Basketball:Tragischer Fall

Bonn, Deutschland, 10.03.2020, Telekom Dome, Basketball, FIBA Champions League, Telekom Baskets Bonn vs AEK Athen: Josh; Joshiko Saibou

Symbolfigur einer verkorksten Saison: Basketballprofi Joshiko Saibou streitet mit seinem Bonner Klub vor dem Arbeitsgericht.

(Foto: Jürgen Schwarz/Imago)

Absturz in der Tabelle und dann noch die Sache mit Saibou: Nach einer der schlimmsten Spielzeiten ihrer Geschichte arbeiten die Baskets Bonn an ihrer Überlebensfähigkeit. Helfen könnte ihnen dabei, dass sie ihre Halle allmählich abbezahlt haben.

Von Ulrich Hartmann, Bonn/München

Die Saison ist schon wieder nicht besonders gut losgegangen für die Telekom Baskets Bonn. Am Dienstagabend verspielten sie mit einer 82:90-Niederlage gegen Alba Berlin den Einzug ins Pokal-Finalturnier, und am Mittwochnachmittag ging es vor dem Arbeitsgericht in einem aufsehenerregenden Rechtsstreit gewissermaßen in die Verlängerung. Der Klub hat beim Kammertermin zunächst nicht Recht bekommen in der Frage, ob er den Spieler Joshiko Saibou im Sommer fristlos habe kündigen dürfen für dessen skeptische Haltung zu Pandemie-Maßnahmen und für seine Teilnahme an einer Großdemo in Berlin ohne Mundschutz. Der Klub hatte Saibous Verhalten als Gefährdung für andere Teammitglieder und Mannschaften erachtet. Saibous Vertrag läuft noch bis Ende Juni 2021. Die Kammer empfahl, einen Vergleich auszuhandeln.

Die Bonner haben gerade erst eine der schlimmsten Spielzeiten ihrer 25 Jahre währenden Historie hinter sich. Nicht nur wegen Corona, auch sportlich. Drittletzter waren sie geworden in der abgebrochenen Hauptrunde der Basketball-Bundesliga (BBL). "Offensichtlich waren die Spieler der zunehmenden Drucksituation nicht gewachsen", sagt Wolfgang Wiedlich, der Geschäftsführer und Präsident. Unter den gegenwärtigen Umständen neigt der 64-Jährige zum Zynismus. So schlecht sei manches Heimspiel gewesen, sagt er, "da hätte man sich manchmal fast gewünscht, dass keine Zuschauer zugelassen wären". Man darf das nicht falsch verstehen: Natürlich vermisst Wiedlich das Publikum, emotional und wirtschaftlich, aber für manches Spiel hat er sich offenbar geschämt.

In der Sommerpause haben die Bonner ihren Kader umfassend erneuert: Leon Kratzer, Chris Babb, Strahinja Micovic und Josh Hagins heißen ein paar der Neuen, die eine gewisse Spielkultur zurückbringen sollen; vielleicht reicht es auch wieder für die Playoffs. Nur viermal binnen 25 Jahren hat Bonn die K.-o.-Runde verpasst. Dabei sind die Baskets der tragischste Fall der neueren deutschen Basketball-Geschichte. Fünfmal verloren sie das Finale um die Meisterschaft, dreimal das um den Pokal - achtmal kurz davor, aber nie einen Titel gewonnen: Das ist hart. Der Trainer, der nun die Wende einleiten soll, heißt Igor Jovovic und war zuletzt Assistent beim FC Bayern München.

Dass sie jahrelang in ihre Halle investiert haben, könnte die Bonner nun retten

Der Sport ist zurzeit natürlich nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte dreht sich um die Überlebensfähigkeit des Klubs. Mit sieben neuen Spielern haben die Baskets Verträge ausgehandelt, die Gehälter sind jetzt niedriger als vorher, der Etat ist um etwa 40 Prozent geschrumpft. In den Verträgen stehen jetzt lauter neue Klauseln: eine Saisonunterbrechungsklausel, eine Saisonabbruchsklausel und eine Klausel, die das Gehalt der Spieler auch an die Zahl der zugelassenen Zuschauer koppelt. Corona hat den Klub kreativ werden lassen müssen. Beim Training werden die TV-tauglichen Hochleistungs-Scheinwerfer nicht mehr zu 100 Prozent aufgedreht, sondern nur noch zu maximal 50, das Trainingslager wurde gestrichen und wegen der gesunkenen Gehälter bekommen auch die Spieler-Agenten weniger Provision. Kleinvieh macht auch Mist.

Eine Saison unter den gegenwärtigen Umständen glauben sie in Bonn überstehen zu können; bei einer weiteren könnte es eng werden. Die Baskets zahlen seit zehn Jahren ihre eigene Halle ab: den Telekom-Dome. Telekondom, haben bei der Eröffnung Einige gelästert, aber mittlerweile ist klar: Die im Eigenbesitz befindliche Arena könnte die Baskets tatsächlich vor dem Niedergang schützen. Jahr für Jahr haben die ungefähr 900 000 Euro Kapitaldienst ungeheuer belastet. "Wir haben uns die Arena vom Team-Etat abgespart", sagt Wiedlich. Seit 2009 war Bonn womöglich auch deshalb in keinem BBL-Finale und seit 2012 in keinem Pokalfinale mehr, weil man die Qualität des Kaders den wirtschaftlichen Bedingungen bei der Abzahlung der Halle anpassen musste. Doch mittlerweile ist so viel abbezahlt, dass die Immobilie samt Grundstück sogar beliehen werden kann. Und so bietet die eigene Halle in diesen Zeiten tatsächlich die Chance, die Krise vielleicht sogar zu meistern.

Am kommenden Sonntag empfangen die Bonner zu ihrem ersten Ligaspiel der neuen Saison die Mannschaft aus Ludwigsburg, den Vorjahresfinalisten. Zuschauer werden dann keine erlaubt sein in der Arena, dabei hoffen die Baskets, dass sie künftig wieder Leistungen zeigen, für die sie sich vor niemandem schämen müssen. Für die Fans haben sie eine besondere Aktion geplant: Wer will, kann sein Foto im Internet hochladen und während des Spiels auf den LED-Werbebanden am Spielfeldrand erscheinen lassen.

"Unser Saisonziel", sagt Präsident Wiedlich, "ist zunächst mal dafür zu sorgen, dass unsere Fans auch vor dem Fernseher wieder Freude an unseren Spielen entwickeln." Der nächste Gedanke könnte dann sein, es auch wieder in die Playoffs zu schaffen. In einer Saison, die mit zwei eher schwierigen Fällen losgegangen ist, wäre das schon tröstlich.

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