Nur die Farbe war anders: Gordon Herbert, 65, erschien mit einem entspannten Lächeln zu seinem ersten Auftritt in neuer Funktion. Der kanadische Basketballtrainer vermittelt stets den Eindruck, dass ihn nichts aus der Reserve locken kann, also saß er da, plauderte über Basketball, Ziele und Visionen sowie seine Mannschaft. Fast wie immer in den vergangenen drei Jahren, wenn er eine Grundsatzerklärung zu bevorstehenden Aufgaben abzugeben hatte. Nur trug er dieses Mal nicht die schwarze Arbeitskluft des Deutschen Basketball Bunds (DBB), sondern das tiefe Rot des FC Bayern München. Er soll auch nicht weitere Medaillen mit dem Nationalteam gewinnen, sondern seinen neuen Verein in die europäische Spitze bringen.
Also lobte der Kanadier seinen neuen Arbeitgeber, der FC Bayern sei eine Weltmarke, ein großartiger Verein, München sei eine tolle Stadt, er fühle sich geehrt, hier Trainer zu sein. Was man eben so am neuen Arbeitsplatz sagt – aber dann erklärte er seine Vision: „Ich will die Meisterschaft verteidigen und ins Final Four der Euroleague.“ Das sind ambitionierte Ziele selbst für einen Klub wie den FCB, gleichwohl decken sie sich mit denen von Geschäftsführer Marko Pesic.

Basketball-Bundestrainer Herbert:"Vertraute sagten mir: Da ist nichts mehr in deinen Augen"
Wie ergeht es erfolgreichen Menschen, wenn sie in ein Loch fallen? Weltmeister-Coach Gordon Herbert erklärt seinen Weg aus einer Depression, was ihm dabei half und wie Basketball den Charakter formt.
Der hatte in der vergangenen Saison eine Ära ausgerufen mit Pablo Laso an der Spitze, Platz 15 in der Euroleague aber war enttäuschend. Der Spanier, der die europäische Krone mit Real Madrid zweimal gewann, ist längst zurück in der Heimat, sein Nachfolger bringt ohnehin größere Meriten an die Isar: Mit EM-Bronze und dem Weltmeistertitel setzte sich der Bundesverdienstkreuzträger ein Denkmal, den vierten Platz bei Olympia in Paris bezeichnete er als „große Enttäuschung“, was seine Ambitionen unterstreicht. Zur Einordnung: In Tokio wurde das Erreichen des Viertelfinales unter seinem Vorgänger Henrik Rödl noch als großer Erfolg gefeiert.
Jetzt ist Herbert zurück im Alltag des Klubtrainers. Er habe es kaum erwarten können, sagte er, auch um Olympia zu vergessen. Gleichwohl sind die Schnittmengen groß, in Niels Giffey, Andreas Obst, Nick Weiler-Babb sowie den Zugängen Oskar da Silva und Johannes Voigtmann steht eine Handvoll Nationalspieler im Kader. Zudem wurden bis auf Isaac Bonga (zu Partizan Belgrad, allerdings vor Herberts Verpflichtung), die Guards Leandro Bolmaro und Sylvain Francisco sowie NBA-Champion Serge Ibaka alle Schlüsselspieler gehalten – unter ihnen der Finals-MVP Carsen Edwards.
Dragan Tarlac ist neuer Sportdirektor, er war zuletzt fürs serbische Nationalteam zuständig
Dass Herbert kaum Erfahrung in der Euroleague hat, sieht er dem Vernehmen nach nicht als Malus, zumal er sich im Spanier Josep Maria Berrocal und dem Franzosen TJ Parker als Co-Trainer viel Euroleague-Expertise ins Trainerteam geholt hat. Berrocal war 13 Jahre lang Co-Trainer bei Klubs wie Barcelona oder Panathinaikos Athen, Parker zuletzt Chefcoach beim Euroleague-Klub Villeurbanne. Zudem wurde in Dragan Tarlac der neue Sportdirektor vorgestellt, zuletzt in Diensten des serbischen Nationalteams.
Bis auf Voigtmann, der eine Bänderverletzung von Olympia mitbrachte und zuletzt an einem Mittelohrinfekt litt, reist Herbert mit vollem Kader in ein Trainingslager nach Ljubljana, wo die Münchner auch ein hochkarätig besetztes Turnier spielen. Für die Spielmacher-Position wurde Mitte der Woche noch ein weiterer Zugang erwartet, am Mittwoch bestätigte der Klub dann die Verpflichtung des NBA-erfahrenen Shabazz Napier, der zuletzt bei Olimpia Mailand Euroleague spielte.
Jetzt gelte es, sein System zu implementieren, sagte Herbert – er ist studierter Sportpsychologe und legt wie im Nationalteam großen Wert auf Kommunikation und klare Rollenverteilung. Jeder Spieler habe klar definierte Aufgaben, es sei wichtig, dass sich keiner für „Drecksarbeit“ zu schade sei: „Wir wollen aggressiver und schneller spielen.“ Für den DBB hat er ein hervorragend funktionierendes Kollektiv geformt, nicht weniger erwarten sie in München.

