Süddeutsche Zeitung

Final Four:Bayerns erster bedeutender Sieg der Saison

Die Münchner schlagen nach einer bisher sehr durchwachsenen Saison im Pokal-Halbfinale den Rivalen Alba Berlin. Trainer Trinchieri überrascht sowohl mit dem Personal als auch mit der Taktik.

Von Christoph Leischwitz

Der Druckabfall nach dem Spiel zeigte sich weniger in Jubelarien bei den Basketballern des FC Bayern, er war vielmehr herauszuhören aus kleinen, scheinbar nebensächlichen Bemerkungen. Andreas Obst etwa sagte nach dem ersten wirklich bedeutenden Sieg der Saison, dass "es viele nicht erwartet haben oder eher gegen uns waren". Es war nur das Halbfinale des BBL-Pokals, das die Bayern am Samstagabend in Oldenburg spielten, aber es ging nun mal gegen die zurzeit beste Mannschaft Deutschlands, den Titelverteidiger: Alba Berlin.

Am Dienstag hatten die Bayern im Bundesliga-Alltag gegen die Hamburg Towers phasenweise fast Arbeitsverweigerung gezeigt, 80:93 endete das Spiel. Am Samstag nun konnte Trainer Andrea Trinchieri auf zahlreiche Stammspieler zurückgreifen, die zuvor noch verletzt gefehlt hatten. Doch darauf allein verließ er sich nicht. In einem Duell zweier Teams, die sich beide sehr gut kennen, erfand er in wenigen Tagen seine Mannschaft auch ein kleines bisschen neu.

Die Bayern gewannen verdient 83:77, weil sie diesmal wieder konsequente Abwehrarbeit leisteten, und weil sie den Gegner mit ihrer Spielweise überrascht hatten. Zumindest lang genug, um dann in einer oft zerfahrenen zweiten Halbzeit den Vorsprung ins Ziel zu retten. Der Titelverteidiger ist bezwungen, im Finale am Sonntag um 15 Uhr treffen sie auf den Top-Four-Ausrichter EWE Oldenburg, der wenige Stunden vorher die Riesen aus Ludwigsburg 92:86 bezwang.

Vor dem Spiel war auch schon bei den Verantwortlichen im Verein herauszuhören gewesen, wie groß der Druck ist. Bayerns Sportdirektor Daniele Baiesi gab bei Magentasport ein Interview, in dem er betonte, nicht so sehr mit dem Schicksal hadern zu wollen, es aber dann doch mehrmals tat. Sowohl unter den Kommentatoren als auch in den sozialen Medien gab es danach kritische Stimmen bezüglich Baiesis Erwähnungen des Bayern-Spielers Paul Zipser, der zurzeit kaum zum Einsatz kommt. Der Italiener hatte die Erkrankung des 29-Jährigen im Zusammenhang damit erwähnt, dass sich die Kaderplanung in den vergangenen zwei Jahren schwierig gestaltet habe. Im Juni 2021 musste Zipser wegen einer Hirnblutung operiert werden, erst im März 2022 konnte er wieder spielen - zurzeit sitzt Zipser auffallend häufig nur auf der Bank, obwohl er im Kader steht.

Was dann das Spiel gegen Alba anging, hatte Obst recht: In Oldenburg waren die meisten Zuschauer in Gelb gekleidet, Oldenburger wie Berliner Zuschauer, es war ganz klar ein Auswärtsspiel. Beim Einlaufen wurde bei einem Namen besonders viel gebuht: Der Münchner Kapitän Obst ist für die Hauptstädter so etwas wie ein rotes Tuch. Schon allein wegen des Pokalfinales 2021, das die Bayern gewannen. Es lag aber vielleicht auch ein wenig empörte Überraschung in diesen Rufen, denn mit Vladimir Lucic hatte man in diesem Halbfinale nicht rechnen müssen. Noch am Mittwoch hatte Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic angesichts der Verletztensituation im Kader gesagt: "Ich weiß nicht, wer alles spielen wird, ich weiß nur, dass Vladimir Lucic sicher nicht dabei ist." Bluff oder Wunderheilung also.

Lucic fiel lange mit einer Ellbogenverletzung aus

Nicht geblufft hatte vor dem Spiel Trinchieri. Der hatte nämlich beim übertragenden Sender Magentasport nicht weniger als einen radikalen Taktikwechsel seines Teams angekündigt. "Wir wollen nicht nur ihr Spiel verlangsamen, wir wollen auch mit ihnen rennen" - Alba gilt als Mannschaft, die tendenziell schnell zum Korb zieht, die Bayern lassen gerne öfter die Wurfuhr herunterlaufen. Diesmal allerdings nicht. Als Alba noch keinen einzigen Punkt via fast break geholt hatte, waren bei den Bayern damit schon sieben Mal erfolgreich.

Durch das variable Spiel und eine höchst aufmerksame Verteidigung wirkten die Bayern phasenweise sogar dominant. Trotzdem kamen die Berliner vor der Pause noch bis auf zwei Punkte heran. Lucic war indes die fehlende Spielpraxis anzumerken, er hatte sich kurz vor Weihnachten einen Bänderriss im Ellenbogen zugezogen und zog vor der Pausensirene obendrein sein drittes Foul. Es schien aber bedeutend zu sein, dass der 33-jährige Serbe als Ersatzspieler immer wieder demonstrativ die Faust ballte und seine Mitspieler anfeuerte - der Chef war wieder da, und er leistete seinen Beitrag.

Oldenburg hat im Finale Heimvorteil

In der zweiten Halbzeit spielten die Bayern vornehmlich wieder ihr eigenes Tempo, Berlin wurde nun wieder verstärkt ausgebremst, auch mithilfe zahlreicher Fouls. Die Defensivarbeit des über den gesamten Abend besten Bayern-Spielers Freddie Gillespie und die Offensivarbeit von Cassius Winston machten in der Schlussphase den Unterschied.

Das Finale wird noch mehr Auswärtsspiel, auch wenn es am späten Nachmittag lange nicht so aussah, dass die heimischen Oldenburger siegreich vom Parkett gehen könnten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit lagen sie kurz mit 16 Punkten zurück, dann aber zeigte die Mannschaft von Pedro Calles plötzlich konsequentes Abwehrverhalten. Angeleitet vom 1,80 Meter kleinen, aber gegen Ludwigsburg überragenden Dewayne Russell (26 Punkte, 8 Assists), drehten die Gastgeber mithilfe die frenetischen Publikums die Partie. Russell bekam in den 40 Minuten aber auch nur auf 2:40 Minuten Pause, ob er die Niedersachsen 23 Stunden später gegen Bayern ebenso anführen kann, erscheint zumindest fraglich. Sicher ist aber, dass die Bayern in diese Partie wieder als Favorit gehen werden.

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SZ/schm/cca
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