Süddeutsche Zeitung

Basketball:Über dem Limit

TJ Bray beweist in Athen auf Anhieb, dass er den Bayern helfen kann. Am Ende steht dennoch die fünfte Euroleague-Niederlage in Serie.

Von Felix Haselsteiner

Eine Minute und 39 Sekunden dauerte es, dann war TJ Bray in der Euroleague angekommen. Es war im Vorfeld der Partie des FC Bayern Basketball gegen Panathinaikos Athen viel davon geredet worden, dass der 27-jährige US-Amerikaner sein Comeback feiern würde, gleichzeitig sein Debüt bei den Bayern; dass er lange verletzt war und man ja überhaupt gar nicht wisse, wie schnell er in Form kommen würde. Dabei geriet fast ein wenig in Vergessenheit, dass Thomas Bray aus New Berlin im Bundesstaat Wisconsin in seiner Profikarriere bislang zwei Jahre in der zweiten italienischen Liga, ein Jahr in der ersten belgischen und griechischen und ein Jahr in der Bundesliga gespielt hatte. Bray mag bei all seinen Karrierestationen überdurchschnittlich gut gewesen sein, insbesondere vergangene Saison bei Rasta Vechta, aber: Internationale Klasse hatte er zuvor noch nie in seiner Karriere unter Beweis stellen dürfen.

Er brauchte dennoch nicht lange, um das zu tun. Als Bray nach fünf Minuten und acht Sekunden Spielzeit das Spielfeld in der riesigen OAKA Olympic Indoor Hall betrat, lag der FC Bayern Basketball bereits 2:17 zurück. Die Münchner hatten einen Katastrophenstart erwischt, verloren Bälle, wirkten hinten überfordert und vorne ungefährlich. Panathinaikos hingegen traf in den Anfangsminuten fast jeden Wurf, mit eleganten Pässen und wilden Dunks setzten sie Zeichen um Zeichen, dass hier nichts zu holen sei für die Auswärtsmannschaft. Selbst ein Timeout von Bayern-Trainer Oliver Kostic konnte den Run der Griechen nicht unterbrechen, er wechselte also seinen Point Guard aus, für Maodo Lo kam Bray. Knappe eineinhalb Minuten später wurde der an der linken Außenlinie freigespielt, er traf für drei Punkte ins Netz und so klischeehaft es klingen mag: Es ging ein Ruck durch die Bayern-Mannschaft, die sich ins Spiel zurückkämpfte, bis auf zehn Punkte Rückstand nach dem ersten Viertel und bis zum Ausgleich zur Halbzeit. "Die Art, wie er das Spiel angegangen ist und gespielt hat, ist unglaublich", sagte Trainer Oliver Kostic später über Bray: "Er war über dem Limit, was er nach der langen Verletzungspause eigentlich liefern kann."

14 Punkte und fünf Assists standen am Ende auf dem Scoresheet, doch die Statistiken allein machten nicht den Unterschied, wie Vladimir Lucic feststellte: "Wir hatten heute endlich nach langer Verletzung einen weiteren Point Guard zurück. Das gab uns mehr Kreativität und Optionen beim Pick and Roll", sagte der Serbe: "Das war der Grund, warum wir zwischenzeitlich so gut aufgetreten sind."

Den Grund, warum die Bayern in Athen dennoch ihre fünfte Euroleague-Niederlage in Serie hinnehmen mussten, verriet Lucic mit seiner Aussage ebenfalls. Bayern trat zwischenzeitlich sehr gut auf, zwischenzeitlich allerdings auch desaströs. Mit Bray in bester Comeback-Laune und einer fast schon unheimlichen Dreierquote spielten die Münchner im zweiten und dritten Viertel zeitweise rauschhaft, dafür waren sie den übermächtigen Griechen aber im ersten und vierten Viertel derart unterlegen, dass am Ende eine klare Niederlage zu Buche steht, die einige Fragen aufwirft und die Mannschaft vor dem zweiten Auswärtsspiel in Griechenland am Freitag (19:30 Uhr) gegen Olympiakos Piräus spürbar unter Druck setzt.

Die Antwort auf die Frage, warum die Münchner die Partie am Ende verloren, gab Kostic klar und deutlich: Es sei "offensichtlich, dass das Spiel bei den Rebounds entschieden wurde. Panathinaikos hatte allein 20 Offensivrebounds und hat daraus 22 Punkte gemacht. So kannst du auf diesem Level nicht gewinnen", sagte der Trainer, für den das zweite und dritte Viertel "das Modell, wie wir spielen wollen" seien.

Eine ähnliche Aussage hatte Kostic allerdings auch nach der Heimniederlage gegen ZSKA Moskau - wie Panathinaikos eine der Topmannschaften der Euroleague - getroffen, als die Bayern in der zweiten Hälfte gut gespielt, da aber eigentlich die Partie schon verloren hatten. Antwort darauf, wie man diese eklatanten Schwächephasen behoben bekommt, hatte niemand so richtig: Im letzten Viertel habe das Team "leider die Kontrolle verloren. Ich weiß nicht, ob wir müde wurden, aber wir haben unsere Würfe nicht mehr getroffen", sagte Petteri Koponen, was nicht allzu messerscharf klang. Kostic wollte überhaupt erst einmal analysieren, "warum es im letzten Viertel anders war" als davor.

Die nächsten zehn Euroleague-Spiele der Bayern

17. Januar Olympiacos Piraeus (A)

23. Januar Maccabi FOX Tel Aviv (H)

30. Januar AX Armani Exchange Milan (A)

04. Februar LDLC ASVEL Villeurbanne (A)

07. Februar Valencia Basket (H)

21. Februar Anadolu Efes Istanbul (H)

27. Februar Zenit St Petersburg (A)

04. März Baskonia Vitoria-Gasteiz (H)

06. März FC Barcelona (A)

13. März Khimki Moscow Region (A)

Das sollte schnell passieren, denn den Bayern läuft in der Euroleague die Zeit davon. Die Auswärtspartie bei Olympiakos bestreiten die Münchner als Tabellenletzte, sie brauchen nun dringend einen Sieg, um noch eine Restchance auf die Playoffs zu haben. Immerhin zeigte sich am Mittwochabend, dass die Hoffnung auf den bislang international noch unerfahrenen TJ Bray als möglichen Retter der europäischen Ambitionen keineswegs illusorisch, sondern vollkommen berechtigt war.

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SZ vom 17.01.2020
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