Basketball:Verzerrtes Bild

l-r: im Zweikampf, Aktion, mit Andreas Obst 42 (Deutschland) und Ovie Soko 00 (England), England vs. Deutschland, Baske

Zug zum Korb: Andreas Obst (links), mit 24 Punkten erfolgreichster Werfer gegen Großbritannien, empfiehlt sich für höhere Aufgaben.

(Foto: Matthias Stickel/imago)

Die deutsche Auswahl tritt außer Konkurrenz und ohne ihre besten Spieler in der EM-Qualifikation an. Grund ist auch ein seit Jahren schwelender Konflikt.

Von Joachim Mölter, Newcastle/München

So, was hat das geneigte Publikum denn jetzt zu halten von den Ergebnissen der deutschen Basketballer zum Auftakt der EM-Qualifikation - von diesem 83:69-Heimsieg über den WM-Dritten Frankreich und von der 73:81-Niederlage bei den international eher dritt-, als zweitklassigen Briten? "Es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung für unsere vielen jungen Spieler", resümierte Bundestrainer Henrik Rödl, der in den beiden Partien insgesamt fünf Neulinge in der Nationalmannschaft debütieren ließ: die Guards Bennet Hundt (Göttingen/21) und Joshua Obiesie (Würzburg/19), die Flügelspieler Louis Olinde (Bamberg/21) und Jan Niklas Wimberg (Chemnitz/24) sowie den Center Leon Kratzer (Frankfurt/23).

Aber im Grunde hatten die Partien keinerlei Aussagekraft, sie hatten ja nicht einmal eine Bedeutung für die EM-Qualifikation. Als Mitausrichter darf die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) sowieso mitmachen beim Turnier im September 2021. Ebenso wie die übrigen Co-Organisatoren Georgien, Italien und Tschechien nimmt sie außer Konkurrenz an der Qualifikation teil - wobei die Ergebnisse für die jeweiligen Gegner natürlich schon zählen. Dass diese Konstellation den Wettbewerb verzerren könnte, sieht auch Rödl. Im Interview mit dem Fachmagazin BIG sagte er, es wäre vernünftiger gewesen, "die bereits qualifizierten Nationen in eine separate Gruppe zu bringen". So hätten die vier Ausrichter-Länder nämlich auch üben und experimentieren können, ohne den aktuellen Wettbewerb zu beeinträchtigen.

Der ungewöhnliche Qualifikationsmodus passt freilich zur unübersichtlichen Situation im europäischen Basketball. Der wird seit Jahren von einem Zwist zwischen dem Kontinentalverband Fiba Europe und der europäischen Klubvereinigung ECA bestimmt. Die Fiba Europe hat vor einiger Zeit wieder sogenannte Länderspiel-Fenster im Terminplan installiert - erst drei, aktuell nur noch zwei - doch die ECA, welche die beiden bedeutendsten kontinentalen Klubwettbewerbe organisiert (Euroleague und Eurocup), weigert sich, ihren Spielbetrieb dafür zu unterbrechen und ihre Angestellten für Nationalteams freizugeben. Eines ihrer Argumente: Die nordamerikanische Profiliga NBA macht das ja auch nicht.

Weil also keine Spieler aus den beiden besten Ligen der Welt verfügbar sind, tritt in der EM-Qualifikation mehrheitlich die zweite, dritte Wahl der jeweiligen Nationalteams an. Bei Frankreich stand am Freitag zum Beispiel nur ein Bronzegewinner der WM 2019 in China im Kader, und von den zwölf deutschen WM-Teilnehmern waren auch bloß noch drei dabei: Robin Benzing (Saragossa), Andreas Obst (Ulm) und Ismet Akpinar (Besiktas Istanbul). Benzing erzielte gegen Frankreich die meisten Punkte (22), Obst gegen Großbritannien (24).

Benzing, Obst und Akpinar sind die einzigen Spieler aus dem aktuellen Aufgebot, die hoffen dürfen, auch bei nächster Gelegenheit wieder berufen zu werden. Die nächste Gelegenheit, das ist ein Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Tokio, das vom 23. bis 28. Juni in Split/Kroatien ausgetragen wird. Nur das beste der sechs Teams darf in die japanische Hauptstadt fliegen und dort zwischen dem 24. Juli und dem 9. August mitspielen. Weil die NBA und die Euroleague im Sommer pausieren, hat der Bundestrainer Rödl also wieder die freie Auswahl, wenn es um die Olympia-Teilnahme geht.

Demnächst will Rödl in die USA fliegen, um sich schon mal nach der grundsätzlichen Bereitschaft der sechs dort beschäftigten Nationalspieler zu erkundigen: Dennis Schröder (Oklahoma City), Daniel Theis (Boston), Maxi Kleber (Dallas), Isaiah Hartenstein (Houston), Isaac Bonga und Moritz Wagner (beide Washington). Dazu kommen die bei Euroleague-Klubs unter Vertrag stehenden Danilo Barthel, Maodo Lo, Paul Zipser (alle Bayern München), Niels Giffey, Johannes Thiemann, Makai Mason, Jonas Mattisseck (alle Alba Berlin), Johannes Voigtmann (ZSKA Moskau) sowie Tibor Pleiß (Anadolu Efes Istanbul).

Da bei offiziellen Länderspielen und Turnieren bloß zwölf Akteure eingesetzt werden dürfen, braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die deutsche Mannschaft für die EM-Qualifikation nicht viel mit der für die Olympia-Qualifikation gemein haben wird - womöglich gar nichts. Und so wird das in naher Zukunft weitergehen: In den nächsten Länderspiel-Fenstern im November 2020 und im Februar 2021 dürfen sich wieder die Spieler aus der zweiten und dritten Reihe präsentieren und ihre Knochen hinhalten. Und bei der EM im September 2021 schauen sie dann den Kollegen aus NBA und Euroleague zu.

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