Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Euroleague:Das Ende einer unglaublichen Reise

Die Basketballer des FC Bayern München verpassen hauchdünn den Sieg gegen Olimpia Mailand und scheiden in der Best-of-five-Serie aus. Das Team hat trotzdem alle überrascht.

Von Ralf Tögel

Der Maestro trug schwarz. Dunkle Hose, dunkler Kapuzenpulli, dunkles Jackett, dazu schlohweißes Haar und noch weißere Sneakers. Der weltberühmte Mailänder Modezar Giorgio Armani hatte sich für ein sportlich elegantes Outfit entschieden, als er in das Mediolanum Forum geeilt war, um sein Investment zu begutachten. Der 86-Jährige ließ es sich nicht nehmen, das entscheidende Spiel seiner Basketballer gegen den FC Bayern München direkt vom Spielfeldrand aus zu verfolgen. Er hat sie ja nicht nur mit Kleidung ausstaffiert, sondern als Geldgeber auch mit einem dem Vernehmen nach fürstlichen Salär. Und wäre Armani trotz seines hohen Alters nicht in offensichtlich bester Verfassung, man hätte angesichts der Dramatik um seine Gesundheit bangen müssen.

Die letzten Sekunden verfolgte nicht nur der Modeschöpfer mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Seine edel besetzte Mannschaft leistete sich nämlich 14 Sekunden vor der Schlusssirene zwei derart haarsträubende Fehler, dass der eigentlich sicher geglaubte Sieg tatsächlich in ernste Gefahr geriet. 78 Sekunden vor Schluss betrug der Vorsprung 12 Punkte, 14 Sekunden vor dem Ende war er auf deren zwei geschrumpft und die Spannung kaum zu überbieten, weil sich Mailands Shevon Shields, mit 34 Punkten bester Akteur des Abends, von Vladimir Lucic den Ball klauen ließ und zu allem Überfluss noch ein Offensivfoul beging.

Doch weder Wade Baldwin noch Paul Zipser trafen ihre Würfe. So siegte der italienische Rekordmeister letztlich hauchdünn mit 82:79 und entschied die Best-of-five-Serie mit 3:2 zu seinen Gunsten. Die unglaubliche Euroleague-Reise der Münchner Mannschaft ist damit beendet.

Niemand hatte die Münchner auf der Rechnung, nun zählen sie zur europäischen Elite

Erneut lieferten die Bayern dem Favoriten einen großen Kampf, erwiesen sich in allen fünf Aufeinandertreffen als gleichwertiger Gegner, dem es letztlich etwas an Wettkampfglück und Abgebrühtheit mangelte. Die Italiener haben fast ausschließlich Akteure in ihren Reihen, die solche mental wie physisch kraftraubenden Playoff-Serien zigmal gespielt haben, viele waren bereits Euroleague-Champion. Als Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic nach der Niederlage vor dem Mikrofon des Senders Magentasport nach Worten der Erklärung rang, brachte er es auf den Punkt: "Die Erfahrung hat heute gesiegt."

Nun reist also Mailand zum Final-Four-Turnier nach Köln, wo sie im Halbfinale auf Barcelona treffen, Efes Istanbul spielt gegen ZSKA Moskau. Drei der vier Viertelfinal-Serien gingen in ein entscheidendes fünftes Spiel, was die Ausgeglichenheit der Euroleague in dieser von der Corona-Pandemie durchgeschüttelten Saison belegt. Den FC Bayern hatte nach dem vorletzten Platz in der Vorsaison keiner auf der Rechnung.

Doch diese neu zusammengestellte Auswahl entpuppte sich bald als große Saisonüberraschung: Bis auf Real Madrid hat der FCB gegen jedes europäische Topteam gewonnen und die Hauptrunde auf dem fünften Platz abgeschlossen - im Übrigen vor den Königlichen. Eine ganze Reihe ehemaliger Euroleague-Champions wie Piräus, Tel Aviv oder Athen haben es erst gar nicht in die Endrunde geschafft.

Das Erfolgsrezept: Hungrige Spieler, ein fordernder Trainer, Kampfgeist und eine gute Teamchemie

Seit der Jahrtausendwende wird die Euroleague nicht mehr von einem Verband organisiert, sondern vereint die kontinentalen Eliteklubs unter dem Dach eines Unternehmens. Was die Qualität auf ein deutlich höheres Niveau geschraubt hat und die Leistung der Bayern nochmals aufwertet. Erst recht, seit 2016 die Hauptrunde wie eine Liga mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Selbst die famose Bamberger Mannschaft, die zwischen 2015 und 2018 drei deutsche Meistertitel sammelte und deren Hauptdarsteller heute in der NBA spielen, hat es nie unter die besten Acht in die K.o.-Runde geschafft. Der Trainer der Oberfranken hieß damals: Andrea Trinchieri.

Der hat nun in München das Gerüst vorgefunden, um diese Marke endlich zu knacken: Ein Kern an Spielern des erfolglosen Vorjahresteams wie Vladimir Lucic, Nihad Djedovic, Paul Zipser, Leon Radosevic oder Zan Mark Zisko wurde gehalten und mit Akteuren wie Jalen Reynolds, Wade Baldwin oder Nick Weiler-Babb verstärkt. Vor allem Spielmacher Baldwin und Center Reynolds erwiesen sich als Glücksgriffe, beide zählten zu den Besten in der Euroleague. Dann wurden noch die erfahrenen D. J. Seeley und James Gist, der einzige im Team, der Playoff-Erfahrung hat, nachverpflichtet - und die Mischung war perfekt: Hungrige Spieler mit Talent und bisher ohne große Erfolge. Daraus formte der fordernde Italiener einen eingeschworenen Haufen, den Kampfgeist und eine gute Teamchemie von Erfolg zu Erfolg trugen. Das letzte Euroleague-Spiel in Mailand stand dabei für die gesamte Saison: "Das war ein sehr herausforderndes Spiel, uns fehlte die Erfahrung, aber wir haben hart gespielt. Wir haben nie aufgesteckt und wenn du dann in so einem Spiel am Ende irgendwie doch die Chance hast, das Spiel zu gewinnen, dann bedeutet das, dass du als Team etwas ganz Spezielles hast", erklärte der Trainer.

Auf die nächsten Herausforderungen muss Trinchieri nicht lange warten, er muss die Enttäuschung schnell aus den Köpfen der Spieler vertreiben. Erst folgen die beiden schweren Abschlussspiele der Bundesliga-Hauptrunde gegen Ulm und Primus Ludwigsburg, dann das Top Four im Pokal (15./16. Mai) im heimischen Audi Dome, danach die Playoffs um die deutsche Meisterschaft. Angesichts der erstarkten und ausgeruhten Konkurrenz in der Bundesliga keine Selbstläufer. Was eine große Gefahr birgt: Gewinnen die Münchner keinen Titel, dann bleibt zwar der größte internationale Erfolg in der Vereinsgeschichte, die Saison würde dennoch zu einer Enttäuschung geraten.

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