Basketball:Schlaflos in Florida

2020 NBA Finals - Game Four

Erzielte im vierten Finalspiel 28 Punkte: LeBron James beim Korbleger.

(Foto: Kevin C. Cox/AFP)

Nur noch ein Sieg fehlt LeBron James zum Titelgewinn mit den Los Angeles Lakers. Es wäre das dritte Team, das er in der amerikanischen Profiliga NBA zur Meisterschaft führt.

Von Jürgen Schmieder, Orlando/Los Angeles

Am Montagmorgen um 6.25 Uhr nahm LeBron James sein Telefon in die Hand. Er tippte eine Nachricht an seine Fans (liest man die Kommentare darunter: auch an all jene, die ihn nicht mögen), dass er nach der Niederlage gegen Miami Heat im dritten Spiel der Finalserie der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA nicht schlafen könne. "Mein Gehirn befindet sich noch immer im Sprint-Modus", schrieb der Dirigent der Los Angeles Lakers: "Ich liebe das! Ich würde es nicht anders haben wollen."

Wer will ihm die Schlaflosigkeit verdenken? Seit drei Monaten steckt er in der Basketball-Blase in Orlando/Florida. Wer sich mit Spielern unterhält, die dort waren, weiß, dass es sich um eine Extremsituation handelt, weil es wegen der strengen Regeln kaum Zerstreuung gibt und die Zeit nur langsam vergeht. Es geht auch nicht nur um Sport, angesichts der Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA stand die NBA-Saison vor dem Abbruch, und es ist bekannt, dass James zu denen gehörte, die am liebsten nach Hause gefahren wären.

Womöglich brachte ihn nun der folgende Gedanke um den Schlaf: Was, wenn wir das noch verzocken und nach all dem mit leeren Händen dastehen?

Wer James dann am Dienstagabend auf dem Parkett sah, entdeckte nach dem erfolgreichen Drei-Punkte-Wurf des Kollegen Anthony Davis im Schlussviertel einen Menschen, der erleichtert wie erfreut wirkte. Nein, es würde nun nicht 2:2 stehen in dieser Finalserie gegen die wilden, nie aufgebenden Heat-Profis; auch die bösen Gedanken sind verflogen. Denn nach einem 102:96 führt Los Angeles 3:1, ein Sieg fehlt, dann hat James mit dem dritten Klub nach Cleveland und Miami den Titel gewonnen.

"Ich habe den Druck gespürt, das war eines der größten Spiele seiner Karriere", sagte James. Und es ist wichtig, dass er dies sagte, obwohl er selbst nicht geglänzt hatte. Okay, er schaffte natürlich noch immer 28 Punkte, zwölf Rebounds und acht Assists, er brachte die Lakers im dritten Viertel mit einem Drei-Punkte-Wurf in Führung. Die finalen Aktionen jedoch gelangen Davis mit diesem Drei-Punkte-Wurf sowie Rajon Rondo und Kentavious Caldwell-Pope mit mutigen Einzelaktionen. Die Aussage von James war also nicht das Gegockel eines stolzen Egomanen, sondern die eines Anführers einer Mannschaft, die weniger Show zeigt, als vielmehr die Show des Gegners verhindert.

Es ist schwer, gegen diese Lakers zu guten Chancen zu kommen

Er war keine spektakuläre, aber eine intensive Partie. Genau das hatten Kritiker den Lakers nach Spiel drei vorgeworfen. Miamis Bester, Jimmy Butler, hatte eine heroische Leistung gezeigt (40 Punkte, elf Rebounds, 13 Vorlagen), allerdings hatten die Lakers lustlos verteidigt - vor allem aber hatten sie: aufgegeben! Nur noch zehn Sekunden waren zu spielen, doch James und zwei Kollegen verließen das Parkett - nur zwei Lakers-Akteure blieben.

James erklärte, er habe beim Abzug bereits über sich und seine Kollegen gemotzt, frustriert von Einstellung und Defensivarbeit. Er hatte Ähnliches schon mal erlebt, 2011 als Spieler von Miami Heat, als sein Team im Schlussviertel der zweiten Partie einen 15-Punkte-Vorsprung gegen die Dallas Mavericks von Dirk Nowitzki herschenkte. Und James sich über Nowitzkis Erkältung lustig machte - und die Serie verlor. "Wir müssen uns gegenseitig antreiben", sagte er jetzt nach der Niederlage im dritten Spiel: "Die sind offensiv sehr, sehr gut - ich übernehme die Verantwortung dafür, dass wir schlecht verteidigt haben."

Spiel vier war kein Offensiv-Spektakel der Lakers. Vielmehr eine Demonstration dessen, wozu das Team fähig ist, wenn es konzentriert agiert und so verteidigt, wie es das in dieser Saison normalerweise getan hatte. James und Davis wechselten sich bei der Bewachung von Butler ab und gestatteten ihm nur 22 Punkte. Es half, dass Heat-Regisseur Goran Dragic (Fuß) erneut fehlte und Center Bam Adebayo (Schulter) noch nicht fit war - es war aber auch zu sehen, wie schwer es ist, gegen diese Lakers zu guten Chancen zu kommen. Fast jeder Versuch der Scharfschützen Tyler Herro und Duncan Robinson wurde behindert, fast jeder Angriff auf den Korb erschwert.

Nun gibt es zwei Tage Pause, Spiel fünf findet am Freitagabend statt. "Wir dürfen nicht nachlassen. Wir dürfen unseren Körper erholen, müssen aber rund um die Uhr arbeiten", sagte James: "Ich werde weiterhin nicht schlafen, bis das erledigt ist." Seine Fans (und alle, die ihn nicht so mögen) dürfen also weiterhin auf Botschaften aus der Nacht hoffen.

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