Basketball-Pokalsieger Weißenfels:Ein Titel für Romantiker

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Happy End in heimischer Halle: Die Basketballer aus Weißenfels, der Syntainics MBC, feiern den Gewinn des deutschen Pokals. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Die Basketballer aus Weißenfels düpieren die Großklubs mit ihrem Sieg beim Pokal-Turnier.  Der Erfolg zeigt auch, dass Standorte mit unterschiedlichen Größen bisweilen sehr unterschiedliche Interessen haben.

Von Christoph Leischwitz, Weißenfels

Ein Mal lag Martin Geissler am Sonntag dann doch falsch: Das Hallendach flog nach dem Pokalsieg nicht weg, obwohl der Geschäftsführer des heimischen Basketballteams es angekündigt hatte. Bei all dem Lärm beschlich einige Zuschauer in Weißenfels sogar das Gefühl, dass das Hallendach am Tag zuvor sogar etwas mehr gefährdet war: Denn da hatte der Klub Syntainics MBC die große Überraschung geschafft und seinen Heimvorteil dazu genutzt, den hohen Favoriten, den Meister und Pokalverteidiger FC Bayern München, mit dem Halbfinalsieg nach Hause zu schicken. Es ist nicht leicht, emotional einen draufzusetzen, wenn man sich erst die Kirsche schnappt – und dann erst die Sahnetorte.

Die Basketballer aus Weißenfels hatten sich an diesem Wochenende selbst übertroffen und bisweilen in einen Rausch gespielt: 95 Punkte gegen die Bayern, 97 Punkte gegen Bamberg. Im Finale bekamen gleich mehrere Schlüsselspieler im Schlussviertel Probleme wegen Fouls; trotzdem schaffte es der Außenseiter, der Zehnte der Bundesliga, die Führung gegen Bamberg zu verteidigen. In der Nacht feierten die Spieler, angetrieben von ihrem impulsiven Trainer Janis Gailitis, den größten Vereinserfolg seit mehr als zwei Jahrzehnten 50 Kilometer entfernt, in Halle, am Montag dann im heimischen Rathaus Weißenfels. Und vielleicht steckte in all der Leidenschaft auch ein wenig Trotz. Darüber, dass sich andere Vereine vorher so pikiert gezeigt hatten, das Finalturnier des deutschen Pokalwettbewerbs an einem Ort auszutragen, den viele auf der Landkarte angeblich erst suchen mussten.

Bayern-Basketballer beim Final Four
:Eine Niederlage mit enormer Fallhöhe

Der erste Titel unter Gordon Herbert war fest anvisiert. Doch die 93:95-Niederlage im Pokal gegen den Außenseiter MBC Weißenfels legt erneut die Schwächen der Basketballer des FC Bayern offen. Geschäftsführer Marko Pesic spricht von einem Fingerzeig.

Von Christoph Leischwitz

Dass sie in Weißenfels mit einer Hallenkapazität von 3000 Zuschauern der kleinste Standort sind, das haben sie selbst gewusst. Solch ein Austragungsort führt bisweilen auch zu kuriosen Begebenheiten. Weltmeistercoach Gordon Herbert, der bekanntermaßen mittlerweile Bayern-Trainer ist, musste etwa nach der Pause im Halbfinale die Trainerkabine räumen, weil sie von den Bamberger Coaches für das zweite Halbfinale schon belegt wurde. Oder: Die Zuschauer in den unteren Rängen mussten sich auf dem Weg zur Toilette irgendwie durch die Cheerleader-Gruppe schlängeln. All das in Zeiten, in denen Deutschland als Weltmeister firmiert und die Euroleague mit dem nächsten Final Four nach Abu Dhabi expandiert.

„Ich glaube, dass dem Basketball ein bisschen Romantik guttut“, entgegnet Martin Geissler – in seiner Rolle als Geschäftsführer des neuen Pokalsiegers aus einer Barockstadt. Gleichzeitig ist er einer der Vizepräsidenten der ausrichtenden Basketball Bundesliga (BBL) – und als solcher habe er durchaus einen anderen Blick. Auch bei der BBL-GmbH in Köln haben sie prinzipiell verstanden, dass die 40 000-Einwohner-Stadt in Sachsen-Anhalt keine bundesweite Sogwirkung erzeugt. Geissler findet aber: „Jeder Standort hatte die Gelegenheit, sich vor der Saison eine Halle zu sichern“; das Datum sei bekannt gewesen. Die Bayern wollten nicht, zumindest nicht in der Kürze der Zeit, die von der Anfrage im Dezember blieb. Bei den weiteren Teilnehmern Bamberg und Frankfurt standen die Hallen auch schon nicht mehr zur Verfügung.

So brachen aufgrund des Austragungsortes lang gepflegte Animositäten wieder auf, der BBL wurde vorgeworfen, sie müsse als Ausrichter viel früher Signale setzen, wo das Turnier stattfinden soll. Weißenfels war letztlich der, nun ja, kleinstmögliche Kompromiss, was dann auch entsprechend kritisiert wurde. Dabei ist das Hickhack letztlich nur ein Indiz dafür, dass die BBL-Standorte mit unterschiedlichen Größen auch unterschiedliche Interessen haben, dass also in Wahrheit alle gar nicht an einem Strang ziehen, um Basketball hierzulande populärer zu machen.

Lob gab es auch von den Münchnern, die die Energie der Halle wohl unterschätzten

Für Weißenfels jedenfalls war das Turnier in jeder Beziehung ein Erfolg. „Wir haben bewiesen, einen würdigen Rahmen bieten zu können“, findet nicht nur Geissler. Der FC Bayern gab sich als fairer Verlierer: „Meinen Glückwunsch. Mit den logistischen Möglichkeiten, die so eine Halle bietet, kann man nicht mehr machen“, erklärt der Münchner Geschäftsführer Marko Pesic. Die Bayern-Basketballer hatten wohl die Energie, die in dieser kleinen Halle steckt, ein wenig unterschätzt, sie wollten den Außenseiter mit Tempospiel in die Knie zwingen, das ging gründlich daneben.

Verhilft der unverhoffte Pokalerfolg also zumindest auf sportlichem Weg dazu, das Niveau der Bundesliga insgesamt weiter zu verbessern?

Insgeheim würde sich Geissler ja freuen, würde das Hallendach tatsächlich wegfliegen, denn das könnte in einem Neubau münden. Die BBL fordert von 2032 an, dass die Standorte Hallenkapazitäten von mindestens 4500 Zuschauern vorweisen, sowie von der kommenden Saison an ein Budget von mindestens vier Millionen Euro. Der Finaleinzug und Finalsieg bringen jeweils eine Prämie von 100 000 Euro ein, das ist ein Anfang, sagt Geissler. Denn ein Neubau sei schlicht „notwendig, wenn der Standort weiter Bundesliga spielen will“. Andererseits herrscht im Verein die Befürchtung, dass nach dem erstaunlichen Pokaltriumph die Erwartungen an die Mannschaft schneller steigen könnten als die Fähigkeit, die Mannschaft zusammenzuhalten.

Denn 2004, nach dem Sieg im europäischen Fiba-Cup, war prompt nach einer Insolvenz der nationale Lizenzentzug gefolgt. Deswegen sei diese Begeisterung beim Turnier jetzt so wichtig gewesen, sagt Geissler, der zwar erst 41 Jahre alt, aber schon seit 23 Jahren im Verein tätig ist, nach dem Absturz hatte er übernommen. Die stete Erfüllung der Lizenzauflagen sei nicht einfach, und dies als selbstverständlich zu betrachten, sei nicht hilfreich: „Und wenn sich die Verantwortlichen in der Stadt daran gewöhnen, stockt irgendwann die Entwicklung“, glaubt er. Das Top-Four-Turnier habe den Effekt eines Weckrufs gehabt, der dringend nötig sei, um den Standort zu halten.

Noch einmal wird die BBL einen Ausrichter suchen müssen. 2027 soll Düsseldorf als Großstadt ohne Bundesligageschichte Dauergastgeber werden. BBL-Präsident Stefan Holz erklärt auf Nachfrage, dass man bewusst einen neutralen Ort gewählt habe, um neue Zielgruppen anzusprechen und die Basketball-Community auf diesem Weg zu vergrößern. Bayerns Marko Pesic sagt dazu: „Das ist eine neue Idee, in den Markt zu gehen, wo Basketball nicht so populär ist. Ich gehe davon aus, dass die Liga dort angemessen Analysen gemacht hat. Ich hoffe, es ist ein guter Schritt.“ Die Bayern hatten übrigens ein Konzept angeboten, das Finalturnier drei Jahre in Serie auszutragen.

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