Süddeutsche Zeitung

Basketball:Früher war alles besser

"Spieler und Trainer müssen jetzt liefern", sagt Marko Pesic, der Geschäftsführer des FC Bayern, vor den wegweisenden Partien in der Euroleague.

Von Ralf Tögel

In der Welt der Basketballer des FC Bayern München sind vier Tage momentan eine enorme Zeitspanne. So lange nämlich hatten sie Zeit, sich auf die Euroleague-Partie an diesem Freitagabend (20.30 Uhr) gegen den russischen Vertreter Zenit St. Petersburg vorzubereiten. Üblicherweise muss der deutsche Meister im Zweitagesrhythmus antreten, da er neben dem internationalen Geschäft auch noch den Bundesligaalltag zu bewältigen hat. National läuft es nach Wunsch, die Bayern sind unbesiegter Tabellenführer, in der Euroleague ist der Blick auf die Tabelle weniger erbaulich: Rang 16 im Feld der 18 Teams, zwei Plätze hinter dem Bundesliga-Konkurrenten Alba Berlin und somit auch hinter dem eigenen Anspruch. Um den achten Platz zu erspähen, der für die Teilnahme an der K.-o.-Runde notwendig ist, benötigt man schon fast ein Fernglas. Eine Momentaufnahme, sagt Marko Pesic, der Geschäftsführer der Münchner Basketballer.

"Wir haben in den vergangenen eineinhalb Saisons konstant gute Leistungen gebracht", sagt Pesic

Natürlich wolle er nichts schönreden, und ja, der November sei "sehr schlecht" gewesen. Zur Rechtfertigung der sportlichen Bilanz lässt er seinen Blick in die Vergangenheit schweifen. Da habe man gute Ergebnisse erzielt, findet Pesic. Im Oktober zum Beispiel, mit dem Kantersieg gegen Villeurbanne (104:63) oder dem Triumph über Titelverteidiger Real Madrid (95:85). Und überhaupt: "Wir haben in den vergangenen zwei Saisons konstant gute Leistungen gebracht." Pesic meint die 14 Euroleague-Siege der vergangenen Saison, kein deutsches Team war je besser. Auch in der laufenden Spielzeit habe man bewiesen, dass "wir konkurrenzfähig sind", nicht nur gegen Villeurbanne, auch bei Erfolgen gegen Mailand (78:64) und Piräus (85:82), alles besser platzierte Konkurrenten. In der Basketball-Bundesliga (BBL), dem Lohn-und-Brot-Geschäft, sind die Bayern sowieso vorne. Alles gut also?

Nicht so ganz. Zuletzt gab es ja die Klatschen bei Efes Istanbul (75:104) und Maccabi Tel Aviv (55:77), die den Münchnern vor Augen führten, wie weit sie derzeit von Europas Spitze entfernt sind. Darüber hinaus ist ihnen eine anhaltende Auswärtsschwäche zu attestieren, bislang gab es nur klare Niederlagen, selbst in Valencia (56:82). Bei einem jener Teams also, das im Gegensatz zu Istanbul, Moskau oder Tel Aviv nicht prominenter besetzt ist als der FC Bayern. Zwar hat die gesamte Liga qualitativ einen Sprung nach vorne gemacht, die Topteams bedienen sich zunehmend aus der NBA, doch gilt das auch für den deutschen Meister. Center Greg Monroe und Paul Zipser (mit kurzer Zwischenstation) sind NBA-Zugänge, die erprobten Euroleague-Routiniers wurden gehalten und die zweite Garde qualitativ deutlich aufgewertet. Doch selbst der jüngste Sieg in der BBL dürfte Pesic zu denken geben: Distanzschütze Petteri Koponen brachte diesen per Buzzer Beater ins Ziel, der Wurf rauschte also mit der Schlusssirene gegen den abstiegsgefährdeten Tabellenfünfzehnten Göttingen zum 82:81 durch den Korb. Stecken die Bayern in einer Krise?

Pesic winkt ab. Man dürfe schon davon ausgehen, dass ihm die jüngsten Leistungen nicht entgangen sind, "wir haben ein paar Wochen nicht gut gespielt, das muss man eingestehen". Aber von Nachverpflichtungen will er weiterhin nichts hören. Zum einen stehen acht Ausländer im Kader, zwei müssen in der BBL pausieren, weil dort höchstens sechs erlaubt sind. Zum anderen entspannt sich die Verletztensituation. Am Freitag schon könnte der ebenfalls NBA-erfahrene Josh Huestis aufs Parkett zurückkehren, der in der Vorbereitung einen starken Eindruck hinterließ, sich dann verletzte und noch kein Pflichtspiel bestritten hat. Zum Euroleague-Gastspiel am kommenden Mittwoch bei Alba Berlin sollten auch der schmerzlich vermisste Nihad Djedovic sowie Leon Radosevic wieder fit sein; der mit vielen Vorschusslorbeeren nach München gewechselte T. J. Bray wird zum Jahresende zurückerwartet. Verletzungspech und ein brutaler Spielplan - das ist ein Mix, der Coach Dejan Radonjic aus der Debatte nimmt. Jedenfalls beteuert Pesic, keine Sekunde über einen Trainerwechsel nachgedacht zu haben.

Der FCB-Geschäftsführer weiß aber auch um die Erwartungen, die nicht zuletzt die Erfolge des Vorjahres geschürt haben. Pesic selbst äußerte das Vorhaben, mit Fertigstellung der neuen Halle im Jahr 2021 zum erlauchten Kreis der besten acht europäischen Teams zu zählen - mindestens. Stand jetzt, ein langer Weg. Doch schon die beiden nächsten Spiele, also gegen St. Petersburg, das hinter den Bayern steht, und Berlin, das nach Münchner Selbstverständnis dorthin gehört, könnten das Tableau deutlich freundlicher gestalten. Vom angestrebten achten Platz trennen die Münchner nur zwei Siege. Aber: "Spieler und Trainer müssen jetzt liefern", stellt Pesic klar. Gegen die Russen, in deren Reihen der ehemalige Münchner Spielmacher Alex Renfroe die Fäden zieht und der zweimalige Euroleague-Champion Gustavo Ayon unter dem Korb steht (kam aus Madrid), zählt nur ein Sieg. Dass die Partie in Berlin ebenfalls in diese Kategorie fällt, muss man nicht erst erwähnen. Freitag in einer Woche bereits gastiert Titelfavorit Barcelona, gegen den man befreit aufspielen könne. Im Vorjahr gelang gegen das Team von Ex-Coach Svetislav Pesic ein Überraschungscoup - Koponen traf per Buzzer Beater.

Barcelona ist noch kein Maßstab, der zur Saisoneinordnung taugt, das BBL-Spiel in Gießen und die Euroleague-Partie danach zu Hause gegen Kaunas dagegen sehr wohl. Erfolge sind auch da zu empfehlen, sonst dürfte dem schwachen November ein ungemütlicher Dezember folgen.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2019
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