Basketball:Wenn der FC Bayern Deutschland kommt

Basketball: Niels Giffey (am Ball) ist einer von mittlerweile zahlreichen einheimischen Profis bei den Bayern-Basketballern - er stammt aus Berlin.

Niels Giffey (am Ball) ist einer von mittlerweile zahlreichen einheimischen Profis bei den Bayern-Basketballern - er stammt aus Berlin.

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Giffey, Bonga, Zipser und einige andere: Die Fraktion deutscher Basketballer wird immer größer in München. Der Klub verfolgt damit einen Plan - doch Trainer Trinchieri hat seine ganz eigenen Wünsche.

Von Ralf Tögel

Während die Fußballer des FC Bayern nach der verkorksten Weltmeisterschaft gerade in einer besonders langen Winterpause stecken, bleibt den Kollegen der zweiten Profiabteilung nicht einmal in diesen besinnlichen Tagen Zeit für ein kurzes Luftholen. Am Freitag gastieren die Münchner Basketballer in der Euroleague beim litauischen Meister Zalgiris Kaunas, am 27. Dezember geht es in der Basketball-Bundesliga (BBL) nach Heidelberg, am 29. wird das Jahr mit der Partie bei Partizan Belgrad abgeschlossen.

Trainer Andrea Trinchieri ist deshalb schon froh, dass seine Spieler den zweiten Weihnachtsfeiertag mit den Familien verbringen können, sein Wunsch für das kommende Jahr fällt entsprechend aus: "Ich wünsche mir nur, dass alle Spieler und ihre Familien gesund bleiben, nichts anderes."

Die Zwischenbilanz liest sich zumindest in der BBL ganz ordentlich. In der Bundesliga steht der FCB nach Auswärtsniederlagen in Hamburg und Bonn auf Rang drei, mit Tuchfühlung zu Spitzenreiter Bonn und dem Zweiten Berlin, die jeweils ein Spiel weniger verloren haben. In der Euroleague rangiert der FCB nur auf Position 16, allerdings ist das Klassement sehr eng: Zu Rang acht, der die Playoff-Teilnahme bedeutet, fehlen nur zwei Siege. Priorität hat die deutsche Meisterschaft, nach drei Spielzeiten des Darbens, letztmals holten die Münchner den Titel 2019.

Und die Chancen scheinen gut zu sein, denn nie zuvor war der FC Bayern auf den Positionen der deutschen Spieler so gut besetzt wie in dieser Saison. Im gemeldeten Zwölferkader eines Bundesligisten sind sechs deutsche Spieler vorgeschrieben, das war in den vergangenen Spielzeiten die Achillesferse der Münchner. Und ein Grund, warum Hauptkonkurrent Alba Berlin dreimal in Serie im Titelkampf die Nase vorne hatte.

Die Bayern-Basketballer könnten jederzeit ein deutsches Team aufs Feld schicken

Diesen Malus haben die Kaderplaner an der Isar ins Gegenteil gewendet. Im eingebürgerten Nick Weiler-Babb, Andreas Obst und Niels Giffey stehen drei aktuelle EM-Bronzemedaillengewinner auf dem Parkett. Giffey, der vom spanischen Erstligisten Murcia kam, ist ein Glücksfall, für den 31-Jährigen wurde nach dem überraschenden Abschied von Zan Mark Sisko ein Platz frei. "Wir haben sehr viel Qualität auf den deutschen Positionen", bestätigt Giffey, "so viele gute deutsche Spieler in einer Mannschaft sind etwas Besonderes".

Zudem stehen in Isaac Bonga und Niklas Wimberg zwei weitere Nationalspieler im Kader, die bei Olympia in Tokio, als Deutschland das Viertelfinale erreichte, Aufsehen erregten. Der erst 23-jährige Bonga, der von den Los Angeles Lakers kam, gilt als Spieler der Zukunft. Dazu kommen zwei ehemalige Nationalspieler: Paul Zipser, 28, der nach seiner Gehirn-OP zusehends zu alter Stärke findet und schnell wieder eine Alternative für Bundestrainer Gordon Herbert werden könnte, sowie der 33-jährige Routinier Elias Harris. Somit kann Trinchieri eine Auswahl mit Euroleague-Qualität ausschließlich aus deutschen Kräften aufs Feld schicken - einen FC Bayern Deutschland sozusagen.

Und auch die ausländischen Akteure sind von hoher Qualität: Vladimir Lucic und Ognjen Jaramaz sind serbische Nationalspieler, Othello Hunter, 36, Augustine Rubit, 33, und Corey Walden, 30, international erfahren. Bleiben die beiden neuen US-Amerikaner Cassius Winston, 24, und Freddie Gillespie, 25. Sie besetzen die Plätze von Deshaun Thomas (31, zu Olimpia Milano) und Darrun Hilliard (29, zu Maccabi Tel Aviv), die lukrative Angebote der finanzstarken Euroleague-Konkurrenten annahmen.

Basketball: Cassius Winston (li.) und Freddie Gillespie sind die beiden neuen US-Amerikaner im Team der Bayern.

Cassius Winston (li.) und Freddie Gillespie sind die beiden neuen US-Amerikaner im Team der Bayern.

(Foto: Ulrich Gamel/Kolbert-Press/Imago)

Winston und Gillespie sind Novizen auf europäischer Ebene und müssen sich erst an den sehr physischen Spielstil gewöhnen. Trainer Trinchieri mahnte vor Saisonbeginn, dass diese Verpflichtungen auch schief gehen könnten. Das ist offensichtlich nicht der Fall: Spielmacher Winston verzettelt sich zwar noch oft in Einzelaktionen, hat aber in der BBL und der Euroleague bewiesen, dass er Spiele entscheiden kann. Gillespie, bei dessen Spannweite man den Eindruck gewinnen kann, er könne sich die Schuhe im Stehen binden, ist zumindest defensiv bereits ein Faktor. Der Center ist bester Rebounder der Bundesliga und blockt die fünftmeisten Würfe. Offensiv hat er noch Anpassungsprobleme, zeigt aber mit steigendem Selbstvertrauen auch steigende Leistungen. Zudem profitiert Center-Kollege Hunter von der Entlastung unter dem Korb.

In Summe sind das Nachrichten, die der BBL-Konkurrenz Sorgenfalten auf die Stirn treiben sollten, allein das Zusammenspiel des Münchner Teams befindet sich nach wie vor in der Findungsphase. "Ich glaube, man sieht langsam, dass es von Spiel zu Spiel besser wird und wir eine bessere Teamchemie auf dem Platz finden", sagt Elias Harris, "alle lernen sich besser kennen, jeder weiß, was der andere kann, wer wie spielt. Ich denke schon, dass ein Aufwärtstrend zu erkennen ist." Das Wichtigste sei indes, dass "wir trotz der Rückschläge bereit sind zu arbeiten, Tag für Tag, und das sind wir". Wofür der Trainer schon Sorge tragen werde.

Trinchieri klagt zwar über den "verrückten Spielplan" und die fehlende Vorbereitung, sieht aber ebenfalls Fortschritte: "Wir werden unser Spiel weiter anpassen, wir spielen jetzt schneller, werfen öfter und ziehen das Spiel in die Breite." Sein Ziel seien schnelle Abschlüsse und mindestens 30 Dreierwürfe pro Spiel, das versuche er gerade "zu implementieren".

Weiter will er derzeit nicht denken. Denn neben der Feinabstimmung, die sein Team im laufenden Spielbetrieb finden muss, machen der Mannschaft Verletzungen zu schaffen. Jüngst hat sich Isaac Bonga am Knöchel wehgetan, der Guard reist angeschlagen nach Kaunas. Lucic und Rubit fehlen ohnehin und zu allem Überfluss hat sich im Abschlusstraining Andreas Obst am Ellbogen verletzt und wird einige Wochen fehlen. Derlei hat angesichts des Spielplans sofort signifikante Auswirkungen, erklärt Trinchieri: "Früher hat sich ein Spieler verletzt und ist ein, zwei Spiele ausgefallen. Heute fehlt er in der selben Zeit zehn Spiele." Ein Saisonziel will er daher noch nicht formulieren.

Muss er auch gar nicht. Das macht schon Geschäftsführer Marko Pesic: "Natürlich sind Titel unser Ziel."

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