Süddeutsche Zeitung

Basketball:Noch immer wütend

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Trainer Raoul Korner fliegt ausgerechnet im 1000. Bundesligaspiel von Bayreuths Basketballern beim 93:99 gegen Ulm vom Feld. Trotz verpassten Playoffs lief die Saison zufriedenstellend - die Zukunft von Korner ist jedoch ungewiss.

Von Mathias von Lieben

Nein, diesmal hat er keine Wasserflasche in Richtung Publikum geschossen. Und er hat auch sein Taktik-Board nicht auf den Boden geschmettert. Aber als Schiedsrichter Stefan Fingerling am Dienstagabend 77 Sekunden vor der Halbzeit ein Offensiv-Foul gegen Bayreuths Derek Pardon pfiff, da ließ Raoul Korner seiner angestauten Wut mal wieder freien Lauf. Mit weit aufgerissenen Augen marschierte der Trainer von Medi Bayreuth auf den Schiedsrichter zu, winkte aus einem halben Meter Entfernung ab - und sprach Flüche aus, die Lippenleser Freude bereitet hätten. Die Konsequenz: Korner bekam gleich zwei technische Fouls und musste den Rest der Partie aus einer verglasten VIP-Loge verfolgen.

Überraschend kam sein Ausraster nicht: Korner hatte ja vor der Partie bereits angedeutet, dass er noch immer wütend war auf die Schiedsrichter-Leistung bei der Derby-Niederlage am Samstag gegen Bamberg. Er hätte dort "schon gerne 15 technische Fouls bekommen". Aus seiner Sicht war es also nur folgerichtig, die erste Gelegenheit im Spiel gegen Ulm zu nutzen, um diesen Frust final zu verarbeiten. "Wir versuchen alle, bittere Niederlagen sofort abzuhaken", sagt ein verständnisvoller Bayreuther Geschäftsführer Johannes Feuerpfeil am Mittwoch am Telefon: "Und da ist es nur menschlich, wenn man das nicht zu hundert Prozent kann."

Und genau das wurde in der Szene ja deutlich: Korner hatte die aus seiner Sicht "schmerzhafte" Niederlage gegen Bamberg und die damit letzte realistische Chance auf Playoff-Platz acht eben noch nicht zu 100 Prozent verarbeitet. Sein Ärger zeigte zugleich, dass er sich von dieser Saison insgeheim etwas mehr erhofft hatte.

Wie gegen Bamberg kippt die Partie gegen Ulm in der zweiten Hälfte

Gegen Ulm, im 1000. Bundesliga-Spiel der Bayreuther Basketball-Vereinsgeschichte, war auch zu sehen, wozu die Mannschaft imstande sein könnte. Wie schon am Samstag gegen Bamberg trieb Medi-Kapitän Bastian Doreth sein spielfreudiges Team an und bescherte seinem Trainer in Kombination mit dem gut aufgelegten Shooting-Guard Frank Bartley (mit 25 Punkten Topscorer des Spiels) eine 56:52-Halbzeitführung. Wie gegen Bamberg kippte die Partie jedoch in Halbzeit zwei, als Korner schon nicht mehr am Spielfeldrand stand: Ulm war nun das deutlich aggressivere Team, Bayreuth wurde immer nachlässiger. Entscheidend für die Niederlage dürfte aber der völlig verschlafene Beginn ins letzte Viertel gewesen sein, als Ulm mit einer Elf-Punkte-Serie innerhalb von 90 Sekunden nicht nur den Grundstein für den 99:93-Sieg, sondern auch die durch den Sieg gemeisterte Playoff-Qualifikation legte.

"Wir können mit dem Saisonverlauf trotzdem zufrieden sein", sagt Feuerpfeil. "Das oberste Ziel war, dass wir uns wirtschaftlich und sportlich solide aufstellen. Beides haben wir geschafft." Und tatsächlich: Mit dem vor der Saison Corona-bedingt geschrumpften Etat ging es für Bayreuth immer nur um den Klassenverbleib. Mit dem aktuellen Platz elf ist dieses Ziel erreicht. Zwischenzeitlich drohte Medi ja sogar noch mal in den Abstiegskampf zu rutschen. Doch mit zuletzt fünf Siegen aus neun Spielen stabilisierte sich die Mannschaft wieder und vergab erst gegen Bamberg den möglichen Playoff-Einzug. Allerdings: Die Liga ist im unteren Tabellendrittel so knapp, dass die Oberfranken bis zum Saisonende auch noch auf Platz 14 abrutschen könnten.

Die Mannschaft wird zur kommenden Saison wieder mal ein neues Gesicht bekommen

Wirtschaftlich hingegen ist die Situation stabiler - zumindest verglichen mit der zum Vorjahr. Damals, kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, hatten die Bayreuther ihre Saison kurzerhand für beendet erklärt und nicht am Finalturnier in München teilgenommen, um einen finanziellen Kollaps zu vermeiden. Trotz fehlender Ticketing-Einnahmen durch die Geisterspiele ist Feuerpfeil diesmal optimistischer: "Ich denke, dass wir am Ende schwarze Zahlen schreiben können." Der Grund dafür: Die Treue der Sponsoren, finanzielle Mittel aus dem Bundesprogramm Coronahilfen Profisport - und solidarische Dauerkarten-Aktionen der Fans: "Wir haben in jedem Fall Planungssicherheit für die nächste Bundesliga-Saison."

Ob es in der kommenden Spielzeit mit Trainer Raoul Korner weitergeht, der parallel zu seinem Bayreuther Engagement auch noch die österreichische Nationalmannschaft trainiert? Dazu kann Feuerpfeil noch nichts sagen, man befinde sich in Gesprächen. Sicher ist nur, dass die Mannschaft zur kommenden Saison wieder mal ein neues Gesicht bekommen wird - auch wenn mit Andreas Seiferth, Kapitän Bastian Doreth, Kay Bruhnke und Philip Jalalpoor ein gewisses "deutsches Gerüst" bestehen bleibt. Die Erwartungen für die kommende Saison will Feuerpfeil bewusst klein halten. "Auch wenn wir eine Chance auf den Playoff-Einzug haben", sagt er, "es wäre nicht angemessen, das als Ziel auszugeben." Trainer Raoul Korner dürfte sich etwas mehr erhofft haben.

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