Basketball:Weltspitze mit Fragezeichen

3x3 Damen Basketball Nationalmannschaft Medientraining, 21.05.2021 Stefanie Grigoleit, Theresa Simon, Svenja Brunckhorst

Die 3×3-Basketball-Nationalmannschaft: Stefanie Grigoleit, Theresa Simon, Svenja Brunckhorst, Satou Sabally (v.l.).

(Foto: Kenny Beele/imago)

Die deutschen 3×3-Basketballerinnen haben Olympia verpasst, stehen aber in der Weltrangliste ganz oben. Dabei hat die junge Sportart noch viel aufzuholen.

Von Mathias von Lieben, München

Dass Svenja Brunckhorst einmal dort Körbe werfen wird, wo sonst Gesetze verabschiedet werden, damit hätte sie vor einem Jahr noch nicht gerechnet. Doch genau das war Ende September der Fall, als ein Turnier der internationalen 3×3-Basketball-Tour der Frauen im rumänischen Parlamentspalast in Bukarest ausgespielt wurde. Unter goldverzierten Decken und schweren Kronleuchtern führte die deutsche 3×3-Kapitänin ihr Team zum Turniersieg der sogenannten Women's Series. "Die Locations sind ja das Coole an 3×3", sagt Brunckhorst am Telefon. "Normalerweise spielst du Basketball in schlichten Sporthallen, und auf einmal wirfst du Körbe in einem Regierungsgebäude." Körbe, die nun die Grundlage dafür sind, dass Deutschlands 3×3-Frauen überraschend die Weltrangliste anführt.

Entscheidend dafür war auch, dass die deutschen Frauen eine Woche vor Bukarest bereits genauso überraschend die Silbermedaille bei der EM in Paris geholt hatten. Der Deutsche Basketball-Bund sprach von einem "Meilenstein für den deutschen 3×3-Basketball". Und weil das Team nach dem Sieg in Bukarest nun auf Platz eins der Weltrangliste vorgerückt ist, lobt DBB- Vizepräsident Armin Andres auch noch mal die Verbandsarbeit der letzten Monate: "Platz eins ist Ausdruck der engagierten und kompetenten Arbeit, die der DBB im Bereich 3×3 leistet."

Es ist eine rasante Entwicklung, die gerade das deutsche 3×3-Frauen-Nationalteam in diesem Jahr genommen hat. Erst Anfang Januar wurde in Hannover der erste Bundesstützpunkt eröffnet. Seitdem trainieren dort täglich neben Kapitänin Brunckhorst drei weitere Auswahlspielerinnen. Zwar verpassten es die Frauen im Mai, trotz Unterstützung von WNBA-Profi Satou Sabally, das Ticket für die Olympia-Premiere der jungen Sportart zu lösen: "Und trotzdem haben wir mit den Erfolgen in Paris und Bukarest gezeigt, dass unsere Anstrengungen nicht verpufft sind", sagt Matthias Weber, der bereits seit Anfang 2019 3×3-Disziplinchef beim DBB ist. Der Verband sieht jedenfalls großes Potenzial in der Sportart. Im Juni wurde im Rahmen der Multisportveranstaltung "Die Finals" erstmals auch ein Pokal ausgespielt. Bei den Frauen ist 3×3 mittlerweile so beliebt, dass sich erfolgreiche 5×5-Spielerinnen wie Brunckhorst oder Sonja Greinacher komplett für diese Sportart entschieden und ihre Vereine in der Frauen-Bundesliga verlassen haben. Die Hoffnung des Verbands: Vom 3×3-Hype profitiert der gesamte Basketball.

Nun muss man aber dazusagen: Vom aktuellen Lauf darf man sich nicht blenden lassen. Die offizielle 3×3-Rangliste des Weltverbands Fiba sagt nicht unbedingt aus, dass Deutschland in der Spitze auch zwangsläufig besser ist als Olympiasieger USA, die derzeit nur auf Rang neun liegen. Sie sagt vor allem aus, dass deutsche 3×3-Spielerinnen an vielen Turnieren teilgenommen haben. Die Tabelle beruht auf den individuellen Werten der 50 besten Spielerinnen eines Landes; Punkte bekommt eine Spielerin allein dafür, dass sie bei einem Turnier antritt. Es gibt auch Punkte für erzielte Körbe, Rebounds und manches mehr.

Um sich langfristig in der internationalen Spitze zu etablieren, gibt es strukturellen Nachholbedarf. Weber lebt etwa selbst in Stade und kann nur zwei bis drei Mal die Woche zum Stützpunkt nach Hannover fahren und sein Team trainieren. Die Konsequenz: Am Bundesstützpunkt ist nur ein weiterer Basketball-Trainer vom Niedersächsischen Verband für 3×3 verantwortlich. Zu wenig, um Aufbauarbeit zu leisten. "Wir stecken mit 3×3 noch in den Babyschuhen und der DBB war damit überfordert, dass die Sportart so schnell so groß geworden ist", glaubt auch Svenja Brunckhorst: "Aber wir brauchen schnellstmöglich einen weiteren Trainer und entsprechend finanzielle Mittel."

Im Widerspruch zum gewachsenen Anspruch von Weber und seinen Spielerinnen steht der kürzlich vorgelegte Abschluss- Bericht der Potas-Kommission für die 26 Sommersportverbände. Potas - das umstrittene Potenzialanalysesystem - durchleuchtet Verbände und ihre Disziplinen auf Medaillenchancen bei Olympischen Spielen. Der Deutsche Basketball Bund landete im Ranking der Fachverbände auf Platz 26, dem letzten Platz. Und 3×3 gehörte bei der Wertung der einzelnen Disziplinen mit Platz 101 (Frauen) und 102 (Männer) ebenfalls zu den am schlechtesten bewerteten Disziplinen. Nur den Synchronschwimmerinnen traut Potas noch weniger zu.

DBB-Präsident Ingo Weiss war damit gar nicht einverstanden: "Wir konnten ja noch keine Strukturen aufbauen. Urplötzlich werden die Strukturen, die wir langsam aufbauen, negativ bewertet." Eine Interpretation, die 3×3-Chef Weber so nicht teilt: "Wir haben uns 2019 dafür entschieden, bei Potas mitzumachen - wohlwissend, dass wir eigentlich keinen guten Score erzielen können wegen der fehlenden Strukturen. Wenn jetzt der Staat nicht zuschießt, dann brauchen wir eben privatwirtschaftliche Investitionen". Ein klarer Fingerzeig an den eigenen Verband, mehr Geldmittel über Sponsoren zu akquirieren.

Unabhängig von finanziellen Mitteln sind die 3×3-Frauen durch die Silbermedaille bei der EM schon qualifiziert für die WM 2022 in Antwerpen. "Da wollen wir mindestens das Viertelfinale erreichen", sagt ein selbstbewusster Matthias Weber, der als weiteres Ziel schon mal die Qualifikation für Olympia 2024 in Paris ausgibt. "Wir wollen mittelfristig zu einer 3×3-Nation werden, die immer oben mitspielen kann." Ob sie auch an der Spitze der Weltrangliste bleiben kann, ist auf Dauer aber mehr als fraglich.

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