Wenn man in der Schule Basketball spielt, dann schicken die vermeintlichen Könner die Kleinen, Unsportlichen immer gleich in die Ecken des Spielfeldes, damit sie aufgeräumt sind und nicht im Weg rumstehen. Am Dienstagnachmittag, beim Finalturnier der Basketball-Bundesliga (BBL) im Münchner Audi Dome, hätte man glauben können, auch die Profis machen das noch so. Da schickten die Routiniers der MHP Riesen Ludwigsburg einen blassen, blonden Buben in die linke Ecke, und ihre Gegner von den Fraport Skyliners Frankfurt dachten offensichtlich, sie könnten diesen blassen, blonden Buben da einfach so stehen lassen.
Tja, weit gefehlt.
Zu Beginn des zweiten Spielviertels bekam der eingewechselte Junge in der Ecke tatsächlich den Ball, er zögerte nicht, nahm ihn hoch, drückte ihn ab - und schwupps rauschte er durch die Reuse. In diesem Moment hatte Jacob Patrick einen Eintrag in die Geschichtsbücher des deutschen Basketballs sicher: Mit 16 Jahren, sechs Monaten und 19 Tagen ist er nun der jüngster Korbschütze seit Aufzeichnung der Daten in der Basketball-Bundesliga (BBL). Er löste Alexander Heide ab, der knapp fünf Wochen älter war, als er im März 2008 erstmals für die Ulmer Profis punktete.

Meisterschaftsturnier:Bewegungsmelder für die Basketballer
Tracking-Chips im Hotel sollen das Meisterschaftsturnier der BBL absichern. Die Spieler waren überrascht - scheinen sich aber mit der Maßnahme arrangiert zu haben.
Zum Vergleich: Der Leverkusener Florian Wirtz war 17 Jahre und 34 Tage, als er am vergangenen Samstag bei der 2:4-Niederlage gegen den FC Bayern München zum Endstand traf und den Dortmunder Nuri Sahin als jüngsten Torschützen der Fußball-Bundesliga verdrängte.
"Ich freue mich für ihn als Spieler, und ich freue mich für ihn als meinen Sohn"
Jacob Patrick beließ es freilich nicht bei einem Korb: Nur eine Minute nach seinem ersten Dreier netzte er von der gleichen Stelle in der Ecke seinen zweiten ein. Später kam noch ein Treffer aus der Mitteldistanz hinzu, macht insgesamt acht Punkte, die der Teenager zum 80:77-Erfolg seines Teams beitrug. "Ich bin froh, dass ich meiner Mannschaft auch in der Offensive helfen konnte", sagte er nachher schüchtern vor einem Mikrofon des Fernsehsender Magentasport. Er weiß ja, dass sein Trainer mehr Wert auf eine ordentliche Defensive legt.
Aber an diesem Tag war auch die Offensive in Ordnung für den Coach. "Ich freue mich für ihn als Spieler, und ich freue mich für ihn als meinen Sohn", sagte John Patrick: "Er war sehr happy, dass er getroffen hat."
Der 52 Jahre alte Amerikaner hat dieses Finalturnier zu einem Familienausflug gemacht: Weil die etatmäßigen Spielmacher Khadeen Carrington (blieb lieber in den USA) und Konstantin Konga (Schulter-Operation) fehlen und zunächst auch der Einsatz von Jaleen Smith fraglich war, nahm er vorsichtshalber zwei seiner drei Söhne mit, den 18 Jahre alten Johannes (1,85 Meter) und den zwei Jahre jüngeren Jacob (1,93). Der Älteste, Julian, 20, hat mit seiner Spielerkarriere schon abgeschlossen, trainiert in Ludwigsburg aber ein Nachwuchsteam. Johannes und Jacob sind Point Guards, so wie ihr Vater einer gewesen ist, ehe er wegen seiner Verletzungsanfälligkeit auf der Trainerbank Platz nahm. "Wir reden daheim schon viel über Basketball", erzählte Jacob in diesen Tagen, "wir schauen auch viel."
So schärfte der jüngste Patrick sein Spielverständnis. Bei seinem Bundesliga-Debüt am ersten Spieltag gegen Rasta Vechta (81:76) hatte er kein Mal auf den Korb geworfen. "Es war aufregend, ich war am Anfang sehr nervös", gab er zu, aber das sei nicht der Grund gewesen, warum er sich keinen Wurf zugetraut hatte. "Ich möchte nichts erzwingen", erklärte er; es war halt einfach keine gute Gelegenheit da.
Angst von seinem Trainervater geschimpft zu werden, hat er jedenfalls nicht. "Es ist nicht so, dass er mir eine besondere Behandlung gibt", versichert er. John Patrick sagt über das Verhältnis zu seinem Nachwuchs: "Außerhalb des Spielfelds sind es meine Söhne, auf dem Feld sind es meine Spieler." Und weil es in erster Linie seine Söhne sind, schaut er auch darauf, dass sie die Schule nicht vernachlässigen: Nächste Woche müssten sie im Grunde wieder in die Schule, aber sie richten sich darauf ein, noch länger beim Turnier in München zu bleiben. "Ich hab's so organisiert, dass ich den Unterricht online machen kann", sagt Jacob. Und Sportunterricht bekommt er sowieso gerade auf einem viel höheren Niveau.