Basketball-Trainer Dirk Bauermann:Kampf mit der Stille

Lesezeit: 5 min

Dirk Bauermann, der erfolgreichste deutsche Basketball-Trainer, wurde kurz vor der Saison beim FC Bayern entlassen. Die Beziehung zum mächtigen Klublenker Uli Hoeneß erkaltete, weil Bauermann auf seinen Weg beharrte. Seit der Trennung ist der Coach abgetaucht - aber er will wieder arbeiten.

Andreas Burkert

Dirk Bauermann will auch nach seiner Zeit beim FC Bayern wieder als Trainer arbeiten - erste Angebote gibt es bereits. (Foto: dapd)

Schön hier. Schön ruhig und verschlafen, diese kleine Ortschaft oberhalb des Starnberger Sees. Dirk Bauermann hat sich damals bewusst gegen die Stadt entschieden, er steht genug unter Strom. Vielmehr: Er stand. Am Ende eines Weges ist sein angemietetes Heim versteckt, im stillen Höhenrain. Er öffnet die Tür, und man sieht ihm gleich an, dass er das nicht unbedingt gewohnt ist.

So viel Zeit. Diese Ruhe.

Bauermann, 54, der mit Abstand erfolgreichste deutsche Basketballcoach, trägt immer schon Dreitagebart, neben seiner schwarzen Kleidung und dem Furor an der Seitenlinie ist das seit zweieinhalb Jahrzehnten sein Markenzeichen. Er wirkt jünger als fast 55, aber dass er momentan vor allem einen Kampf mit der Stille führt, das räumt er zur Begrüßung ein: "Ich muss meinen Tag schon strukturieren."

Trainer im Spitzensport strukturieren eigentlich das Leben anderer, das der Sportler. Die haben zwischen Spielen und Einheiten recht viel Zeit, ein Umstand übrigens, der Bauermann beim FC Bayern vielleicht den Job kostete, aber dazu später. Trainer haben selten frei, erst recht, wenn es sich um Workaholics handelt wie Bauermann, der in seinem ersten Jahr in München zwei Jobs erledigte, den als Lokomotive beim neuen Spielzeug von Klubpatron Uli Hoeneß, den FC-Bayern-Basketballern, und den des Bundestrainers.

Und jetzt? Von 230 runter auf Tempo 30. Weit draußen in Höhenrain.

Sechs Tage vor dem BBL-Start entließ Hoeneß jenen Trainer, dem allein er es vor gut zwei Jahren zugetraut hatte, das ambitionierte Projekt zu leiten. Es war die wohl spektakulärste Entlassung des Sportjahres nach dem Aus des Zuchtmeisters Felix Magath bei Wolfsburgs Konzernkickern: Mehr Aufmerksamkeit erhielt der deutsche Basketball zuletzt nur, als Dirk Nowitzki 2011 seine Mavericks endlich zum NBA-Titel warf. Denn Hoeneß überzog Bauermann öffentlich mit Tiraden: Das Team sei "nicht fit", habe zu viele Freiheiten; Bauermann leide unter "Realitätsverlust".

Dirk Bauermann ist, nachdem er Anfang Oktober knapp seine Enttäuschung formulierte, von der Bildfläche verschwunden. Er sagte einen TV-Auftritt ab, sicher auch, um sich zu schützen. "Ich habe mich bewusst gegen eine Replik entschieden, weil ich fand, dass meine Erfolge Antwort genug sind", sagt er nun mit etwas Abstand und setzt sich im Wohnzimmer neben sein Fitnessgerät, seinem bevorzugten Zeitvertreib in diesen Tagen. Plumpe Konter braucht er nicht, zumal Bauermanns Vertrag in München bis 2014 gilt. Und irgendwann wird man sich ja doch mal über die vermutlich annähernd siebenstellige Summe zu einigen haben, die ihm noch zusteht. Vereinsschädigendes Verhalten, sagt Bauermann, "liegt mir fern".

Dirk Bauermann holte mit Leverkusen und Bamberg neun Meisterschaften, mit dem Nationalteam EM-Silber 2005. Der Rheinländer war bisher neben Nowitzki das zweite Gesicht des deutschen Basketballs. Er gilt denjenigen, die ihn nicht kennen, "als unnahbar, mit einer Aura der Arroganz", das kennt Bauermann. Er polarisiert. Umso erstaunlicher waren die kräftigen solidarischen Stimmen aus der Liga. Berlins Manager Marco Baldi kritisierte Hoeneß' Umgang mit ihm, Bambergs Chef Wolfgang Heyder, der alte Gefährte, sowieso. Auch Heiner Brand, der mit Bauermann befreundete, langjährige Trainer der deutschen Handballer, meldete sich.

Die Münchner, mit Bauermann aus der zweiten Liga aufgestiegen, belegten in ihrer ersten BBL-Saison Rang fünf und schieden in Playoff-Runde eins aus. Eine Trennung im Sommer wäre hart, aber mit den Ambitionen eines Global Players zu erklären gewesen. Doch vor dem ersten Spiel? Mit dem ehrabschneidenden Nachhall, das Team eines bekanntermaßen harten Disziplinpredigers sei außer Rand und Band?

Bauermann kann sich an das kurze Gespräch mit Hoeneß erinnern. Aber was er an diesem Tag fühlte, ist ihm unbekannt: "Ich weiß das nicht mehr, ich war in einer Schockstarre." Das ist viel Aufrichtigkeit für jemanden, der es lange auch genoss, unnahbar zu wirken. Bauermann hat zudem viel erlebt, in Griechenland stellte er mal den Liebling des Präsidenten in Frage, worauf der eine Pistole aus dem Schreibtisch holte. So wurde er entlassen. Aber in Schockstarre versetzte ihn das nicht.

In München, das war bekannt, verfolgte Hoeneß Bauermanns Arbeit schon länger kritisch. Sein Team steht mit einem Etat von rund neun Millionen Euro zumindest in der Etat-Tabelle ganz oben, die vielen Auswärtspleiten in der ersten Saison irritierten ihn. Der Präsident, das hat Hoeneß erzählt, empfahl Bauermann, früher zu trainieren, um neun. Das nähme den Spielern den Elan, abends auszugehen.

Bauermann spürte, wie sich da ein Verhältnis abkühlte. Er dachte sogar daran, von sich aus zu gehen. Aber er blieb und behielt seine Trainingszeit bei, zehn Uhr, ebenso die in seiner Karriere bewährte Art der Teamführung. Er war ja Trainer. Hoeneß ging weiter auf Distanz, "es hatte sich etwas aufgestaut", erklärte er im Oktober. In der Vorbereitung verlor das Team ein Heimturnier gegen starke Euroleague-Starter. Und dann liefen einige Spieler auf dem Oktoberfest abends ausgerechnet dem Präsidenten über den Weg. Das war zu viel für Hoeneß. Schluss.

Dirk Bauermann spricht nicht über solche Details. Aber auch so ist seine Geschichte wohl einerseits ein weiteres Lehrbeispiel für die ritualisierten Machtverhältnisse beim FC Bayern, den Hoeneß überwacht - andererseits irritiert sie mit einer Doppelmoral in einem Verein, der dem Fußballlehrer kaum vorschreiben würde, früher zu trainieren. Und Vorwürfe an Trainer oder Spieler bezüglich der einst diskutablen Freizeitgestaltung etwa von Franck Ribéry wurden bisher auch nicht bekannt.

Dirk Bauermann betont, er sei "nicht beleidigt". Er klagt nicht. Er klagt auch nicht an. Er ist Profi. Aber die Möglichkeit, mit einem potenten Klub irgendwann sogar mal in Europa eine Rolle zu spielen, "die ist jetzt weg - und das ist es, was schmerzt". Er hätte nach dem durchwachsenen Premierenjahr gerne gezeigt, dass er auch in München etwas bewegen kann. Er weiß zwar, dass er Angriffsflächen bietet, "dass ich mich mit meiner Arbeitsweise auf dünnem Eis bewege, denn ich bin nicht der große Teamplayer, der alles delegiert". Doch diese Art, ebenso sein defensiver, strukturierter Basketball, an dem man sich in der Tat reiben kann, "das ist doch meine Handschrift, die gehört dazu". Er sagt: "Sonst bin ich austauschbar."

Aber da war eben noch dieses Buch: "Mission Erfolg". Es erschien im Frühjahr. Mit freundlichem Vorwort von Hoeneß. Inmitten der Niederlagenserie auswärts. Ein Trainer, der Hoeneß unbelehrbar erschien, der ebenfalls eine Meinung hat und der ein Ich-Buch verfasste, das erinnerte den Präsidenten an das Ego Louis van Gaal, des einstigen Fußballlehrers aus Holland. "Das Buch war sicher ein Fehler, das löste etwas aus", vermutet Dirk Bauermann. "Da war Naivität dabei."

Bauermann wird Chefcoach bleiben. Aus China gab es bereits ein Angebot (das er ablehnte), ein europäisches Nationalteam zeigt Interesse. Er wartet jetzt aber mal ab und bildet sich fort. Eine gute Woche geht es bald in die USA, nach Chicago, der Co-Trainer der Bulls ist ein früherer Mentor. Auch in der Türkei will er Kollegen im Europacup über die Schulter schauen. Nur seinen Bayern, die bislang auch unter seinem früheren Co-Trainer Yannis Christopoulos eher das Bild eines besseren, aber farblosen Mittelklasseteams abgeben, kann er nicht zusehen. Hält er nicht aus.

Brose Bamberg gegen FC Bayern lautet am Sonntag das brisante BBL-Duell. Sein einstiger Klub, den er an die Spitze brachte, gegen jenen, der ihn noch bezahlt. Es wäre sein Spiel gewesen. Hoeneß will kommen, doch Bauermann wird währenddessen wohl auf dem Hometrainer sitzen und Football schauen. Oder doch mal mit der Katze des Nachbarn spielen, die ihn ständig besucht. Dabei mag er keine Katzen.

© SZ vom 17.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: