Basketball:Nachweihnachtliche Unruhe

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Was ist nur los? Bei FC-Bayern-Trainer Andrea Trinchieri (rechts) liegen die Nerven offenbar blank. (Foto: Steffie Wunderl /Beautiful Sports/Imago)

Die Mannschaft wirkt müde, der Trainer sorgt mit einem Temperamentsausbruch für Diskussionen: Beim FC Bayern ist es spätestens nach der Bundesliga-Niederlage in Crailsheim vorbei mit weihnachtlicher Ruhe. In der Euroleague ist sogar die Finalrunde gefährdet.

Von Ralf Tögel, München

Gerade mal zwei Wochen ist es her, da war die Welt der FC-Bayern-Basketballer noch in Ordnung: Fünf Siege in Serie, wettbewerbsübergreifend, darunter ein famoser in der Euroleague gegen Titelverteidiger Efes Istanbul - und nur drei Tage später im Spitzenspiel der Bundesliga (BBL) der Erfolg bei Meister Alba Berlin. Tabellenführer im Tagesgeschäft, international auf einem guten Weg in Richtung Playoffs - es passte bei den Münchnern. Und jetzt? Herrscht plötzlich nachweihnachtliche Unruhe im Klub.

Der unnötigen Euroleague-Heimniederlage gegen Vitoria-Gasteiz am Tag vor Heiligabend folgte am Sonntagabend ein 68:77 in der BBL bei den Merlins Crailsheim. Es war die vierte Niederlage im fünften Spiel, die Spieler wirkten müde, mental und körperlich. Bislang zeichneten sich die Bayern durch unermüdlichen Einsatz und Kampfeswillen aus, in den vergangenen Wochen aber scheint den Protagonisten der unbedingte Siegeswille abhanden gekommen zu sein.

In der Bundesliga haben die Münchner nun die Tabellenführung an Bonn verloren, was allerdings zu verschmerzen sein dürfte. Die Saison ist lang, der Titel wird eh erst in einem halben Jahr in Playoffs vergeben, bis dahin werden die Karten neu gemischt sein. Und dass die Bayern die Finalrunde der BBL verpassen, dürfte ausgeschlossen sein, auch wenn das Niveau der Konkurrenz in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist.

Genau dieses Szenario - eine Finalrunde ohne Bayern - droht allerdings in der Euroleague. Denn dort steht der FCB nur auf Platz 13, und er muss mit Gegnern wie Tel Aviv, Fenerbahce Istanbul oder Monaco um den achten Rang streiten, der für den Einzug in die Endrunde mindestens nötig ist. Die Niederlage gegen Baskonia Vitoria, bei der ausgerechnet Wade Baldwin seine bisher beste Saisonleistung im Trikot der Spanier zeigte und seine früheren Kollegen mit 30 Punkten in die Schranken wies, tat besonders weh. Denn die Gäste waren stark ersatzgeschwächt, ein Bayern-Sieg in heimischer Halle war fest eingeplant.

Im Netz wird aufgeregt diskutiert, ob ein Trainer einen Spieler körperlich angehen darf.

Wie groß der Druck ist, zeigte eine Szene am Spielfeldrand, als Bayern-Trainer Andrea Trinchieri Jason George nicht nur verbal, sondern auch körperlich wegen eines Fehlers züchtigte. Wie in diesen Zeiten üblich, wird der Vorfall in den sozialen Medien seither heftig diskutiert und kommentiert. Die Reaktionen reichen von der Forderung nach einer sofortigen Entlassung des Trainers bis zur Erkenntnis, dass derlei Härte den verweichlichten Profis nicht schade. Dass Trinchieri seinen Spieler anrempelte und ihm dann noch von hinten einen Stoß an den Rücken verpasste, war in der TV-Übertragung gut zu sehen, allerdings war der impulsive Trainer schon zu Bamberger Zeiten durch heftige Reaktionen an der Seitenlinie aufgefallen.

Die Münchner Vereinsführung sieht bisher keinen Anlass für eine offizielle Stellungnahme, allerdings fehlte Trinchieri beim Gastspiel in Crailsheim. Die Pause sei jedoch geplant gewesen, hieß es, denn auch dem Trainer setzen die Anstrengungen der vergangenen Wochen sichtbar zu. Trinchieri war am Sonntagabend also erst mal aus der Schusslinie, aus welchem Beweggrund auch immer. Bis zum nächsten Spiel am Donnerstagabend in Villeurbanne (Euroleague) bleiben drei Tage Zeit, um die Gemüter zu beruhigen.

Zum zweiten Mal Topscorer, zum zweiten Mal verloren: Münchens K.C. Rivers (Mitte) im Kampf gegen die Crailsheimer Jared Savage und Jaren Lewis (v.l.). (Foto: Michael Memmler /Eibner/Imago)

In Crailsheim stand Co-Trainer Slaven Rimac verantwortlich an der Seitenlinie, der später zugeben musste, dass die Bayern ihr Potenzial nur im zweiten Viertel einigermaßen ausschöpfen konnten. In Normalform agierte allein K.C. Rivers, der für den längerfristig verletzten Topscorer Darrun Hilliard nachverpflichtet wurde. Die Rolle füllte Rivers erneut vorbildlich aus, wie gegen Vitoria (16 Punkte) war er auch in Crailsheim (23 Punkte) bester Bayern-Schütze. Dennoch habe er sich "wie in einer Achterbahn" gefühlt, sagte er angesichts der Schwankungen im Spiel. Es fehle dem Münchner Spiel derzeit an Balance: "Wir haben nichts gefunden, was funktioniert hat", gab Rivers zu. Seine eigene Leistung bedeute ihm nichts, denn: "Ich will gewinnen, wir wollen gewinnen, und das haben wir nicht".

Drei schwer ersetzbare Schlüsselspieler fehlten in Crailsheim: Vladimir Lucic, Nick Weiler-Babb und Augustine Rubit. Dennoch haben die Bayern im Vergleich zum Gegner deutlich mehr Qualität im Kader. Womit sie aber in diesen Tagen zu kämpfen haben, brachte Crailsheims Flügelspieler Fabian Bleck auf den Punkt: "Wir wussten dass die Bayern platt sind nach den ganzen Euroleague-Spielen, das haben wir gut ausgenutzt." Es sei kein Geheimnis, dass es "immer gut ist nach einem Euroleague-Spiel gegen die Bayern zu spielen". Und natürlich sei der Münchner Kader groß und gut, so Bleck, aber in gewissen Momenten "kann man sie immer wieder erwischen - das haben wir heute gezeigt."

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