hatten die deutschen Basketballer schon im Spätsommer gebucht, Schweden war mit einer B-Auswahl nach Frankfurt zum Qualifikationsspiel gereist, und in der abschließenden Partie in Finnland ging es für die Deutschen zwar um den Sieg in der Qualifikationsgruppe J, der aber hat keinerlei Bedeutung auf die WM-Auslosung Ende April. Es ging also: um nichts.

Entsprechend setzte sich der Kader von Bundestrainer Gordon Herbert zusammen: Aus der nordamerikanischen Eliteliga NBA fand kein Nationalspieler den Weg nach Europa zum Abschluss der WM-Qualifikation, auch die beiden deutschen Euroleague-Vertreter Alba Berlin und Bayern München stellten keinen ihrer geplagten Protagonisten zur Verfügung - in Absprache mit dem Deutschen Basketball Bund (DBB).

Es ist das bekannte Los des Nationaltrainers: Der ist angesichts der Absenzen seiner besten Spieler zum ständigen Improvisieren gezwungen. So auch in den letzten Qualifikationsspielen gegen die beiden Rivalen aus dem Norden. Gleichwohl hat der DBB in dem knorrigen Kanadier Gordon Herbert offenbar die Idealbesetzung für den enervierenden Job gefunden. Denn der 64-Jährige lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Weder in der Zusammenarbeit mit den wichtigen, aber nicht immer einfachen NBA-Profis - was er mit der Bronzemedaille bei der Heim-EM im vergangenen September bewiesen hat. Noch auf dem Weg zu derlei Großturnieren, deren Qualifikation er aus besagten Gründen in der Regel mit Zweitbesetzungen sicherstellen muss.

Das junge deutsche Team hinterlässt einen guten Eindruck - bei der WM werden andere spielen

Wie in der mit 5003 Zuschauern ausverkauften Frankfurter Ballsporthalle beim 73:66 gegen Schweden - und wie nun am Montag mit dem finalen 87:81-Sieg in Finnland. Auch die Arena in Espoo war mit 7000 Zuschauern voll besetzt, was man durchaus als Indiz werten darf, dass der europäische Basketball durch die EM in Deutschland an Attraktivität gewonnen hat - zumal die Finnen ebenfalls vorzeitig für die WM qualifiziert waren.

Herbert nutzte die zwei Spiele, um Nachwuchskräfte zu testen. So ergab sich etwa die Konstellation, dass in Jason George, Jonas Richter und Nelson Weidemann drei Akteure der Niners Chemnitz die deutschen Farben auf dem Feld vertraten, was sich bei einem Turnier eher nicht wiederholen wird. Auch benötigte der zusammengewürfelte Haufen, dessen gemeinsame Trainingseinheiten sich an einer Hand abzählen ließen, einige Anlaufzeit und fabrizierte allein in der ersten Halbzeit 15 Ballverluste. Gleichwohl steigerten sich all die Debütanten und jungen Spieler, hinterließen einen respektablen Eindruck und waren mit ihren Leistungen Beleg dafür, wie gut mittlerweile in der Basketball-Bundesliga gearbeitet wird.

In Johannes Voigtmann und Justus Hollatz waren indes zwei Akteure des Bronze-Teams von Berlin die prägenden Protagonisten. Routinier Voigtmann nutzte den kräfteraubenden Trip, um sich nach einer bisher holprigen Saison bei seinem neuen Euroleague-Klub Mailand weiteres Selbstvertrauen zu holen, was dem 30-Jährigen als Topscorer mit 23 Punkten vortrefflich gelang. Hollatz überzeugte mit 14 Vorlagen, der 21-Jährige entwickelt sich beim spanischen Erstligisten Breogan zusehends zu einem umsichtigen Spielgestalter.

In dieser Konstellation, auch das muss man ehrlich festhalten, wird die deutsche Mannschaft bei der WM (25. August bis 10. September) in Indonesien, Japan und auf den Philippinen sicher nicht auflaufen. Dort werden Dennis Schröder, die Wagner-Brüder, Maodo Lo oder Andreas Obst gefragt sein. Alle NBA- und Euroleague-Akteure haben ihr Mitwirken bereits nach der Heim-EM signalisiert.

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