Süddeutsche Zeitung

Start der Basketball-Endrunde:Angemessen verbissen

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Bevor die Basketball-Playoffs beginnen, tut Meister Alba Berlin beim Gastspiel in München noch etwas fürs Selbstvertrauen. Als verbindliches Vorzeichen für die Finalrunde kann das tabellarisch bedeutungslose Spiel jedoch nicht dienen.

Von Ralf Tögel, München

Den wichtigsten Satz aus Sicht des FC Bayern sprach Slaven Rimac, als alles vorbei war: "Wir werden in der Verfassung sein, in der wir gegen Barcelona waren." In der Euroleague hatten die Münchner mit begeisternden Leistungen Aufsehen erregt, fast hätten sie sogar den Titelfavoriten Barcelona aus dem höchsten europäischen Wettbewerb gekegelt. Nun aber hatte das Team sein letztes Hauptrundenspiel in der Basketball-Bundesliga gegen Alba Berlin mit 78:83 verloren, das nationale Prestigeduell der vergangenen vier Spielzeiten.

Dreimal standen sich die beiden Protagonisten in den vergangenen vier Finalserien gegenüber, 2018 und 2019 triumphierten die Münchner, danach Berlin. 2020 hieß der Alba-Gegner allerdings Ludwigsburg, der beim Corona-bedingt abgeschotteten Turnier ausgerechnet in München die Gastgeber im Viertelfinale ausschaltete. Derlei soll in dieser Saison vermieden werden, das Kräftemessen mit dem vermeintlich härtesten Konkurrenten war eine letzte Standortbestimmung.

Es wurde ein mäßiges Spiel, fehlerhaft auf beiden Seiten, aber angemessen verbissen geführt, denn einen Makel der Niederlage wollte keiner der Kontrahenten mit in die am kommenden Freitag beginnenden Playoffs um die deutsche Meisterschaft nehmen. München startete schwach, lag 0:10 hinten, zur Halbzeit 34:41. Dann steigerte sich der Gastgeber vor immerhin 3516 Zuschauern, verkürzte vor dem letzten Viertel auf 56:58, aber der Meister kämpfte sich mit knappem Vorsprung ins Ziel. Bei allen Nachlässigkeiten gab es auch Sehenswertes auf beiden Seiten, krachende Dunks von Leon Radosevic (Bayern, 14 Punkte) und Yovel Zoosmann (Berlin, 17), oder ein Dreier-Duell der beiden Nationalspieler Andreas Obst (Bayern, 15) und Maodo Lo (Berlin, 12).

Dass die Einschätzung zur bevorstehenden Finalserie der Bayern vom Co-Trainer kam, war eine weitere Pointe einer bislang seltsamen Saison, die durch die Pandemie gehörig aus dem geplanten Rhythmus geraten ist. 24 Partien mussten verschoben werden, was durch zusätzliche internationale Wettbewerbe eine erhebliche Belastung der Spieler und damit auch Verletzungen und ungewöhnliche Ergebnisse zur Folge hatte. Das Spiel zwischen Berlin und Braunschweig vom vergangenen Wochenende wurde gar storniert, die Niedersachsen haben wegen erneuter Infektionen nicht genug gesunde Spieler. Weil Braunschweig den Klassenerhalt geschafft, die Playoffs aber verpasst hat, fällt das Spiel aus, die Abschlusstabelle wurde nach der Quotienten-Regelung (Siege geteilt durch Spiele) erstellt.

Favorit auf das Finale sind Meister Berlin und der FC Bayern, das Überraschungsteam ist Bonn

Auch das jüngste Kräftemessen der Münchner mit Alba hätte längst stattfinden sollen, doch Mitte März rollte die zweite Corona-Welle über den Münchner Kader. Nun traf es den Trainer, Andrea Trinchieri musste unverrichteter Dinge den Dienst am Dienstagabend abbrechen, er habe sich unwohl gefühlt und sei nach Hause gefahren, teilte der Klub mit. Ursache sei wohl eine Magenverstimmung. Zur Teambesprechung war der Trainer noch in der Halle und hinterließ beim Sender Magentasport vor der überstürzten Heimfahrt noch, was er von der Nachholpartie hielt: "Dieses Spiel gibt uns nichts, außer, dass wir spielen müssen." Es war die dritte Partie innerhalb von fünf Tagen, nur so konnten die Münchner die Hauptrunde rechtzeitig zu Ende bringen.

Berlin stand als Vorrunden-Primus fest, die Bayern als Dritter, es ging also um nichts mehr - außer ums Renommee. Alba-Geschäftsführer Marco Baldi beschrieb es so: "Man hat gerade am Schluss gesehen, wie beide Klubs ums Verrecken gewinnen wollten." Den Sieg wollte er aber nicht überbewerten, das gute Gefühl für den Playoff-Start nimmt der Titelverteidiger gerne mit ins Viertelfinale.

Es war das vierte Aufeinandertreffen der beiden derzeit wohl besten deutschen Teams in dieser Saison - und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Allein der bisherige Saisonverlauf deutet darauf hin, dass es erneut zu einer Finalserie der beiden deutschen Euroleague-Teilnehmer kommt, die sich in dieser Saison bereits je zweimal international und in der Bundesliga gegenüberstanden. Dreimal hieß der Sieger Bayern München, der sich trotz der jüngsten Niederlage gut für das Playoff-Viertelfinale aufgestellt sieht.

Dort wartet vermutlich Chemnitz, erst ein letztes Nachholspiel bringt Gewissheit. Berlin gilt gegen den ehemaligen Serienmeister Bamberg, der zwischen 2010 und 2017 sieben Titel gewann, als klarer Favorit, denn Brose ist seither ins Mittelmaß abgerutscht und hat als Achter gerade noch die Playoffs erreicht. Der Zweite Bonn ist das Überraschungsteam der Saison und trifft auf den Siebten Hamburg, Ulm geht ersatzgeschwächt in die Endrunde und trifft wohl auf Ludwigsburg.

Es gibt bei allen offenen Fragen und Unwägbarkeiten eine positive Konstante: Im Gegensatz zu den Meisterschafts-Playoffs der vergangenen beiden Spielzeiten werden die Hallen wieder voll sein, daran kann auch die Pandemie nichts mehr ändern.

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