Basketball: NBA:Ein Zyklop unter Liliputanern

LeBron James und die Miami Heat deklassieren die LA Lakers und werden ihrer Favoritenrolle in der NBA gerecht. Der Titelverteidiger aus Los Angeles spielt indes wie ein Mitläufer. Bestenfalls.

Milan Pavlovic

Die beispielhafte Szene dieses Spiels war leicht ausgemacht. Sie ereignete sich Mitte des dritten Viertels, als die Zuschauer in Los Angeles zunehmend unruhig wurden. Die Lakers, immerhin Gewinner der beiden vergangenen NBA-Meisterschaften, lagen gegen die Gäste aus Miami deutlich zurück, 50:64, und es war Zeit für ein Zeichen im Duell der Titelkandidaten. Dieses folgte sogleich - aber nicht so, wie es die Fans von Kobe Bryants Mannschaft erwartet hatten.

Miami Heat v Los Angeles Lakers

So groß war der Unterschied, Jungs, so viel kleiner waren die LA Lakers im weihnachtlichen NBA-Spitzenspiel: LeBron James war wieder einmal herausragender Spieler der Miami Heat.

(Foto: AFP)

LeBron James, vor dieser Saison aus Cleveland nach Florida transferiert, bekam den Ball, zog zum Korb, rumpelte dabei Kobe Bryant aus dem Weg, als hätte sich ein Zyklop kurz mal eines Liliputs entledigen müssen, und dann erzielte er zwei weitere Punkte für die Gäste. Noch nicht einmal per Dunking, der Macho-Geste im Basketball, sondern ganz lässig per Korbleger.

Das gilt in der Liga als läppischer Abschluss, aber in diesem Fall war es eine fast schon subtile Botschaft: Einer größeren Anstrengung bedurfte es an diesem Abend nicht, um die Lakers zu bezwingen. Am Ende war das 80:96 für die Lakers, mit fünf Titeln seit 2000 der herausragende NBA-Klub des 21. Jahrhunderts, eine Demütigung. Und dementsprechend für Miami ein Triumph.

Meister der Zerstörung

LeBron James, 25, bemühte sich um Bescheidenheit, aber ohne den Sieg herunterzuspielen. "Das ist Miami-Heat-Basketball", lautete seine Analyse: "Wir versuchen ganz einfach konzentriert zu verteidigen, weil wir wissen, dass das unsere beste Chance ist zu gewinnen." Wenn James so redet, dann klingt das beinahe mühelos, fast so leicht, wie er zu 27 Punkten, elf Rebounds und zehn Vorlagen gekommen war und bereits zum 31.Mal in seiner Karriere an einem Abend in drei Kategorien zweistellige Werte erzielt hatte.

Erik Spoelstra gab seinem besten Spieler recht: "Das Wichtigste war, dass wir unserer Spielphilosophie treu geblieben sind", sagte der jüngste NBA-Trainer: "Verteidigen und zerstören, so gut es geht." Es war kein schönes Spiel, aber das kann einem derart souverän wirkenden Auswärtssieger herzlich egal sein. Vor allem, wenn andere am Boden sind.

Es ist exakt einen Monat her, da sahen Miamis Profis niedergeschlagen aus. Das Team aus Florida, seit den spektakulären Sommerwechseln von LeBron James und Chris Bosh so etwas wie das Bayern München der NBA, hatte neun Siege und acht Niederlagen vorzuweisen: die Bilanz eines besseren Mitläufers. Bestenfalls.

Lakers: satt und frustriert

Mit Ausrutschern gegen Durchschnittsklubs wie Indiana oder sogar bei Kellerkindern wie Memphis; gegen die eigentlichen Konkurrenten wie Utah, Boston oder Dallas war Miami nicht ernst zu nehmen. Die ersten Nachrufe wurden verfasst. Analysen beschieden, James, Bosh und Dwyane Wade, der einstige Anführer des Teams, könnten gar nicht miteinander harmonieren; und der gerade einmal 41-jährige Spoelstra, Anfang der Neunziger noch beim deutschen Zweitligisten TuS Herten aktiv, sei bloß eine blasse Marionette des immer noch allgewaltigen Klub-Präsidenten Pat Riley.

Doch Hohn ist nicht nur eine unschöne Sache; er wird gefährlich, wenn nicht gewährleistet ist, dass der Verspottete brav am Boden liegen bleibt. Seit dem 27.November hat Miami 14 von 15 Partien gewonnen (die einzige Niederlage gab es kurz vor Weihnachten gegen Dallas), und in dieser Zeitspanne gelang es keinem Gegner (nicht einmal Dallas), mehr als 100 Punkte gegen den Überraschungsmeister von 2006 zu erzielen. Wie so oft im Sport sieht plötzlich vieles rosig aus.

"Pat Riley hat als Trainer fünf NBA-Titel gewonnen, und er ist mein Mentor", erklärte Erik Spoelstra neulich stolz. "Wir wussten, dass es nicht von Anfang an laufen kann. Das war einkalkuliert, wir haben all die Schlagzeilen gelesen und sind cool geblieben."

Riley selber würde nie zugegeben, dass er sich von jemanden etwas abschaut, schon gar nicht die Coolness von seinem Erzrivalen Phil Jackson. Der Leiter der LA Lakers, mit elf Meistertiteln NBA-Rekordtrainer und seit Jahren mit der Ruhe eines Zen-Buddhisten gesegnet, muss derzeit arg von seiner Fähigkeit zur Geduld zehren.

Denn er erlebt mit seinem Team genau das Gleiche wie Miami vor einigen Wochen: Wenig klappt, und viel Frust ist zu spüren. "Wir spielen wie eine satte Mannschaft", klagte Kobe Bryant, 32, am Samstag nur mit 17 Punkten. "Als würden einigen hier die zwei Meisterschaftsringe genügen." (Er selbst hat schon fünf.) "Es geht nicht, dass uns solche Spiele weniger bedeuten als den Gegnern - genau in diesen Spielen müssen wir noch motivierter sein als sonst."

Die Lakers hatten die Saison mit acht Siegen begonnen und standen nach 15 Partien mit einer immer noch fürstlichen Bilanz von 13:2 da. Seitdem gab es acht Erfolge und sieben Niederlagen: die Bilanz eines Mitläufers. Bestenfalls. Seit dem 80:96 ist die Statistik (21:9) erstmals schlechter als jene von Miami (23:9). "Die Niederlage kam nicht überraschend", murmelte Phil Jackson, "wir spielen momentan einfach keinen guten Basketball."

Doch selbst dieser Nachsatz klang kein bisschen panisch. Jackson weiß, dass noch nicht einmal die Hälfte der Saison vorbei ist. Jetzt schlüpft langsam Miami in die zugedachte Favoritenrolle. Mal sehen, ob das Team damit klar kommt. Und ob es jemand wagt, die Lakers zu verhöhnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: