Basketball:Kopfschmerzen, nicht nur vom Feiern

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Jubelnde Double-Gewinner: Niels Giffey (rechts) und Jonas Mattisseck. (Foto: imago images/BBL-Foto)

Nach Alba Berlins Jubiläumstitel in der Jubiläumssaison steht die Bundesliga nun vor der drängenden Frage: Wie geht es in der nächsten Saison weiter? Und wann? Die Klubs stimmen die Profis schon mal auf Gehaltseinbußen ein.

Von Joachim Mölter, München

Nichts wie raus, nichts wie weg, nur sechseinhalb Stunden nach ihrem Titelgewinn im Münchner Audi Dome waren die Basketballer von Alba Berlin schon wieder daheim. Nach drei Wochen unter Quarantänebedingungen hielt sie nichts länger als nötig in der bayerischen Landeshauptstadt, wo das Finalturnier um die deutsche Meisterschaft am Sonntagnachmittag zu Ende gegangen war, nicht mal die obligatorische Feierlichkeit. Die fiel angesichts der strengen Hygienebestimmung bei der Veranstaltung sowieso knapp aus. Trophäe geschnappt, raus aus der Halle, schnell die Sachen aus dem Hotel geholt, rein in den Zug und ab ging die wilde Fahrt. Eine halbe Stunde vor Mitternacht glitt der ICE mit dem Alba-Tross in den Berliner Hauptbahnhof - wo zumindest ein paar Fans in gebührender Distanz warteten und applaudierten. "Mit Abstand die Besten", stand auf einem Plakat.

Das trifft in vielerlei Hinsicht zu auf Berlins Basketballer, die sich von der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Saisonunterbrechung am wenigsten aus dem Rhythmus hatten bringen lassen. Sie haben alle ihre zehn Turnierspiele gewonnen, die meisten mit deutlichem Abstand, die letzten beiden im Finale gegen die MHP Riesen Ludwigsburg 88:65 und 75:74. Damit war Alba erstmals seit 2008 wieder Meister, im 30. Jahr des Klubbestehens war es der 20. Titel, wie Geschäftsführer Marco Baldi stolz vorrechnete: Zum europäischen Korac-Cup von 1995 und den zehn Pokalsiegen seit 1997 war nun die neunte Meisterschaft gekommen. Kein anderer deutscher Basketball-Klub war seit 1990 annähernd so erfolgreich. "Wir werden noch viele Kopfschmerzen in den nächsten Tagen und Wochen haben", prophezeite Baldi: "Aber weniger wegen des Feierns - sondern, weil wir in einer ungewissen Zeit leben."

"Der Spielermarkt ist so ruhig, wie er Ende Juni noch nie gewesen ist", sagt Ulms Sportchef

Wegen der Corona-Pandemie ist derzeit alles unsicher, in der Basketball-Bundesliga (BBL) wissen sie gerade nicht einmal, wann sie mit der nächsten Saison anfangen sollen. "Spätestens Mitte Oktober", sagt Geschäftsführer Stefan Holz, "wenn wir den bisherigen Modus mit Hauptrunde und Playoffs beibehalten wollen." Eine wichtige Frage ist dabei: Dürfen dann auch schon wieder Zuschauer in die Hallen, die den Klubs ja einen Großteil ihrer Einnahmen bescheren?

Um trotz Corona vor Publikum auftreten zu können, entwickelt die BBL gerade die Hygiene- und Sicherheitspläne weiter, die Florian Kainzinger für das Finalturnier ausgearbeitet hat; der Gesundheitsexperte war bereits am Konzept der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beteiligt. Er kann zwar nicht vorhersehen, "wie sich das Pandemie-Geschehen und die Neuinfektionen entwickeln werden", ist aber optimistisch, dass die Teamsportler hierzulande "mit guten Konzepten überzeugen" können. Zugleich mahnt Kainzinger: "Die Arbeit muss jetzt gemacht werden, dafür sind die Sommermonate da, um Vereine, Ligen, Hallen und Stadien vorzubereiten."

Diese Rahmenbedingungen zu schaffen, kommt nun hinzu für die Klubs, die gerade auch sportlich die nächste Saison vorbereiten müssen und nicht wissen wie. "Es ist ja nicht klar, mit wie vielen Zuschauereinnahmen wir rechnen können", sagt Thorsten Leibenath, der Sportdirektor des Halbfinalisten Ratiopharm Ulm: "Können wir mit hundert Prozent Auslastung rechnen, mit fünfzig, mit dreißig?" Davon hänge letztlich ab, wie hoch der Spieleretat sein werde. "Wir rechnen mit einem deutlich zweistelligen Prozentsatz, den wir weniger zur Verfügung haben werden", sagt Leibenath und prognostiziert: "Das Gehaltsniveau der abgelaufenen Saison werden wir in der kommenden nicht halten können." Sein Kollege Stefan Niemeyer von Rasta Vechta glaubt sogar, dass sich die Profis in der BBL auf Gehaltseinbußen von bis zu 50 Prozent einstellen müssen.

Weltweit warten die meisten Profis freilich ab, wie sich die Lage entwickelt, Leibenath hat festgestellt: "Der Spielermarkt ist so ruhig, wie er Ende Juni noch nie gewesen ist in der Vergangenheit." Nur einige Euroleague-Klubs, vor allem aus Südeuropa, verpflichten so munter wie immer, erzählt Marco Baldi. Während er versuche, seinen Profis die finanzielle Situation des Klubs so transparent wie möglich zu schildern und sie auf eine womöglich flexible Vertragsgestaltung einzustimmen, würden einige Konkurrenten mit den üblichen Garantien locken - und manche Spieler gar nicht hinterfragen, wie diese Versprechen zu halten sein sollen in diesen Zeiten.

Auf diese Weise hat Roter Stern Belgrad den Berlinern offensichtlich bereits den Center Landry Nnoko abspenstig gemacht; Panathinaikos Athen buhlt angeblich um Albas Spielmacher Martin Hermannsson sowie um den Noch-Münchner Maodo Lo. In Bamberg hat sich derweil schon Louis Olinde verabschiedet; der talentierte Flügelspieler hat offenbar ebenfalls ein lukrativeres Angebot in Aussicht. Die BBL-Klubs kümmern sich momentan vorrangig um ihre Trainerfragen. Der entthronte Meister FC Bayern hat angekündigt, bis Mitte Juli den künftigen Coach zu präsentieren, womöglich geht es schneller: Im Gespräch ist Bambergs früherer Meistertrainer Andrea Trinchieri, 51, der gerade bei Partizan Belgrad eine Gehaltskürzung abgelehnt hat. Eine serbische Nachrichtenseite meldet, eine Verpflichtung stehe angeblich kurz bevor. In Bamberg wird derweil der Noch-Göttinger Johan Roijakkers hoch gehandelt.

Bei Alba Berlin läuft der Vertrag von Alejandro "Aito" Garcia Reneses aus, dem Mann, "der alles veredelt hat" seit seiner Ankunft vor drei Jahren, wie Baldi schwärmt. Der 73 Jahre alte Spanier hat offen gelassen, ob er noch ein Jahr dranhängt, aber wie immer er sich entscheidet - die Besetzung des Trainerpostens dürften Manager Baldi und seinem Sportdirektor Himar Ojeda die geringsten Kopfschmerzen bereiten in den kommenden Tagen und Wochen. Alba-Gründungsmitglied Baldi glaubt den Klub gut aufgestellt für die noch unbekannten Herausforderungen der kommenden Saison: "Wir haben uns in 30 Jahren -zig mal neu erfunden."

© SZ vom 30.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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