Basketball:"Wir haben Geschichte geschrieben"

Göttingen, Felix-Klein-Gymnasium, 22.10.17, Basketball, DBBL, 1. Bundesliga, Saison 2017/18, 6. Spieltag, BG 74 Veilche

„Ich dachte, dass ich vielleicht in zwei oder drei Jahren vielleicht mal die Chance haben werde, da mitzuspielen.“ – Luisa Geiselsöder.

(Foto: Revierfoto/imago)

Die Nördlingerin Luisa Geiselsöder wird im WNBA-Draft ausgewählt - in Zukunft wird sie in Dallas spielen.

Interview von Raphael Späth

SZ: Frau Geiselsöder, Sie wurden im Draft der WNBA, der obersten US-amerikanischen Baketball-Liga, an 21. Stelle von den Dallas Wings ausgewählt. Haben Sie den Draft live um 2 Uhr nachts mitverfolgt?

Ja, meine ganze Familie ist wach geblieben. Wir haben es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht und den Draft per Livestream angeschaut. Alle haben mitgefiebert und als mein Name fiel, war der Jubel groß.

Hatten Sie während oder vor dem Draft Kontakt zu den Dallas Wings oder saßen Sie ahnungslos vor dem Fernseher und haben gehofft, dass Ihr Name fällt?

Der Trainer der Wings hatte mich am Nachmittag noch angerufen, um mich kennenzulernen und mir zu sagen, dass die Chance besteht, dass sie mich draften könnten. Aber man weiß ja trotzdem nie wirklich, was schlussendlich dann beim Draft passiert. Da kann sich ja wirklich noch einmal alles ändern. Versprochen wurde mir nichts, sie meinten nur, dass es passieren könnte und die Dallas Wings großes Interesse haben. Und so war es dann auch.

Normalerweise laden die Teams einzelne Spielerinnen vor dem Draft immer zu Trainingseinheiten ein, um sich vor Ort noch einmal ein Bild zu machen. War das bei Ihnen auch so?

Nein, das hat meine Agentin Alexandra Shaw übernommen. Sie hat Highlight-Tapes und meine ganzen Informationen an die unterschiedlichen Teams gesendet. Die haben sich dann diese Highlight-Tapes angeschaut und sich ein bisschen über mich informiert. Und so sind die Dallas Wings dann auch auf mich gekommen.

In dieser Saison haben Sie noch für die Angels Nördlingen in der Bundesliga gespielt. Die WNBA war vor dem Saisonstart, kurz nach Ihrem Abitur, noch ganz weit weg. Was hat sich in diesem halben Jahr verändert?

Ich glaube, dass ich mich in Nördlingen noch einmal weiterentwickelt habe. Trotzdem hätte ich niemals damit gerechnet, dass es jetzt wirklich schon so früh klappt. Ich dachte, dass ich vielleicht in zwei oder drei Jahren vielleicht mal die Chance haben werde, da mitzuspielen oder in ein Trainingscamp eingeladen zu werden. Aber ich glaube, es hat mir noch einmal geholfen, mir wirklich ein Jahr als professionelle Spielerin zu nehmen, dazu kam das Umfeld hier in Nördlingen mit neuem Trainer und neuen Teamkameradinnen. Das war sozusagen mein Sprungbrett-Jahr, und die ganze harte Arbeit hat sich auf jeden Fall ausgezahlt.

Wie fiel die Entscheidung, sich jetzt schon für den WNBA-Draft anzumelden?

Nachdem die Saison wirklich gut gelaufen ist und wir auch in der Tabelle oben mitspielen konnten, habe ich mit meiner Agentin entschieden, dass eine reelle Chance besteht, gedraftet zu werden. Als dann Anfang März die erste Draft-Prognose veröffentlicht wurde und mein Name darin aufgetaucht ist, waren wir uns beide einig, dass es ein Schritt ist, den man machen kann und der dann zu einem Traum werden könnte.

Inwiefern hilft Ihr Erfolg im Draft auch den Angels Nördlingen?

Er zeigt den jungen Spielerinnen, dass es auch in Nördlingen möglich ist, Großes zu erreichen. Und in Nördlingen wirst du als Jungspielerin vollkommen unterstützt. Es ist wie eine zweite Familie, in die du aufgenommen wirst. Nördlingen war in diesen Jahren wie eine zweite Heimat für mich.

Jetzt werden Sie, wenn alles glatt läuft, in Dallas spielen, das ja aufgrund von Dirk Nowitzki sowieso schon als deutsche Basketball-Stadt in Amerika gilt. Bei den Wings werden Sie dort in Zukunft auch noch mit einer weiteren Deutschen, Satou Sabally, zusammenspielen, die sogar an zweiter Stelle im Draft ausgewählt wurde. Ist das noch einmal ein zusätzlicher Motivationsschub?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, man kann sich geehrt fühlen, wenn man mit Satou in einem Team spielen und trainieren darf. Sie ist eines der größten Talente und die vermutlich variabelste Spielerin des Jahrgangs. Da freue ich mich richtig drauf. Und Dallas hat ja auch schon in der Vergangenheit viele europäische Spieler geholt. Vor allem auch im Männerbereich mit Maximilian Kleber zurzeit und natürlich Dirk Nowitzki. Es ist auf jeden Fall auch eine Ehre, von Dallas gedraftet zu werden.

Ihre Nationalmannschafts-Kollegin Leonie Fiebich wurde eine Position hinter Ihnen von den Los Angeles Sparks ausgewählt und wird dort auf eine weitere Deutsche, Marie Gülich, treffen. Was bedeutet es für den deutschen Frauen-Basketball, dass in Zukunft gleich vier deutsche Frauen in der besten Basketball-Liga der Welt spielen werden?

Ich glaube, es zeigt, dass sich der deutsche Basketball im Frauenbereich über die Jahre wirklich entwickelt hat. Wir haben Geschichte geschrieben mit momentan vier Spielerinnen in der WNBA - das gab es noch nie.

Ursprünglich war der WNBA-Saisonstart auf den 15. Mai terminiert. Aufgrund der aktuellen Corona-Krise ist aber noch völlig unklar, wann und ob die Saison überhaupt starten wird. Haben Sie aus Dallas schon nähere Informationen bekommen, wie es weitergehen wird?

Durch die ganze Corona-Situation wird es darauf hinauslaufen, dass ich erst nächstes Jahr ins Trainingscamp eingeladen werde, weil viele Spielerinnen von den Dallas Wings momentan schon in Amerika sind und nur 15 Spielerinnen zum Trainingscamp eingeladen werden dürfen. Ich glaube, das ist auch besser für mich, weil ich in der nächsten Saison, unabhängig vom Draft, zum französischen Topklub nach Landerneau wechseln werde. Dort kann ich mich noch einmal beweisen und die Auslandserfahrung dann nach Dallas mitnehmen.

Wie geht es für Sie persönlich jetzt unmittelbar in dieser Corona-Krise weiter? Sie werden vermutlich in nächster Zeit nicht nach Frankreich fahren können...

Das stimmt. Ich habe viele Trainingspläne von meinem Athletik-Trainer in Landerneau und meinen Nationalmannschafts-Trainern bekommen. Die Angels Nördlingen haben mir auch angeboten, dort zu trainieren, sobald die Hallen wieder offen sind. Aber momentan besteht mein Training wirklich nur aus Home-Workouts, wie vermutlich bei den meisten anderen auch.

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