Basketball:Lehrstunde für Leichtmatrosen

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FC Bayern München - Hamburg Towers 30.09.2019, Bayern, München: Basketball: Bundesliga, FC Bayern München - Hamburg Towers, Hauptrunde, 1. Spieltag im Audi Dome. Greg Monroe von FC Bayern München wirft gegen Jannik Freese von den Hamburg Towers von den Hamburg Towers einen Korb. Foto: Lino Mirgeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (Foto: dpa)

Meister FC Bayern zerlegt den Aufsteiger Hamburg. Wie gut die Münchner sind, wird aber erst die Euroleague zeigen.

Von Joachim Mölter, München

Justus Hollatz ist ein junger Bursche, der noch viel lernen muss, zum Beispiel, dass es ziemlich sinnlos ist, jemanden aufhalten zu wollen, der zehn Jahre älter, zwanzig Zentimeter größer und vierzig Kilo schwerer ist. Der Teenager stand am Montagabend jedenfalls nicht lang im Weg des mit großen Schritten nahenden Greg Monroe. Der Amerikaner - 29 Jahre, 2,11 Meter, 120 Kilo - atmete bloß kurz aus, schob dann mit den angespannten Bauchmuskeln das menschliche Hindernis einfach zurück und legte den Ball in den Korb. Und weil Justus Hollatz bei seinem ebenso mutigen wie vergeblichen Abwehrversuch nicht schnell genug gewesen war, um eine regelgerechte Verteidigungshaltung einzunehmen, wurde ihm obendrein ein Foul angekreidet und Monroe ein Freiwurf als Bonus gewährt.

So wenig Federlesen wie Monroe mit Hollatz machte die ganze Mannschaft des FC Bayern München mit den Hamburg Towers. Zum Abschluss des ersten Bundesliga-Spieltags nahm der deutsche Meister den Aufsteiger auseinander, 111:55 (58:17), und hätten die Münchner nicht spätestens nach dem 100:36 (34.) Erbarmen gehabt, hätten sie leicht den höchsten Erfolg in der Historie der Basketball-Bundesliga (BBL) feiern können. "Wir haben richtig in die Fresse gekriegt", gab Marvin Willoughby zu, der Sportchef der erst vor fünf Jahren gegründeten Towers. "Es war eine große Lehrstunde für uns", bilanzierte Trainer Mike Taylor; Spielmacher Heiko Schaffartzik fand, "dass der FC Bayern wahrscheinlich in einer anderen Liga ist als wir, obwohl wir beide in der BBL spielen".

Mit dieser Einschätzung liegt der frühere FC-Bayern-Akteur sicher richtig. Während es für seinen neuen Klub um den Klassenverbleib geht, reichen die Ziele der Münchner weit über die Titelverteidigung auf nationaler Ebene hinaus. Sie haben den ehemaligen NBA-Profi Greg Monroe ja nicht geholt, damit er einen Leichtmatrosen wie den Hamburger Hollatz herumschubst, sondern für eine ganz andere Gewichtsklasse - die Euroleague. In die startet der FC Bayern ebenfalls in dieser Woche, am Donnerstag (20.30 Uhr) zu Hause gegen Armani Olimpia Mailand. Dann wird sich zeigen, was Monroes Leistung gegen Hamburg wert ist. Rein statistisch war er mit 18 Punkten, zehn Rebounds und fünf Assists innerhalb von 18 Minuten der überragende Mann der Partie gewesen.

In der Euroleague müssen Monroe und die Münchner freilich mit mehr Widerstand rechnen, als ihn die Hamburger zu leisten imstande waren. Die höchste Kontinental-Klasse ist von 16 auf 18 Teams aufgestockt worden, was dazu geführt hat, dass neben Meister München ein zweiter deutscher Klub mitmachen darf, nämlich Alba Berlin, der am Freitag mit einem Heimspiel gegen Zenit St. Petersburg in den Betrieb einsteigt. Die Euroleague ist jedoch nicht nur quantitativ aufgeblasen worden, sagt FC-Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic: "Es ist deutlich mehr passiert als gewohnt; es gab Transfers, die vorher als unmöglich galten. Von der individuellen Qualität her ist es wahrscheinlich die beste Euroleague, die es je gab."

So ein früher für unmöglich gehaltener Transfer ist auch dem FC Bayern gelungen: Der Center Greg Monroe bringt die Erfahrung von neun Jahren und 632 Einsätzen in der amerikanischen Profiliga NBA mit, der stärksten Basketball-Liga der Welt. Solche Werte hat kein anderer Akteur zu bieten, den es jemals in die BBL verschlagen hat, nicht einmal der Flügelspieler Derrick Williams, den die Münchner erst vor einem Jahr ganz stolz präsentiert hatten. Williams brachte es auf 428 NBA-Spiele in sieben Jahren, nach einer beeindruckenden Saison in München ist er aber im Sommer weitergezogen zu Fenerbahce Istanbul, wie alle Jahre wieder auch in dieser Saison ein Titelanwärter.

"Wenn einer der reicheren Euroleague-Klubs sich um einen unserer Spieler bemüht, wird er ihn wahrscheinlich auch kriegen", sagt Sportdirektor Daniele Baiesi und beschreibt damit treffend den aktuellen Stellenwert des FC Bayern in der Basketball-Szene: Da zählt er im Gegensatz zum Fußball noch nicht zu den Top-Adressen. Aber er ist auf einem guten Weg.

Das zeigt der Umstand, dass es gelungen ist, zwei weitere Akteure mit NBA-Erfahrung zu verpflichten: den derzeit verletzten Josh Huestis, 27, der 82 Einsätze für Oklahoma City nachweisen kann, sowie den Rückkehrer Paul Zipser, 25, der sogar 98 Mal für die Chicago Bulls aufgelaufen ist. Inwieweit das reicht, um den angestrebten Playoff-Platz zu erreichen, wird man sehen; einen ersten Hinweis gibt vielleicht schon der Vergleich mit Mailand.

In der vorigen Saison haben beide Klubs die Runde der besten Acht nur knapp verpasst, auch in den direkten Duellen waren sie fast ebenbürtig, die gewannen die Münchner auswärts 80:78 und daheim 93:87. Aber nun haben sich die Mailänder so verstärkt, dass sie "um einen Spitzenplatz kämpfen wollen", wie der Italiener Baiesi beobachtet hat. Unter anderem hat Olimpia den viermaligen Euroleague-Gewinner Ettore Messina, 60, als Coach angeheuert, dazu vom aktuellen Champion ZSKA Moskau den Spielmacher Sergio Rodriguez, 33, abgeworben, und zuletzt noch den argentinischen Flügelspieler Luis Scola, 39, engagiert, der sein Nationalteam bei der WM in China ins Finale geführt hat. "Ich weiß, dass uns eine Herausforderung bevorsteht", sagt Greg Monroe. Und die wird er nicht so einfach wegschieben können wie den armen Justus Hollatz.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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