Süddeutsche Zeitung

Basketball in der NBA:Hartenstein darf unter Kraftprotze

  • Basketballer Isaiah Hartenstein wechselt in die NBA zu den Houston Rockets.
  • Dort gelangt er in ein Team, das bei gutem Saisonverlauf um die Meisterschaft mitspielen könnte.
  • Der 20-Jährige ist einer von vielen deutschen Basketballern, die neuerdings in den USA auf sich aufmerksam machen.

Von Jonas Beckenkamp

Als die Sache mit den Houston Rockets eingetütet war, hat Isaiah Hartenstein erst einmal ein paar Nachrichten auf seinem Handy bekommen. Eine erreichte ihn von Dennis Schröder, seinem NBA-Kollegen, den er aus der Nationalmannschaft kennt. NBA, Nationalteam, Houston - es tut sich gerade einiges im Leben des Basketballers Hartenstein, dabei ist er vor kurzem erst 20 Jahre alt geworden. In dem Alter unterschreiben andere höchstens mal eine Immatrikulation an der Uni oder einen Ausbildungsvertrag.

Hartenstein, der Junge aus dem Artland in Niedersachsen, unterschrieb Ende Juli einen Kontrakt in der besten Basketballliga der Welt. Er ist jetzt ganz offiziell Mitspieler von James Harden und Chris Paul. Wer ab und zu mal beim Basketball reinzappt, kennt natürlich den Rauschebart Hardens und die Zuckerpässe des Spielmachers Paul. Isaiah Hartenstein kennt beide jetzt persönlich. Er sagt: "Sie sind ganz normale Typen."

Dass ein junger deutscher Riese (Hartenstein misst 2,13 Meter) in die NBA wechselt und über seine berühmten Teamkameraden plaudert, ist noch immer eine Besonderheit. Doch in den vergangenen beiden Jahren sind es mehr geworden, genauer gesagt: So viele wie nie zuvor. Hartenstein firmiert aktuell als einer von sieben Deutschen mit gültigen Arbeitspapieren in der National Basketball Association und er ist noch nicht mal der jüngste. Dirk Nowitzki, 40, und Maxi Kleber, 26, in Dallas, Moritz Wagner, 21, und Isaac Bonga, 18, bei den LA Lakers, Schröder, 24, in Oklahoma und Daniel Theis, 26, in Boston - diese Liste bestätigt einen Trend, der immer offensichtlicher wird: Der deutsche Basketball produziert plötzlich richtig gute Spieler.

Ein "großartiges Gefühl" sei es, dass er jetzt in der NBA dazu gehört, erzählt Hartenstein mit norddeutschem Nuscheln. Ihm ist anzumerken, dass er immer noch ein wenig geplättet ist vom Einstieg in die neue Glitzerwelt, vom Umzug mit Sack und Pack, der gerade über die Bühne geht. "Dass ich dort jetzt spielen kann, ist natürlich ein Traum." Zwei Jahre sind ihm laut Vertrag erst einmal garantiert in Houston, ein drittes könnte folgen. Genug Zeit, um sich Minuten im 15er-Kader zu erkämpfen - die braucht er, um zu lernen, um besser zu werden. Hartenstein hat ein paar entscheidende Vorteile, die etwa Dennis Schröder oder Dirk Nowitzki bei ihrer Ankunft in den USA nicht hatten. Sie plumpsten in ihrem ersten Jahr erst einmal in ein Loch.

Hartenstein kennt das Leben drüben bereits, weil er im Bundestaat Oregon geboren wurde und erst später mit seiner Familie nach Deutschland umsiedelte. Sein Vater Florian spielte selbst Basketball, nach seiner Zeit am College in Eugene wurde aus ihm ein solider Bundesligaprofi. Heute berät er seinen Sohn in sportlichen Fragen - während die Mutter, eine Amerikanerin, aktuell mit Isaiah die Wohnungssuche in Houston organisiert. Auch sportlich könnte ihm der Kulturschock erspart bleiben. Er ist mit dem deutlich kraftprotzigeren amerikanischen Basketball vertraut, seitdem er das vergangene Jahr mit der zweiten Mannschaft der Rockets in der G-League verbrachte. Und noch ein Faktor kommt Hartenstein entgegen: Er gelangt als Rookie direkt zu einem Klub, der vorne mitspielt.

In Houston haben sich die Verantwortlichen ein mehr als ordentliches Team gebastelt. Vergangene Saison fehlte nicht viel zum Finaleinzug, jetzt mutste man zwar Flügelspieler Trevor Ariza ziehen lassen, dafür könnte aber ein anderer bekannter Name kommen: Carmelo Anthony. Sollten sich die Gerüchte um seine Verpflichtung in den nächsten Tagen bestätigen, hätten die Rockets erneut einen Kader für einen weiten Playoff-Run beisammen. "Ich bin richtig froh, bei einer so guten Mannschaft zu sein", sagt Hartenstein, "klar ist da auch Geduld gefragt, aber ich kriege bestimmt meine Chancen." Als Center oder großer Flügelspieler kann er darauf hoffen, dass neben dem alternden Brasilianer Nenê und dem Schweizer Energiebündel Clint Capela unter den Körben Arbeit für ihn abfällt.

Aber nicht nur da, denn Hartenstein ist ein Spieler modernster Prägung - ein sogenannter "Stretch Four", der mit seiner Vielseitigkeit auf dem Parkett Räume schafft. "Ich kann außen und innen spielen", erzählt Hartenstein, "das ist gewiss ein Vorteil. Wichtig ist, sich schnell zu einzugewöhnen." Auch wenn er erst 20 und ein Einsteiger ist: Allein zum Handtuchschwenken von der Bank tritt er nicht in Texas an. "Gegen die Superstars in der Defensive dagegen zu halten, wird sicher nicht einfach, aber ich fühle mich bereit." Vielleicht ist das Gewühle und Geschubse in der Abwehr auch gar nicht so entscheidend, denn die Rockets zelebrieren unter ihrem Coach Mike D'Antoni lieber ihr Dunk -und Dreierspektakel.

Hartenstein ist mit seinen langem Armen und seinem Spielverständnis dafür bestens ausgebildet, auch ein paar Muskeln hat er sich inzwischen antrainiert. Er durchlief das Jugendprogramm beim TSV Quakenbrück, spielte unter seinem Vater als Coach in der Jugend-Bundesliga und später, als 16-Jähriger, auch in der BBL. Über ein Ausbildungsjahr beim litauischen Topklub Zalgiris Kaunas führte sein Weg schließlich in die USA. Am Ende ist sein Aufstieg natürlich ein Produkt, das sich aus Talent und Schweiß in der Trainingshalle ergibt. Hartenstein findet: "Man muss viel opfern, ich konnte zum Beispiel früher nie viel mit Freunden machen, sondern habe immer trainiert."

Doch die neue deutsche Welle in der NBA liegt eben auch an einer verbesserten Jugendförderung in Deutschland - und an geschickten Karriereplanungen, die Nachwuchsspielern das beste aus der Welt des Basketballs angedeihen lassen. Auch Maxi Kleber (Würzburg, Spanien, München), Moritz Wagner (Alba Berlin) oder neuerdings Isaac Bonga (Fraport Skyliners) starteten einst bei deutschen Vereinen, ehe sie Amerika lockte. Und vielleicht bevölkern bald noch mehr Deutsche die Glitzerparkette der NBA. Die U20 des DBB gewann soeben Bronze bei der Europameisterschaft - selbst ohne ihre eigentlich noch spielberechtigen USA-Legionäre.

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