Basketball-WM:Die Schuldfrage nach dem Debakel

Basketball-WM 2019 - Nationalspieler Johannes Thiemann, Danilo Barthel und Dennis Schröder

So sieht Enttäuschung aus: Die Nationalspieler Dennis Schröder, Danilo Barthel und Johannes Thiemann (von re.) im Teamhotel in Shenzhen.

(Foto: dpa)
  • Bei der Basketball-WM geht es für das deutsche Team nach den beiden Auftakt-Niederlagen noch darum, die Olympia-Qualifikation zu schaffen. Dafür braucht es drei Siege.
  • An diesem Donnerstag ist Jordanien Gegner im letzten Gruppenspiel.
  • Bei der Aufarbeitung des Debakels bei dem Turnier deutet Spielmacher Dennis Schröder atmosphärische Störungen im deutschen Team an.

Von Joachim Mölter

Der berühmte Fußball-Bundestrainer Sepp Herberger hat den Gang der Dinge im Sport einst in dem simplen Satz zusammengefasst: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Henrik Rödl, der aktuelle Basketball-Bundestrainer, hat das etwas ausführlicher formuliert an diesem Mittwoch, dem Tag nach der unerwarteten 68:70-Niederlage seines Teams gegen die Dominikanische Republik, mit der all seine großen Hoffnungen bei dieser Weltmeisterschaft in China verloren gegangen waren. "Ich glaube, dass man nicht lange nachdenken darf, was da passiert ist gestern. Dafür ist sicherlich Zeit zu einem anderen Zeitpunkt. Jetzt gibt es die Aufgabe, das Turnier gut zu beenden", sagte Rödl dem Internetsender MagentaSport. "Wir müssen den Blick nach vorne richten", fügte er vorsichtshalber hinzu.

Nach dem verlorenen Auftaktspiel gegen den Mitfavoriten Frankreich (74:78) und dem Malheur gegen den Außenseiter aus der Karibik, hat die zuvor hoch gehandelte Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) keine Chance mehr auf Zwischen- und K.-o.-Runde. Aber sie kann sich noch qualifizieren für eines der vier Olympia-Qualifikationsturniere im nächsten Jahr, das Mindestziel, mit dem sie nach China gereist war.

Dazu muss sie die drei verbleibenden Partien gewinnen, am Donnerstag (10.30 Uhr, MESZ/www.magentasport.de) das letzte Vorrundenspiel gegen Jordanien und danach in der Platzierungsrunde um die Ränge 17 bis 32 die Duelle gegen Kanada und Senegal in Shanghai. "Die Mannschaft muss sich jetzt einfach zusammenreißen in den nächsten drei Spielen, damit sie eine Chance auf den nächsten Sommer hat", sagt Rödl.

Schröder wollte mit dem Kopf durch die Abwehrwand

An den nächsten Sommer zu denken, war freilich nicht leicht an diesem trüben Septembertag in Shenzhen, der 12,5-Millionen-Einwohner-Metropole im Südosten Chinas, nahe Hongkong. Draußen regnete es, drinnen plätscherte leise Pianomusik vor sich hin, als sich die Nationalspieler in einem abgedunkelten Raum ihres Hotels mit Fans trafen, berichteten die Nachrichtenagenturen. Bei dieser Gelegenheit stellten sich die Akteure auch den Medien; unmittelbar nach dem Fiasko hatten die meisten ja sprachlos die Arena verlassen, allen voran Spielmacher Dennis Schröder.

Der 25-Jährige vom NBA-Klub Oklahoma City Thunder hatte zwar die meisten Punkte erzielt (20) und die meisten Vorlagen gegeben (sieben), aber auch die meiste Kritik auf sich gezogen, weil er gerade in der Schlussphase mit dem Kopf durch die gegnerische Abwehrwand wollte und mit unüberlegten Aktionen gleich mehrere Gelegenheiten zum Ausgleich verschwendete. Schröder allein für die Niederlage verantwortlich zu machen, wäre freilich nicht fair - dafür vergaben auch seine Nebenleute zu viele Chancen. "Wir alle haben uns zu sehr auf Dennis verlassen und ihm zu viel auf die Schulter gepackt", räumte der Flügelspieler Danilo Barthel ein.

"Natürlich ist jeder daran schuld. Ich nehme das auch in erster Linie auf mich, ich bin ja der Leader der Mannschaft", sagte Schröder, nachdem er eine Nacht über die Niederlage geschlafen hatte. Und dann fügte er noch einen bemerkenswerten Satz hinzu: "Wir müssen einen Weg finden, dass wir alle nochmal an einem Strang ziehen." Das lässt sich so interpretieren, als ob zuvor nicht alle in die gleiche Richtung gezogen haben, als ob es atmosphärische Störungen im deutschen Team gibt. Dass es irgendwo nicht rund läuft, bestätigte Schröder in seinen weiteren Ausführungen. "Die Teamchemie bei uns war gut. Es war immer positiv im Training", sagte er, aber: "Im Spiel war es anders, da hat jeder mit sich selber gekämpft."

"Wir müssen einen Weg finden, dass wir alle nochmal an einem Strang ziehen"

Der bei dieser WM bislang völlig glücklos agierende Münchner Paul Zipser versicherte bei MagentaSport, dass die Stimmung innerhalb der Mannschaft intakt sei: "Wir verstehen uns als Team so gut", sagte er, "kriegen es aber nicht hin, die ganze Qualität, das ganze Talent, das wir haben, aufs Spielfeld zu bringen. Das ist für mich völlig unverständlich." Auch für Zipser liegen die Probleme auf dem Parkett: "Es fühlt sich einfach nicht gut an auf dem Spielfeld, wie wir uns bewegen, was wir machen als Team." Sein Klubkollege Danilo Barthel versuchte ebenfalls, Zweifel an der Geschlossenheit der Mannschaft zu zerstreuen: "Ich habe null Bedenken, dass wir jetzt auseinanderfallen."

Aber so richtig zusammengefunden haben die deutschen Basketballer trotz aller Beteuerungen offenbar auch noch nicht, wie Schröder monierte. Bei der Mannschaft aus der Dominikanischen Republik hatte er jedenfalls beobachtet: "Sie haben sich gefreut füreinander, die waren immer happy füreinander - wir haben das leider nicht so getan. Ich will jetzt nicht sagen, dass es daran gelegen hat. Aber es ist eine Sache, die ich schon gesehen habe." Barthel sagte dazu: "Ich habe versucht, das Team auch von der Bank aus zu unterstützen, aber es gab leider nicht viele emotionale Aktionen. Mehr Emotionen in jede Richtung wären gut gewesen."

Wer mag, kann das als Spitze gegen den stets ruhig und besonnen an der Seitenlinie agierenden Bundestrainer Rödl interpretieren. Auch der war ja reflexartig in die Kritik geraten, weshalb ihm der DBB-Präsident Ingo Weiss umgehend eine Jobgarantie gab. Von Rücktritten ist jedenfalls noch keine Rede in der deutschen Delegation, auch Dennis Schröder schloss das aus, freilich erst nach einem auffallend langen Moment des Überlegens.

"Wir haben sehr, sehr viel Potenzial. Wir können noch viel erreichen", sagte er - und fügte dann erneut einen Satz an, der viel Interpretationsspielraum lässt: "Aber da müssen natürlich auch alle mitziehen. Solange alle mitziehen, bin ich dabei."

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