Playoffs in der NBA:Schockstarre nach dem Wahnsinnswurf

NBA - Kawhi Leonard von den Toronto Raptors im Playoff-Spiel gegen die Philadelphia 76ers

Der große Moment zum Schluss: Kawhi Leonard (Mitte) trifft für Toronto zum Sieg.

(Foto: USA TODAY Sports)
  • In den NBA-Playoffs kommt es bei der Partie Toronto gegen Philadelphia zu einem spektakulären Ende.
  • Torontos Kawhi Leonard, einer der besten Profis der NBA, trifft in Spiel sieben der Playoffserie mit dem letzten Wurf in den letzten Zehntelsekunden zum Sieg.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Kläng. Bäng. Bonk. Bong. Das waren Geräusche des Basketballs, der vier Mal gegen den Ring prallte. Die Spieluhr zeigte schon lange "0,0", die Glaswand hinter dem Korb leuchtete in Neonrot als unmissverständlicher Hinweis, dass diese entscheidende siebte Partie zwischen den Toronto Raptors und den Philadelphia 76ers nun vorbei war, auf der Anzeigetafel war der Spielstand vermerkt: 90:90. Torontos Flügelspieler Kawhi Leonard hatte verzweifelt aus der Ecke geworfen, der Ball tanzte in nur für Physikprofessoren verständlichen Richtungen über dem Korb. Kläng. Bäng. Bonk. Bong. Und dann machte es: Puff. Der Ball schlüpfte durch den Ring ins Netz. Puff.

Die Toronto Raptors gewannen also dieses Spiel mit 92:90 und damit die Viertelfinalserie, sie werden von Mittwoch an gegen die Milwauckee Bucks um den Einzug in die Finalserie der nordamerikanischen Basketballliga NBA spielen. Die Saison der 76ers dagegen ist vorbei, und um zu verstehen, wie sich das anfühlt, musste man nach dem Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Puff nur das Gesicht von Philadelphias Center Joel Embiid betrachten.

Er hatte den Wurf nahezu perfekt verteidigt, die Flugbahn des Balles verfolgte er in Schockstarre neben Leonard, dann taumelte er über das Spielfeld und musste von Gegenspieler Marc Gasol gestützt und getröstet werden. Noch nie zuvor wurde in der NBA eine Playoffserie im Best-of-Seven-Modus im allerletzten Spiel mit dem allerletzten Wurf entschieden.

Es ist natürlich wahnwitzig, dass eine derart intensive Serie mit so einem Treffer endet, weil dadurch sämtliche amerikanischen Sportfilme, in denen der Ball am Schluss auch immer Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Puff macht, völlig zu Unrecht ein bisschen Glaubwürdigkeit erhalten. Andererseits muss so eine Serie genau so entschieden werden, weil die einzige vernünftige Begründung für den Sieger in diesem Sieben-Spiele-Duell auf Augenhöhe lauten muss: weil es am Ende "Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Puff" gemacht hat und nicht "Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Plöpp".

Es sind gerade Playoffs in der NBA, und das ist wie immer die große Zeit der Danach-Deuter, die in Kenntnis der Ergebnisse nicht nur das Zustandekommen dieser Resultate erklären, sondern die komplette Saison gleich mit. Danach folgt eine Analyse, was der unterlegene Verein in der mit der Schlusssirene beginnenden Sommerpause ganz dringend tun müsse.

Im Westen trifft Golden State auf Portland

Bei den 76ers zum Beispiel hieß es bereits 0,2 Sekunden nach dem "Puff", dass die Tage von Trainer Brett Brown aufgrund der Niederlage gezählt sein könnten - obwohl doch genau dieser Brown seit 2013 die sogenannte "Trust the Process"-Philosophie (jahrelanges Akzeptieren von Niederlagen zum Umbau des Kaders) seit 2013 mitgetragen und nun die Früchte dessen ernten will, die er gemeinsam mit Manager Sam Hinkie gesät hat. Ein paar Minuten nach dem Spiel saß Brown in den Katakomben der Arena in Toronto, er sagten: "Ich hoffe, dass wir aus dieser Erfahrung lernen können." Es wäre grotesk, würden die 76ers ihren Trainer nach dieser Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Puff-Entscheidung entlassen.

Natürlich sind Ex-Post-Analysen bisweilen dringend notwendig. Die Houston Rockets zum Beispiel haben ihre Viertelfinalserie gegen geschwächte Golden State Warriors (DeMarcus Cousins fehlte komplett, Kevin Durant von Mitte der fünften Partie an; Steph Curry spielte mit ausgekugeltem Finger) mit 2:4 verloren und müssen endlich einsehen, dass ihre komplett auf Allesverwerter James Harden zugeschnittene Spielweise zwar zu individuellen Auszeichnungen für Harden führen kann, aber kaum zur NBA-Meisterschaft. Die Warriors spielen nun von Dienstag an gegen die Portland Trail Blazers, die am Sonntag die entscheidende Partie bei den Denvers Nuggets (94:90) gewonnen haben.

Bei den Milwaukee Bucks hat Giannis Antetokounmpo gegen die Boston Celtics (4:1) gezeigt, dass er der zweifelsfrei wertvollste Spieler der Liga ist - und die Verantwortlichen dürfen sich für das Tauschgeschäft, bei dem sie Flügelspieler Nikola Mirotic bekommen haben, zu Recht feiern lassen. Die Bucks dürften in den kommenden Spielzeiten regelmäßig um den Titel spielen - womöglich schon in diesem Jahr, sollten sie das Halbfinale gegen Toronto gewinnen.

Wer sich deshalb wirklich Gedanken machen muss über die kommende Sommerpause: die Toronto Raptors. Leonard schaffte am Sonntag 41 Punkte und diesen Wurf am Ende. Er darf am Ende der Saison wechseln, wohin immer er möchte, und es heißt, dass die Chancen auf einen Verbleib in Toronto mit jedem Sieg, mit jeder erfolgreichen Serie steigen. Nicht nur wegen der Gegenwart, sondern auch wegen der Zukunft hoffen sie deshalb bei den Raptors, dass es in den kommenden Wochen noch ein paar Mal "Kläng-Bäng-Bonk-Bong-Puff" machen wird.

Zur SZ-Startseite
Und nun zum Sport Podcast

SZ-Podcast "Und nun zum Sport"
:Die einzigartige Karriere des Dirk Nowitzki

Dirk Nowitzki hat die Spielweise des Basketballs revolutioniert, Rekorde gebrochen und ist doch bodenständig geblieben. Wie hat er das geschafft? Was waren die entscheidenden Momente seiner Karriere? Und welche Bedeutung hat er für seinen Sport?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: