Süddeutsche Zeitung

Basketball:Pesic tritt doch zurück

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Der Trainer des FC Bayern München will sich um seine Gesundheit kümmern - als sein Nachfolger wird der serbische Nationalcoach Djordjevic gehandelt.

Von Matthias Schmid, München

Aus seinem Zimmer in der Rehaklinik bietet sich Svetislav Pesic ein herrlicher Blick auf den glitzernden Tegernsee und den Wallberg dahinter. Im Oberland, weit weg von der Hektik der Großstadt, beschäftigt sich der 66-Jährige das erste Mal seit Längerem mit seinen Bedürfnissen. Mit seiner Gesundheit. Mit sich. Er hat sich nach seiner schweren Operation eingestehen müssen, bei der ihm vor einer Woche ein künstliches Kniegelenk eingesetzt worden war, dass Basketball nicht alles im Leben ist. Der Sport hatte seit Jahrzehnten seinen Tagesablauf bestimmt, jetzt will Pesic, einer der erfolgreichsten Trainer Europas, selbst bestimmen, was er den Tag über macht. Er möchte vor allem gesund werden, wieder normal gehen können. Ohne Schmerzen, ohne Humpeln.

"Für mich ist nun das Wichtigste, dass ich schnell wieder auf die Beine komme", betont Pesic im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, "im Moment helfen mir nur Tabletten, um meine große Schmerzen einigermaßen zu lindern." Er hat sich deshalb zu einer folgenreichen Entscheidung durchgerungen, auch auf Anraten seiner behandelnden Ärzte, die ihn betreuen und ihm die Schwere seines Eingriffes am rechten Knie noch einmal eindringlich verdeutlicht haben. Pesic wird als Cheftrainer beim FC Bayern München aufhören. Aus freien Stücken, wie er bekennt. "Ich hatte sehr viele Gedanken in meinem Kopf, aber jetzt war noch der letztmögliche Zeitpunkt, um auch Verantwortung für den Klub und für meine Gesundheit zu übernehmen, weil ich einige Monate brauchen werde, bis ich wieder voll belastbar bin", sagt Pesic am Sonntag und fügt hinzu: "Ich habe schon viel zu lange die Operation vor mir hergeschoben."

Dass die zweite Knie-OP (zunächst wurde sein Meniskus repariert) binnen weniger Wochen nun zu seinem Abschied als Münchner Cheftrainer nach dreieinhalb Jahren geführt hat, trifft den Verein ziemlich überraschend und unvermittelt. Das behauptet zumindest sein Sohn und Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic. "Das war so nicht geplant", teilt der 39-Jährige auf der klubeigenen Internetseite mit.

Das dürfte aber nur die halbe Wahrheit sein. Näher erläutern möchte Pesic junior die ganze Angelegenheit allerdings nicht. Doch die jüngsten Vertragsverlängerungen mit Führungsspielern wie Nihad Djedovic und Anton Gavel deuteten jedenfalls daraufhin, dass die Bayern offenbar bereits über einen neuen Coach nachgedacht haben. Denn nach der abgelaufenen Spielzeit, in der alle hehren Ziele mit Pokal und Meisterschaft verfehlt worden waren, drängten erste Anzeichen an die Öffentlichkeit, dass es zwischen Teilen der Mannschaft und Svetislav Pesic zu Zerwürfnissen gekommen sein musste. So begründete Dusko Savanovic beispielsweise seinen abrupten Weggang zum italienischen Klub Dinamo Sassari in einem Basketball-Magazin damit, dass er nicht mehr mit seinem Landsmann trainieren wolle. Kopfschütteln löste zudem im Präsidium Pesics plötzlicher Sinneswandel nach der Halbfinalniederlage gegen Meister Bamberg aus, als er erklärte, seinen noch bis Sommer 2017 gültigen Vertrag nun doch erfüllen zu wollen. Wenige Wochen vorher hatte er noch gänzlich überraschend seinen Rücktritt angekündigt, "zu 99 Prozent", wie er sagte, weil er sich von der Basketball-Bundesliga und den Schiedsrichtern nicht genug geachtet und respektiert fühlte.

Marko Pesic hatte sich zu den Gerüchten um eine bevorstehende Ablösung nie geäußert. Dass sein Vater mit dem krankheitsbedingten Rückzug einer Entlassung zuvorgekommen ist, scheint nicht unmöglich zu sein. In der Branche hieß es schon vor seinem am Sonntag verkündeten Rücktritt, dass die Bayern sich mit einen Nachfolger geeinigt hätten. Es soll sich dabei um Aleksandar Djordjevic, 48, handeln. Der Serbe wird die Auswahl seines Landes bei den Olympischen Sommerspielen in Rio betreuen, nach seinem Engagement bei Panathinaikos Athen sucht Djordjevic derzeit noch eine neue Klubmannschaft.

Svetislav Pesic jedenfalls soll bei der Nachfolgeregelung eingebunden werden, heißt es. Sie wollen beim FC Bayern nicht auf seine große Erfahrung und sein enormes Basketball-Wissen verzichten, das München vor zwei Jahren zur ersten Meisterschaft nach 59 Jahren verholfen hat. "Er hat seine Ecken und Kanten, das kann ich selbst ganz gut beurteilen", sagt Marko Pesic, "aber ohne seine fordernde Persönlichkeit würde unser Projekt ohne Zweifel nicht seine jetzige Kontur und Strahlkraft besitzen."

Sein Vater will sich jetzt in aller Ruhe auskurieren. "Und dann komme ich zum Basketball zurück", sagt Pesic. Er sei noch nicht fertig.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2016
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