Basketballer John Bryant:Zu schwer? Zu dick? Von wegen!

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John Bryant sammelt für die Gießen 46ers im Schnitt 19,7 Punkte und 10,9 Rebounds pro Spiel. (Foto: dpa)
  • John Bryant gewinnt mit dem FC Bayern 2014 die deutsche Meisterschaft.
  • Nach seinem Wechsel folgt ein tiefer Fall, der ihn zwischenzeitlich zu einem Fünftligisten führt.
  • Gießen ermöglicht ihm eine Rückkehr in den Profibasketball, er nutzt seine Chance und sagt: "Cheftrainer Ingo Freyer lässt mich so sein, wie ich bin."

Von Matthias Schmid

Das Leben von John Bryant ist leichter geworden, seit er für die Gießen 46ers aufläuft. Das liegt nicht nur daran, dass der Berufsbasketballer abgenommen hat und er auch nicht mehr den erniedrigenden Gang auf die Waage gehen muss. Als Bryant sich noch das Trikot des FC Bayern überstreifte, soll der damalige Trainer Svetislav Pesic, so wurde kolportiert, täglich dessen aktuelle Leibesfülle überprüft haben. Stimmt nicht, stellt Bryant nun mit einem Lächeln klar. "Es war wöchentlich, und nicht nur ich musste das tun, sondern alle Spieler."

Es gab Zeiten in seiner Karriere, da konnte er solche Dinge nicht mit Humor nehmen. Er hatte sich zu viele Gedanken über das gemacht, was andere über ihn gesagt oder vermeintlich gedacht haben. "Das lenkte mich ab und zog mich nach unten", erzählt Bryant. Er verfüge aber nun über die nötige Lebenserfahrung, "damit mich die Meinungen der Anderen nicht mehr so massiv treffen können."

Der gebürtige Kalifornier ist ein feinfühliger Mensch, empfindsam und verletzlich, ganz anders als seine imposante Erscheinung von 2,11 Metern und sein Spitzname "Big John" vermuten lassen. Er fühlt sich dann am wohlsten und kann seine Stärken voll entfalten, wenn sich das Trikot ein bisschen wölbt. Pesic wollte aus ihm einen Modellathleten formen, aber das ist Bryant nicht, wenn er zu viele Kilos verlor, verlor er auch sich. Er braucht einen Trainer, der Verständnis hat, ihm vertraut und ihm das Gefühl gibt, sich nicht ändern zu müssen. "Ingo Freyer lässt mich so sein, wie ich bin", lobt er den Gießener Cheftrainer.

Valencia trennt sich von ihm, weil er 14 Kilo Übergewicht hat

Bryant fühlt sich in Hessen sogar so verstanden, dass er sich zum besten Spieler in der Basketball-Bundesliga (BBL) aufgeschwungen hat, zumindest sammelt er durchschnittlich die meisten Punkte (19,7) und Rebounds (10,9). "Ich bin der stärkste John, den es je gab", findet er. Die Rückkehr zur alten, stilprägenden Form, die ihn einst zweimal (2012, 2013) zum wertvollsten Spieler der BBL machte, ist eine der erstaunlichsten Geschichten in dieser Saison. Bryant war vom Radar verschwunden, er tauchte in keinem Notizbuch der Klubscouts mehr auf, nachdem ihn der spanische Erstligist Valencia im Herbst 2016 nach nur zwei Spielen hinausgeworfen hatte, weil er 14 Kilo Übergewicht mit sich schleppte. Bryant war plötzlich schwer vermittelbar, weil ihn das Stigma des fehlenden Arbeitsethos kennzeichnete.

Also kehrte er nach München zurück, es war mehr eine Flucht nach Hause zu seinen Liebsten, zu seiner Freundin und seinem Sohn, beim damaligen Fünftligisten BC Hellenen trainierte er mit, weil er einen Spieler kannte. Es war das vorzeitige Ende einer Karriere, die bis dahin nur eine Richtung kannte: nach oben. 2014 gewann er mit dem FC Bayern die Meisterschaft und spielte in der höchsten Basketballliga in Europa, der Euroleague. Und nun plötzlich Amateurklasse. Gespielt hat er für die Hellenen nie, "ich hatte immer daran geglaubt, dass ich wieder eine Chance bei einem Profiklub bekomme", sagt Bryant heute. Doch nachdem ein neuerliches Engagement beim AS Monaco nach zwei Monaten wieder vorzeitig geendet hatte, blieben für ihn noch zwei Optionen: Er hört auf - oder er schindet sich für seine letzte Chance. Er entschied sich für die zweite Variante, "weil ich für den Ruhestand noch nicht bereit war". Mit einem Fitnesstrainer arbeitete er daran, dass er sich wieder den 130 Kilogramm annäherte, seinem Wohlfühlgewicht.

Dass seine Geschichte nun doch noch zu einem Happy End führen könnte, liegt auch an der Weitsicht von Freyer. Es war ein Wagnis, als er Bryant im Herbst 2017 verpflichtete, aber eines, das sich bezahlt gemacht hat. Gießen, der ewige Abstiegskandidat, zählt plötzlich zu den Überraschungsteams und hat beste Chancen, in die Playoffs zu kommen. Das liegt vor allem an Bryant, aber nicht nur, wie Freyer hervorhebt. "Wir haben eine ausgeglichene Mannschaft." Aber der Amerikaner ist sein wichtigster Spieler, weil er über besondere Fähigkeiten verfügt. Für seine Größe hat er ein außergewöhnlich feines Händchen, die Zone unter dem Korb ist nicht unbedingt sein bevorzugter Aufenthaltsraum. Er fühlt sich weiter weg wohler, wo er nicht in die harten Zweikämpfe mit den Ellbogen verwickelt wird, sondern die Freiheit für seine Mitteldistanz- und Weitwürfe genießen kann.

Neue Spieler in der Liga, die ihn nicht kennen, unterschätzen ihn leicht. Wenn Bryant über das Feld rennt, sieht das oft so aus, als habe jemand die Slowmotion-Taste gedrückt. Aber man darf seine bisweilen behäbige, fast tapsige Art nicht mit Schläfrigkeit verwechseln. Ihn zeichnet ein untrügliches Gespür für den richtigen Augenblick aus und eine Brutalität, mit der er auch seine Mitspieler verblüfft, wenn er gerade noch teilnahmslos in der Zone stand, fast wie ein Krokodil, das scheinbar träge im Schlamm liegt und - wenn die Beute in Reichweite ist - blitzschnell und mitleidslos zuschnappt.

Bald schon wird der Amerikaner den deutschen Pass erhalten

Viel wichtiger, sagt John Bryant, als Titel oder das große Geld, sei ihm mittlerweile , "Spaß zu haben". Aber die ganze Wahrheit ist das nicht, wie er nach ein paar Sekunden des Nachdenkens zugibt. Es reize ihn schon, noch einmal in der Euroleague aufzulaufen. "Das ist ein Ziel." Die NBA war dagegen nie ein Sehnsuchtsort für ihn. Zu schrill, zu laut, zu athletisch. "Mein solides Spiel passt am besten nach Europa."

Deshalb wird er auch schon bald seinen deutschen Pass erhalten, er dürfte dann auch für die Nationalmannschaft auflaufen, "es wäre eine große Ehre", sagt John Bryant, der natürlich die Spiele in der WM-Qualifikation verfolgt hat, in der die deutschen Auswahl am Montag gegen Estland 87:70 gewann und die Chance auf den Gruppensieg wahrte. Mit Bundestrainer Henrik Rödl hat er sich schon unterhalten, aber noch nicht über einen möglichen Einsatz bei der WM im Sommer in China. John Bryant will alles in Ruhe auf sich zukommen lassen, er ist endlich bei sich angekommen.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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