Süddeutsche Zeitung

Basketball:Terrier gegen die Riesen

Lesezeit: 3 min

Der FC Bayern München kämpft sich mit einer starken Defensivleistung gegen den französischen Meister Villeurbanne zu einem 73:65-Sieg - trotz eines frühen Rückstands und ohne Topscorer Darrun Hilliard.

Von Ralf Tögel

Es war vielleicht die Szene des Spiels, zumindest stand sie beispielhaft für die Leistung der Basketballer des FC Bayern: Corey Walden, seines Zeichens 1,88 Meter großer Guard der Münchner, fischte den Ball vor Victor Wembanyama, dem 2,21 Meter großen gegnerischen Center, aus der Luft und leitete einen schnellen Gegenzug ein. Den schloss Vladimir Lucic mit einem Dreier zum 32:32-Ausgleich ab. An der Seitenlinie führte TJ Parker, Trainer des französischen Meisters Asvel Villeurbanne, vor Wut einen kleinen Veitstanz auf, er ahnte wohl, dass dies eine vorentscheidende Szene in der Euroleague-Partie in München war. Denn es war kurz vor der Halbzeit der erste Ausgleich für die Gastgeber, die bis dahin stets einem teils deutlichen Rückstand hinterhergerannt waren. So aber ging der FCB mit einem hauchdünnen 39:38-Vorsprung in die Kabine, den sie sich letztlich nicht mehr nehmen ließen und 73:65 gewannen.

Es war eine bemerkenswerte Willensleistung, denn die Bayern waren einmal mehr mit einer unerwarteten Hypothek auf das Feld gegangen. Darrun Hilliard, Münchens derzeit in einer famosen Form spielender Topscorer, hatte sich im Training am Knie verletzt und musste passen - dem 28-Jährigen droht eine längere Zwangspause. Ausgerechnet Hilliard, der beim jüngsten Spiel in Moskau, das nach ständiger Führung erst in den letzten Sekunden 74:77 verloren ging, mit 28 Punkten der überragende Akteur war. So schleppten die Münchner nicht nur die Erinnerung an diese aus ihrer Sicht ungerechte Niederlage mit sich, sondern auch noch die Gewissheit, dass ihnen ihr Bester fehlte. "Wir hatten nach der Verletzung von Darrun zwei schlechte Tage", gab Trainer Andrea Trinchieri nach der Partie zu, umso glücklicher sei er, dass "wir wieder einen Weg gefunden haben, als Team zu antworten". Jeder Akteur habe ein bisschen etwas von Hilliards Rolle übernommen, das machte ihn "sehr, sehr glücklich".

In der Schlussphase setzen Rubit und Thomas mit ihrer Athletik und ihrem Willen die Akzente

Zunächst aber hatten die Bayern sichtbare Probleme mit dem überlangen Gegner, neben Wembanyama, der erst 17 Jahre alt ist und als größtes französisches Talent gilt, stehen in Youssoupha Fall, der 2,21 Meter misst, dem 2,08 Meter großen Kostas Antetokounmpo und James Gist weitere Hünen im Team. Gist, der im vergangenen Jahr bekanntlich noch für die Bayern spielte, ist mit 2,04 Metern der kleinste in dieser Riesen-Riege, aber er bereitete den Gastgebern im ersten Viertel mit sieben Punkten in Folge die größten Probleme. 12:20 lagen die Bayern hinten, weil sie sich erst auf einen überlangen Gegner, "wie wir ihn in dieser Saison noch nicht hatten", gewöhnen mussten, wie Trinchieri erklärte.

Aber seine Mannschaft zeigte einmal mehr eine außerordentliche Auffassungsgabe und begegnete dem Größenvorteil der Gäste mit unermüdlichem Einsatz in der Abwehr. Vor allem Nick Weiler-Babb und Corey Walden hetzten wie bissige Terrier zwischen den französischen Riesen hin und her und schnappten nach jedem Ball. Zudem erzielten beide jeweils neun Punkte. Vorne fand Lucic, der insgesamt 18 Punkte erzielte, zusehends seine Treffsicherheit. Es ist ja eine Stärke dieses Teams, dass sich immer ein Akteur findet, der die Kollegen mitreißt.

In der engen Schlussphase waren das Topscorer Augustine Rubit, der neben 19 Punkten zwölf Rebounds sammelte, und Deshaun Thomas (neun Punkte), die mit ihrer Athletik und Willenskraft die Akzente setzten. Trinchieri lobte die mentale Stärke seiner Mannschaft, die ihn mit ihrer Moral immer wieder überrasche: "Ich war mir nicht sicher, ob das ZSKA-Spiel, Hilliards Verletzung und die Covid-Probleme größer sein würden als unsere Motivation. Aber so war es eben nicht und deswegen sage ich: Das ist ein sehr großer Sieg." Es war der sechste im 13. Euroleague-Spiel, die Bayern liegen als Tabellenelfter damit auf Tuchfühlung zum achten und letzten Playoff-Platz, den Maccabi Tel Aviv vor dem punktgleichen Villeurbanne einnimmt. Wie wichtig dieser Erfolg gegen den französischen Meister war, verdeutlicht das enge Feld in der europäischen Königsklasse: Auf Rang drei fehlen den Münchnern derzeit nur zwei Siege, von Platz 14 trennen sie zwei Niederlagen. Kommenden Donnerstag gastiert der Titelverteidiger Efes Istanbul, der knapp vor den Bayern rangiert.

Zeit für Regeneration bleibt nicht, die Bayern müssen zwischenzeitlich in der Basketball-Bundesliga antreten, wo sie die Tabelle anführen: Am Samstag spielt der FCB beim Mitteldeutschen BC, am Montag bereits gastiert Aufsteiger Heidelberg im Audi Dome (19 Uhr). Dann allerdings vor leeren Rängen, wie die Bayerische Staatsregierung am Freitag mitgeteilt hat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5479624
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.