Süddeutsche Zeitung

Basketball:Stellenweise eingerostet

Der FC Bayern besiegt auch den FC Barcelona und verdirbt das Comeback von Altstar Pau Gasol. In den Euroleague-Playoffs treffen die Münchner nun auf Mailand.

Von Joachim Mölter

Spaniens Sportfreunde schauten am Freitagabend gespannt in den Palau Blaugrana von Barcelona, wo ein - nicht nur wegen seiner 2,13 Meter - großer Sohn des Landes seine Heimkehr feierte: Pau Gasol lief wieder im Trikot des FC Barcelona aufs Parkett, zwei Jahrzehnte nachdem er es zuletzt in einem Pflichtspiel getan hatte. Als spanischer Meister hatte sich der damals 20 Jahre alte Gasol im Juni 2001 verabschiedet, um sein Glück im gelobten Land des Basketballs zu suchen, in der amerikanischen Profiliga NBA. Nun ist er zurück, als bester und erfolgreichster Basketballer, den Spanien je hervorgebracht hat.

Der mittlerweile 40-Jährige hat so gut wie alles gewonnen, was man in seiner Sportart gewinnen kann: WM-, EM- und NBA-Titel, drei Olympia-Medaillen, zwei aus Silber, eine aus Bronze. Dass er sich vor einem Monat wieder seinem Heimatklub anschloss, um mit Barcelona nun auch in der Euroleague zu triumphieren, ist freilich nur die halbe Wahrheit: Pau Gasol hat vor allem die Olympischen Spiele in Tokio im Blick. Diese Goldmedaille fehlt ihm noch, und selbst wenn sie ihm entginge, würde eine weitere Olympia-Teilnahme, die dann fünfte, den Sockel seines Legendenstatus in Spanien noch ein wenig mehr in die Höhe heben.

Das Problem: Pau Gasol hatte seit zwei Jahren nicht mehr gespielt, in der NBA erhielt er nach einer Verletzung keinen Vertrag mehr. Der Center musste seinen Körper also erst mal wieder in Form bringen; keine einfache Sache in seinem Alter und nach so einer langen Pause. Das letzte Hauptrundenspiel in der Euroleague hielt Barcelonas Trainer Sarunas Jasikevicius für eine prima Gelegenheit, Gasol etwas Spielpraxis zu verschaffen; die Mannschaft war ja nicht mehr vom ersten Tabellenplatz zu verdrängen, insofern konnte nichts schiefgehen. "Ich denke, es ist Zeit, dass er das Spielfeld wieder spürt", sagte der Litauer vor der Partie ins Mikrofon von Euroelague.TV.

Im Viertelfinale treffen die Münchner nun auf Mailand - dort haben sie zuletzt hoch verloren

Nun war es aber so, dass der gastierende FC Bayern München nicht gewillt war, nur als Staffage für das Comeback des großen Sohnes Kataloniens zu dienen. Für die Münchner hatte die Partie durchaus eine Bedeutung, auch wenn sie bereits für die Playoffs qualifiziert sind: Bei einer Niederlage in Barcelona hätte unter Umständen der Rückfall auf Platz acht gedroht und damit ein Wiedersehen im Viertelfinale. Bei einem Sieg hingegen bestand sogar die Chance, auf Platz vier vorzurücken und somit einen Heimvorteil in der Best-of-five-Serie zu ergattern. Entsprechend engagiert ging das Team von Trainer Andrea Trinchieri ans Werk: Es führte von der ersten Minute an und gewann schließlich 82:72 (44:37).

Damit verdarb der FC Bayern zwar Gasols Comeback-Party, aber dies half ihm selbst nicht weiter. Weil zur gleichen Zeit auch Olimpia Mailand seine letzte Partie gewann, bleiben die Münchner auf Platz fünf und treffen nun vom 20. April an auf eben jenen italienischen Klub. Mailand waren sie in der Hauptrunde zweimal unterlegen, zu Hause 79:81 nach Verlängerung, auswärts 51:75 - es war die höchste Saisonniederlage der Münchner.

Dafür können sie sich rühmen, den FC Barcelona zweimal bezwungen zu haben; im Hinspiel hatte Trinchieris Team 90:77 gewonnen. "Barcelona zweimal in dieser Saison besiegt zu haben, ist eine große Sache für uns", sagte Vladimir Lucic, Bayerns Bester in diesem Jahr. Barcelonas Coach Jasikevicius hatte den sicheren ersten Tabellenplatz allerdings dazu genutzt, einige Stammspieler zu schonen, allen voran Nikola Mirotic, den erfolgreichsten Werfer und besten Rebounder des Teams, sowie den kaum schwächeren Cory Higgins.

Immer gewinnen, das geht eben nicht, das merkten die Münchner am Sonntagabend selbst: Da mussten sie sich in der Bundesliga knapp den Löwen aus Braunschweig geschlagen geben, 83:85.

"Es war sehr emotional für mich", gibt Gasol zu

Beim Auftritt in Barcelona war von Beginn an deutlich gewesen, dass bei den Gastgebern der prominente Rückkehrer integriert werden sollte: Gasol stand in der Startformation, hatte beim Tip-Off die erste Ballberührung, die ersten Angriffe liefen alle über ihn. "Es war sehr emotional für mich", teilte Gasol später auf seinem Instagram-Kanal mit: "Ich habe mich ganz gut gefühlt, war stellenweise noch etwas eingerostet, aber das war zu erwarten gewesen."

Das mit dem Rost war nicht zu übersehen, in einer Szene brachte der Routinier gleich zweimal nacheinander einen simplen Korbleger nicht unter, obwohl er unbedrängt war. Aber insgesamt dürften alle zufrieden gewesen sein, in 13 Minuten Einsatzzeit kam Gasol auf neun Punkte und vier Rebounds, leistete sich aber auch zwei Fouls und einen Ballverlust.

Seine Präsenz war offensichtlich auch ein Ansporn für seinen Münchner Gegenspieler Jalen Reynolds. Der hatte zuletzt einen kleinen Durchhänger, steigerte sich aber im Angesicht des großen Spaniers und war der beste Mann auf dem Parkett. Der Amerikaner erzielte 26 Punkte, fing fünf Rebounds und luchste den Gastgebern drei Mal den Ball ab. Danach war er bemüht, so bescheiden wie möglich zu bleiben. "Ich bin ein Teamspieler, ich gebe mein Bestes und versuche, die Mannschaft abzurunden", sagte er.

Trainer Trinchieri lobt die Mannschaftsleistung - und ganz besonders zwei Spieler

Das dürfte Trainer Trinchieri gefallen haben, der in seinem Resümee ebenfalls den Teamgedanken betonte. "Es war ein Mannschaftserfolg, und wir sollten ihn auch als Mannschaft genießen", sagte der Italiener. Er lobte zwar die geschlossene Leistung in der Abwehr, hob aber trotzdem zwei Akteure hervor: "Heute haben wir auch die großartige Vorstellung von Jalen Reynolds und Wade Baldwin im Angriff genutzt, um das Spiel zu gewinnen." Spielmacher Baldwin hatte 18 Punkte und sechs Vorlagen zum Erfolg beigesteuert, war aber in einer Auszeit von Trinchieri nachdrücklich daran erinnert worden, weniger eigensinnig zu agieren.

Basketball ist ja immer noch eine Teamangelegenheit. Auch wenn es am Freitagabend angesichts des Brimboriums um das Comeback von Pau Gasol den Anschein hatte, als sei es ein Individualsport.

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