NBA-Finals:Was war das bitte für ein Spiel?

NBA-Finals: Die Protagonisten: LeBron James (links) von den Lakers gegen Jimmy Butler (Miami Heat).

Die Protagonisten: LeBron James (links) von den Lakers gegen Jimmy Butler (Miami Heat).

(Foto: Mark J. Terrill/AP)

Die Miami Heat gewinnen eine der spannendsten Basketball-Partien der vergangenen Jahre gegen die Lakers - und erzwingen Spiel sechs. Beim Ertönen der Schlusssirene wirft LeBron James einen Drei-Punkte-Versuch daneben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Entschuldigung, aber was war das bitteschön für ein Spiel? Die Los Angeles Lakers und Miami Heat haben sich am Freitagabend in der Bubble der nordamerikanischen Basketballliga NBA gegenseitig an eine Grenze getrieben, die Sportler nur ganz selten erreichen, und es werden spontan Erinnerungen wach - nicht nur an legendäre Partien im Basketball (Boston Celtics gegen die Phoenix Suns 1976, Chicago Bulls gegen Utah Jazz 1997 oder Los Angeles gegen die Philadelphia 76ers 2001), sondern an unvergessene Sportereignisse: der Thrilla in Manila 1975 zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier oder Deutschland gegen Italien im Halbfinale der Fußball-WM 1970.

Ja, es war wirklich so fantastisch, wie sich das hier liest.

Die nackten Zahlen: Miami Heat verkürzte mit dem 111:108 in der Best-of-seven-Serie auf 2:3, Heat-Spielmacher Jimmy Butler schaffte 35 Punkte, zwölf Rebounds und elf Zuspiele, Gegner LeBron James 40 Zähler, 13 Rebounds und sieben Assists. Vielleicht eine andere Zahl, die besser verdeutlich, was das los gewesen ist in dieser Halle in Disneyworld: Allein in den letzten sechs Minuten der Partie wechselte die Führung neun Mal, vier Mal stand es Unentschieden. Beim Ertönen der Schlusssirene warf James einen Drei-Punkte-Versuch daneben, der das Spiel in die Verlängerung geschickt hätte. Das wäre aber zu viel gewesen, Ali/Frazier war auch vor der letzten Runde vorbei und Deutschland/Italien vor dem Elfmeterschießen.

"Ich muss jetzt erst einmal ins Hotel und mich ausruhen", sagte Butler noch auf dem Spielfeld, er sah aus wie Frazier nach der 14. Runde gegen Ali. Schon gegen Ende der Partie hatte er sich nach einem Foul von Mark Morris über die Bande gelehnt und so ausgesehen, als müsse er sich vor Erschöpfung übergeben. Sein Trainer Erik Spoelstra nahm lieber mal eine Auszeit, danach versenkte Butler beide Freiwürfe: "Wir müssen uns dennoch verbessern. Wir hatten heute am Ende auch Glück, das werden wir nicht immer haben."

"Die bestrafen dich für jeden Fehler"

Er sprach über den Dreier-Versuch des völlig freistehenden Danny Green sieben Sekunden vor dem Ende - ein Wurf, mit dem Akteure wie Robert Horry (Houston Rockets 1995 und Lakers 2002), John Paxson (Chicago Bulls, 1993) oder Steve Kerr (Bulls, 1997) unsterblich geworden sind. Der Versuch von Green, der übrigens wie alle Lakers das Schwarze-Mamba-Trikot der verstobenen Lakers-Legende Kobe Bryant (der ebenfalls häufig solche Würfe versenkt hatte) trug, sprang an den vorderen Ring. "Die bestrafen dich für jeden Fehler", sagte James nach der Partie, und es war klar, dass er diese vertane Chance von Green als Fehler sah.

Zwei Dinge wurden deutlich bei dieser fünften Partie. Erstens: Beide Mannschaft kennen sich nun bestens, die taktischen Veränderungen sind detailliert wie zum Beispiel, ob Butler bei der Bewachung von James um einen Block herumläuft (und den Weg abkürzt, James damit aber ein paar Zehntel unbeaufsichtigt lässt) oder hinter seinen Gegenspieler her (und damit einen Rückstand aufholen muss). "Es gibt jetzt nicht mehr eine große Umstellung", sagte Spoelstra schon vor der Partie: "Es ist nun wirklich anspruchsvoll und raffiniert, es müssen nun einige Elemente ineinander greifen."

Also, wenn Butler die zweite Lösung wählt: Gibt es einen, der ihm hilft, sollte James zum Korb stürmen? Passt jemand auf den Gegenspieler des Helfers auf? Wen lässt man dann ungedeckt - Anthony Davis unter dem Korb oder einen Scharfschützen wie Danny Green jenseits der Drei-Punkte-Linie? Auch wenn das Duell bisweilen wie eine Straßenschlacht daherkommt - Lakers-Center Dwight Howard rammte Butler im dritten Viertel den ausgestreckten Arm ins Gesicht, der traf trotzdem -, so ist es doch auch eine Schachpartie zwischen Spoelstra und Lakers-Trainer Frank Vogel, die nun um mindestens ein Duell verlängert wird.

Beide Teams sind körperlich am Ende

Das führt zur zweiten Erkenntnis: Beide Teams sind nach drei Monaten in dieser Bubble völlig fertig - so sehr, dass sie bald auf den Knochen gehen, weil kein Zahnfleisch mehr da sein wird. Bei Miami war Butler (er war bis auf 38 Sekunden die komplette Partie über auf dem Feld) dem Kollaps nahe, Center Bam Adebayo plagt sich noch immer mit den Folgen einer Schulter- und Halsverletzung aus dem ersten Spiel, wegen der er bereits zwei Partien verpasst. Spielmacher Goran Dragic könnte nach seiner Fußverletzung im sechsten Spiel, das am Sonntag stattfindet, möglicherweise wieder auflaufen.

Bei den Lakers konnte Davis die Partie nach einer Blessur am rechten Knöchel (der ihn schon vorher geplagt hatte) zwar beenden, er humpelte jedoch bis zum Ende. Auch James war beim Gang zur Kabine nach dem Spiel anzumerken, dass er nicht nur enttäuscht, sondern auch sehr müde war. "Es ging hin und her, eine wahnwitzige Aktion nach der anderen", sagte James nach der Partie: "Wir hatten am Ende die Chance, die Serie zu gewinnen, aber es hat nicht geklappt. Wir müssen noch besser spielen, und das beginnt morgen bei der Video-Analyse."

Beide Teams werden nun ihre geschundenen Körper pflegen und weiter nach diesen winzigen Details forschen, die den Ausschlag geben über Sieg und Niederlage in dieser Serie. Es wird nun zahlreiche Prognosen geben, wie die sechste Partie am Sonntag enden wird - aber jetzt mal ganz ehrlich: Wer hätte gewagt, nach der zwölften Runde bei Ali/Frazier oder vor der Verlängerung zwischen Deutschland und Italien eine verlässliche Vorhersage zu treffen, wie diese nun unvergesslichen Duelle weitergehen würden?

Vielleicht lehnt man sich einfach zurück und fragt: Was wird das am Sonntag bitteschön für ein Spiel werden?

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