Was hat LeBron James vor? Bleibt er bei den Los Angeles Lakers, wo er eine Option ziehen kann, um eine weitere Saison für 51,42 Millionen Dollar zu bleiben? Beendet er seine aktive Karriere, was angesichts der gewaltigen Erfolge (vier Titel mit drei verschiedenen Teams) und der schmachvollen Lakers-Saison (sie scheiterten in der ersten Playoff-Runde an Titelverteidiger Denver) etwas nachlassend daherkäme? Oder wechselt er noch einmal, nach Cleveland, Miami und Los Angeles in eine neue Stadt, zu einer neuen Franchise? Welche das wäre, lässt sich Stand jetzt nicht sagen - was sich mit großer Sicherheit sagen lässt: Es dürfte die werden, die seinen Sohn LeBron Junior bei der Talentbörse wählen wird.
Der Senior hatte immer wieder erklärt, dass er diesen Traum habe, "im letzten Jahr gemeinsam mit meinem Sohn in der NBA zu spielen". Mit dem eigenen Sohn auf dem Spielfeld, das hat es in den vier großen US-Männerligen bislang nur beim Eishockey (Gordie Howe und seine Söhne Mark und Marty) und Baseball (Ken Griffey und Tim Raines) gegeben. Ein Vater-Sohn-Gespann im Basketball kam noch nie vor. Jedoch hält sich James derzeit auffällig zurück, wenn es um seine Zukunft geht, zum möglichen Zusammenspiel mit dem Filius sagt er gar nichts mehr - aus guten Gründen: Es ist ein Präzedenzfall, der die NBA in ihren Grundfesten erschüttern könnte, weil es um die sportliche Integrität geht.
Wer kann schon ein Treffen zwischen Vater und Sohn verbieten?
Um zu verstehen, warum das so ist, sollte man sich an die Worte von Basketballikone Magic Johnson erinnern, als er im April 2019 seinen Rückzug als Sportchef der Lakers verkündete: "Ich darf noch nicht mal jemandem zu einer grandiosen Partie gratulieren, ohne dass es als Abwerbe-Versuch gewertet würde." Das Reglement der Basketballliga ist tatsächlich sehr streng, und zwar so sehr, dass die Philadelphia 76ers und die Phoenix Suns bei der Talentbörse heuer kein Wahlrecht in der zweiten Runde haben, weil sie jeweils gegen die Regeln beim Verhandeln oder Abwerben von Akteuren verstoßen haben.

Über Gehaltsobergrenzen und frühes Wahlrecht für erfolglose Teams der Vorsaison soll mittelfristig Chancengleichheit gewährleistet sein - vor allem wollen sie die Zusammenstellung sogenannter "Superteams" verhindern, bei denen miteinander befreundete Akteure gemeinsam auf Titel-Jagd gehen, indem sie sich gegenseitig zu einer Franchise locken. Deshalb sind selbst gemeinsame Abendessen unter gewissen Umständen verboten - öffentliches Lob für Spieler, die bald ohne Vertrag sein werden, sowieso. Ist alles festgelegt unter Artikel 35 der NBA-Verfassung - und auch, dass die Entscheidung über Regelverstöße und deren Bestrafung einzig und allein Ligachef Adam Silver obliegt; die Grauzone in diesem Fall ist immens, denn: Wer kann ein Treffen zwischen Vater und Sohn verbieten - oder dass ein Papa seinen Filius lobt?
Die Macht gerade der Ligagrößen ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen; eine Entscheidung eines vertragslosen Spielers - sogenannte "Free Agents" - kann das Liga-Gefüge nachhaltig prägen. Deshalb ist das Reglement so streng, dass der ansonsten stets bestens gelaunte Magic Johnson sagte, dass es "keinen Spaß" mache. Nun, um Spaß geht es längst nicht mehr im amerikanischen Sport-Kapitalismus. Es geht um Geld, das über spannende Geschichten verdient wird; die NBA ist letztlich ein Entertainment-Konzern, die erste Vater-Sohn-Partie der Geschichte wäre freilich ein Quoten-Garant, die Saison Stoff für eine Doku-Serie - nur darf James nicht sagen: Wer meinen Sohn unter Vertrag nimmt, der kriegt mich, einen der besten Basketballspieler der Geschichte, der im Alter von 39 in den fünf Playoff-Partien 27,8 Punkte, 8,8 Zuspiele und 6,8 Rebounds pro Spiel schaffte.
Das Interessante daran: Das muss er gar nicht.
Alle Macht liegt bei LeBron James - jeder in der NBA weiß das
Die Talentbörse findet heuer am 26. und 27. Juni statt; James Senior hat bis 29. Juni Zeit, die Lakers darüber zu informieren, ob er die Option auf eine weitere Saison ziehen will - er könnte davor bei den Lakers verlängern, aber nur bei denen. Sollte er auf die Option verzichten, kann er von 1. Juli an frei mit allen NBA-Teams verhandeln und ab 6. Juli einen neuen Vertrag unterschreiben. Alle Macht liegt bei: LeBron James. Jeder weiß das, auch ohne explizite Aussage.
Er verhält sich dem Reglement entsprechend, wie auch sein Sohn. Der ist von der Liga eingeladen worden, am Vorspielen für NBA-Vereine von diesem Samstag an teilzunehmen. Derzeit gilt er sportlich als Kandidat für die zweite Runde; er könnte aber nach dem sogenannten "Combine" bis 19. Mai - wo Talente nicht nur vorspielen, sondern in Gesprächen mit dem Management auch ein Gefühl dafür kriegen, wer sie wohl haben will; und dann erklären, dass er noch eine Saison am College dranhängen will. Zuletzt spielte er für die University of Southern California, durch den Eintritt ins sogenannte "Transfer Portal" kann er an jede andere Uni wechseln.
Alle Beteiligten, auch Ligachef Silver, verhalten sich derzeit dem NBA-Reglement entsprechend korrekt, und dennoch bliebe ein, wie man sagt: Gschmäckle, würden Vater und Sohn in der kommenden Saison tatsächlich gemeinsam auf dem Feld stehen. Nur: Was ist ein Gschmäckle gegen die Erfüllung eines Traums, eine Quoten-Garantie-Geschichte, selbst wenn es der Beweis wäre, wer wirklich die mächtigste Person der NBA ist: James, der, und auch das war bis vor wenigen Jahren völlig undenkbar, als Eigentümer ein neues NBA-Team nach Las Vegas bringen möchte. Nach der aktiven Laufbahn, wann immer das sein wird.
Deshalb eine gar nicht mal so gewagte Prognose: Niemand würde James - Junior oder Senior - dafür bestrafen, wenn sie beim gleichen Team spielten.