Basketball:Mit Physiotherapeut und Extra-Kaffee

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40 Jahre, 21 Spielzeiten: Dirk Nowitzki rückt in der neuen Saison an die Spitze der langlebigen NBA-Profis. (Foto: AFP)

Dirk Nowitzki wird in seiner 21. Saison bei den Dallas Mavericks erst mal nur noch Ersatzspieler sein. Der 40-jährige trägt diese Entscheidung klaglos mit.

Von Joachim Mölter, Dallas

Am Medientag herrscht Hochbetrieb bei einem amerikanischen Sportklub wie den Dallas Mavericks. Unten, in der Trainingshalle der Basketballer, sind ein Dutzend Kameras aufgebaut mit allem, was dazugehört: Scheinwerfer, Reflektoren, Leinwände. Auf dem Boden sind meterweise Kabel festgeklebt, damit keiner drüberstolpert. Lokale Zeitungen und überregionale Agenturen legen hier ihren Fotofundus für die ganze Saison an, die Spieler posieren mal so, mal so. Dazwischen werden sie interviewt, was live auf der Facebook-Seite der Mavericks übertragen wird; auch örtliche Radio- und TV-Sender sammeln Stimmen ein.

Und oben, im American Airlines Center, geht es weiter: In der großen Arena werden Videoclips gedreht, die in der kommenden Saison während der Partien über den großen Bildschirm an der Decke flimmern; im Umlauf unter den Tribünen werden Interviews gefilmt, für eine klubeigene Dokumentation, für die Liga NBA, für dies und das. Schließlich streift die Marketingabteilung der Mavericks den Profis noch die einzelnen Teile der diesjährigen Kollektion über, darunter Pudelmützen - in diesen schwülheißen texanischen Spätsommertagen wird schon das Weihnachtsgeschäft vorbereitet.

Nach fast fünf Stunden lässt das Gewusel nach, die meisten Spieler haben den Parcours hinter sich, die ersten sind auf dem Heimweg, nur Dirk Nowitzki schwirrt weiter durch die Gänge. "Noch zwei, drei Stationen", sagt sein Begleiter, der mit einem eng beschrifteten Plan aufpasst, dass der berühmteste Mann der Mavericks überall Halt macht und nicht irgendwo verloren geht. Es ist ein bezeichnendes Bild: Alle sind weg, nur Dirk Nowitzki ist immer noch da.

Wenn Mitte Oktober die neue Spielzeit der amerikanischen Profiliga NBA beginnt, wird der inzwischen 40 Jahre alte Würzburger in seine 21. Saison gehen. Mehr hat in der NBA-Historie keiner auf dem Buckel, nur die Center Robert Parish (1976 bis 1997), Kevin Willis (1984 bis 2007, mit Unterbrechungen) und Kevin Garnett (1995 bis 2016) haben diese Marke bislang erreicht. Neben Nowitzki rückt auch Vince Carter, 41, mit an die Spitze der langlebigen NBA-Profis. Der 2,13 Meter große Deutsche ragt freilich selbst in diesem elitären Kreis heraus: Er hat all die Jahre bei einem einzigen Klub verbracht, den Dallas Mavericks eben. Das ist einzigartig.

Der bisherige Rekordhalter Kobe Bryant hat seine 20. Saison bei den Los Angeles Lakers vor zwei Jahren als große Abschiedstournee inszeniert und sich in jeder Arena feiern lassen - Dirk Nowitzki mag das nicht. "Ich will noch eine Saison spielen und dann schauen, wie's weitergeht", sagte er beim Medientag, mit dem traditionell die Saisonvorbereitung beginnt. Mavericks-Chefcoach Rick Carlisle ist sicher: "Er wird nicht vorher sagen: Das war's. Er wird sich eine Tür offen lassen." So eine Abschiedstour, fügt der 58-Jährige hinzu, "ist nur für manche Typen wichtig, für andere nicht". Nowitzki zählt zu den anderen, zumal er nicht ausschließt, ein weiteres Jahr dranzuhängen, "wenn's noch Spaß macht, wenn der Körper noch mitmacht".

"Ich kann mich an jede Situation anpassen", sagt Nowitzki. Sein Trainer ist etwas skeptischer

Letztgenanntes ist die größte Herausforderung. Nowitzki hat sich im Frühjahr das lädierte Sprunggelenk operieren lassen, um schmerzfrei in die Saison 2018/19 starten zu können. "Wir haben die Reha langsam angehen lassen, waren genau im Plan", berichtete er am vergangenen Wochenende, "aber vorige Woche habe ich einen kleinen Rückschlag erlitten. Jetzt tun meine Sehnen weh." Trainer Carlisle berichtete nach dem Trainingsauftakt am Samstag: "Dirk hat nur ein wenig geworfen, er wird zumindest noch ein paar Tage eingeschränkt sein." Kein Grund zur Sorge, das signalisierten beide. Aber womöglich muss Nowitzki bei den ersten Testspielen des Klubs in China passen.

Durch den Hinweis auf die anhaltenden Blessuren wurde immerhin Carlisles Ankündigung vom Vortag vollends plausibel, Nowitzki künftig von der Bank aus ins Geschehen zu schicken. Das hat über Dallas hinaus für Aufsehen gesorgt in der Basketball-Szene: Nach seiner Premierensaison 1999 stand der Würzburger bei seinen 1424 Einsätzen nur achtmal nicht von Anfang an auf dem Parkett. Achtmal, in 20 Spielzeiten. "Das wird eine Umstellung", glaubt Nowitzki, der die Entscheidung klaglos mitträgt: "Am Ende geht es darum, dass die Mannschaft erfolgreich ist."

Nachdem die Mavericks zuletzt zweimal die Playoffs verpasst haben, haben sie sich mit dem Allrounder Luka Doncic, 19, vom Euroleague-Champion Real Madrid verstärkt sowie mit dem Center DeAndre Jordan, 30, von den Los Angeles Clippers. Für den soll Nowitzki seinen Platz auf dem Feld räumen und sich erst einmal auf die Bank setzen, neben den Flügelspieler Maximilian Kleber, 26, den zweiten Würzburger im Kader.

"Ich habe so viel Erfahrung, ich kann mich an jede Situation anpassen", sieht Nowitzki seiner zukünftigen Rolle entspannt entgegen. Rick Carlisle fürchtet freilich, dass es für den mit 31 187 Punkten sechstbesten Korbjäger der NBA-Geschichte nicht so leicht wird, einen neuen Rhythmus zu finden: "Das wird eine extreme Herausforderung." Nowitzki weiß ja auch: "Als Einwechselspieler muss man sofort da sein, und ich war immer ein langsamer Starter. Vielleicht trinke ich künftig einen Extra-Kaffee." Überdies empfiehlt er, hinter der Ersatzbank ein stationäres Fahrrad aufzubauen, auf dem er sich einstrampeln kann, und obendrein ein paar Physiotherapeuten bereit zu halten, die ihm notfalls die Muskeln kneten: "Dann bin ich zu allem bereit."

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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