Süddeutsche Zeitung

Basketball:Frust in Freak City

Lesezeit: 3 min

Bamberg bekommt von Alba Berlin im Pokal-Halbfinale in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass es nicht mehr zur deutschen Spitze gehört. Das Publikum äußert deutlich seinen Unmut.

Von Felix Haselsteiner

Für einen kurzen Moment brandete in der Brose-Arena lauter Jubel auf, es wurde applaudiert, gejohlt, manch einer erhob sich gar von seinem Sitz. Es war eine eines Pokal-Halbfinals würdige Stimmung in der Bamberger Halle, als Tobias aus Nürnberg sich an der Dreierlinie ein Herz fasste: Sein Wurf landete perfekt in den Maschen, und weil keiner der Zuschauer offensichtlich mit einem solchen Kunstwurf des jungen Franken gerechnet hatte, war die Überraschung wie auch der Jubel danach umso größer. Tobias bekam zur Belohnung ein orangenes Mountainbike überreicht, winkte einmal freundlich in die nach wie vor applaudierende Halle und schob seinen Gewinn vom Parkett.

Dann ertönte die Sirene, die das Ende des Timeouts im dritten Viertel ankündigte, in dem die Bamberger Fans für eine knappe Minute das Basketballspiel, wegen dem sie eigentlich da waren, vergessen hatten. Kurz kehrte mit der Sirene eine ernüchterte Stille ein, denn außer Tobias' Dreierwurf gab es für die Fans der so genannten "Freak City" nichts zu bejubeln.

Bamberg kann derzeit nicht über 40 Minuten auf dem Niveau eines Euroleague-Teams mitspielen

66:82 unterlag Brose Bamberg im Pokal-Halbfinale Alba Berlin und verpasste damit den zweiten BBL-Pokal-Finaleinzug in Folge. Viel bedrückender dürfte allerdings sein, dass die Bamberger von Alba in aller Deutlichkeit aufgezeigt bekamen, dass sie im Moment nicht mehr zur deutschen Basketball-Spitzengruppe gehören, zu der sie sich immer gerne gezählt haben. Für eine Analyse dessen, was eben passiert war, musste man nach dem Spiel eigentlich nur Alejandro Garcia Reneses zuhören, dem Trainer von Alba Berlin: "Für Bamberg war es viel schwieriger, das Niveau der ersten Halbzeit zu halten als für uns", sagte Reneses und fasste damit die Problematik, die zu der klaren Niederlage für Brose führte, in einem Satz zusammen: Bamberg kann derzeit vielleicht über 20 oder 30, nicht aber über 40 Minuten auf dem Niveau eines Euroleague-Teams mitspielen.

Dass Brose nicht komplett chancenlos ist, war in der ersten Hälfte zu sehen. Von Anfang an entwickelte sich ein abwechslungsreiches, intensives Spiel, in dem sich keine der beiden Mannschaften wirklich absetzen konnte. Bryce Taylor brachte seiner Mannschaft vor allem im zweiten Viertel wichtige Punkte aus der Distanz, seine starke Quote von 83 Prozent Dreierwürfen ließ Berlin bis zur Halbzeit auf nur sechs Punkte davonziehen, der 36:42-Rückstand war aus Bamberger Sicht durchaus in Ordnung. "Gerade offensiv haben wir uns in der ersten Halbzeit gute Chancen erarbeitet", bilanzierte Bambergs Trainer Roel Moors. Dann jedoch folgte ein Einbruch, der in dieser Form auch für Moors schwer zu erklären war. Die Bamberger wirkten ab der ersten Minute des dritten Viertels komplett überfordert, kamen in der Defensive Wurf für Wurf mehr unter Druck und konnten offensiv nicht mehr mithalten.

Alba machte gar nicht viel anders als in der ersten Hälfte, profitierte aber immer wieder von Fehlern der Heimmannschaft, bei der sich selbst die Leistungsträger wie Louis Olinde Aussetzer erlaubten und Bälle verloren. Der starke Rokas Giedraitis (16 Punkte) traf bei den Berlinern dafür besonders gut, seine Dreier-Würfe flogen genauso präzise in den Korb wie die von Niels Giffey (13 Punkte) und Peyton Siva (10 Punkte). 7:28 lautete das desaströse Viertelergebnis aus Sicht der Bamberger, das Spiel war damit schon zehn Minuten vor Schluss (43:70 verloren). Die Fans quittierten es mit einem Pfeifkonzert.

"Wir müssen unsere Fans in den nächsten Spielen wieder zurückgewinnen", sagt Taylor

"Wir hatten vor dem Spiel über drei Berliner Stärken gesprochen, die wir kontrollieren wollten: Ihren Übergang von der Defensive in die Offensive, ihre Bewegungen ohne Ball und ihre Offensiv-Rebounds. Nichts davon konnten wir umsetzen", sagte Moors und betonte, dass man nicht einmal den kleinen Vorteil habe nutzen können, den man gegen Euroleague-Mannschaften habe: "Eigentlich haben sie den schwereren Spielplan als wir, aber trotzdem haben sie deutlich aggressiver gespielt. Das ist inakzeptabel." Dass das Ergebnis nicht noch deutlicher ausfiel, lag auch an den Berlinern, die im Schlussviertel nach einer 33-Punkte-Führung (46:79) viel wechselten und Bamberg wieder etwas mehr Luft ließen - das 23:12 für Brose in den letzten zehn Minuten korrigierte lediglich das Ergebnis, die Zuschauer pfiffen aber auch nach Abpfiff noch einmal, so laut wie seit langem nicht.

Bei Bryce Taylor hinterließ das durchaus Spuren: "Das tut weh, aber ich kann verstehen warum", sagte der beste Bamberger (15 Punkte) nach dem Spiel: "Für uns war das heute eine große Chance, aber so eine Leistung ist sehr enttäuschend." Die Bamberger haben, das zeigte die Partie, viel Aufholbedarf, um mittelfristig im deutschen Basketball wieder eine wichtige Rolle zu spielen. Taylor beschäftigte jedoch eher die kurzfristige Aufgabenstellung: "Wir müssen unsere Fans in den nächsten Spielen wieder zurückgewinnen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4755034
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.