Welch ein Spektakel hatten die Bayern-Basketballer da inszeniert am Tag der Deutschen Einheit in ihrer neuen Halle im Olympiapark. Der SAP Garden leuchtete in allen Farben, die LED-Bändchen widersprachen zwar jedem Nachhaltigkeitsgedanken, blinkten aber ausdauernd an den Handgelenken der Zuschauer. Und ganz am Ende, das Euroleague-Spiel zwischen den Münchnern und Real Madrid war bereits Geschichte, da schwebte auch noch Rapper Sido als Überraschungs-Showact von der Decke herunter und gab ein 45 Minuten langes Konzert: „In einem schwarzen Fotoalbum mit ’nem silbernem Knopf/Bewahr’ ich alle diese Bilder im Kopf.“
Der Bass drang bis in den Pressekonferenzraum hinein, in dem Bayern-Trainer Gordon Herbert mit leiser Stimme seinen Beitrag zum 97:89 (52:51)-Erfolg über den Finalisten der vergangenen Saison und klaren Favoriten an diesem Abend gab: „Es war eine Achterbahnfahrt, eine großartige Leistung unserer Spieler.“ Sidos Zeile passte dazu, erinnerungswürdige Bilder gab es zuhauf.

Interview mit Johannes Voigtmann:„Jetzt sitzen wir da und sind alle unzufrieden mit dem vierten Platz“
Basketball-Nationalspieler Johannes Voigtmann spricht über das enttäuschende Abschneiden bei Olympia. Er erklärt, wie es mit dem Nationalteam weitergeht – und warum er sich für den FC Bayern entschieden hat.
Alleine die fünf Freiwürfe auf einmal, die die Bayern kurz vor Schluss wegen eines Fouls, Schiedsrichterbeleidigung und Hinausstellung von Reals Point Guard Facundo Campazzo zugesprochen bekamen, hatten Seltenheitswert. Vladimir Lucic verwandelte sie alle in der hitzigen Atmosphäre, es war letztlich der K.o. für Madrid. Auch die Leistungen von Bayern-Topscorer Shabazz Napier (25 Punkte) und Johannes Voigtmann, der auf 19 Punkte, zehn Rebounds und vier Assists kam, erstaunten nicht nur die Königlichen.
Die Münchner haben bei ihrer Premiere in der neuen Arena damit bewiesen, dass sie mit Europas Besten mithalten können. Das ist schon lange ihr Wunsch, sie wollen international aus dem Mittelmaß der Euroleague heraus, in dem sie bislang noch verweilen. Auch aus diesem Grund sind sie für ihre internationalen Spiele aus ihrem Wohnzimmer BMW Park in die neue Arena gezogen, die sie finanziell, strukturell und vermarktungstechnisch in eine neue Ära führen soll.

Doch es gab am Donnerstagabend auch andere Bilder, die im Kopf bleiben. Unter anderem eine kaputte Zeitanzeige. Die Shotclock über dem gegnerischen Korb sollte den Basketballern eigentlich signalisieren, wie viele ihrer 24 Sekunden für den eigenen Angriff schon abgelaufen sind. Minutenlang fiel sie allerdings zu Beginn des letzten Viertels aus. Die Unparteiischen ließen das Spiel trotzdem laufen. Im Falle einer Niederlage für die Münchner hätte alleine dieses Kuriosum wohl heftige Debatten ausgelöst.
Andere Bilder blieben aber noch mehr hängen: Jene von provisorischen Tribünen, die binnen Stunden hektisch aufgebaut werden mussten; von eilig herbeigekarrten Stapelstühlen, auf denen dann auch die Klubführung um Bayern-Präsident Herbert Hainer und Ehrenpräsident Uli Hoeneß Platz nehmen musste; von Lücken ums Spielfeld herum, wo eigentlich Tribünen stehen sollten. Und von einer Vereinsmitteilung, die exakt 18 Minuten vor Spielbeginn versandt worden war, mit der Kernbotschaft, dass etwas kolossal schiefgelaufen ist mit dem Sitzplatzkonzept.

Sie könnten die Partie gegen Real nur mit einem „kurzfristig angepassten Tribünen- und Innenraum-Setup“ bestreiten, „die Ursache sind bauliche Verzögerungen und technische Probleme mit dem innovativen Tribünensystem“, schrieben die Bayern. Der Betreiber der neuen Arena, die Red Bull München Stadion GmbH, habe sie darüber erst kurz vor dem Spiel gegen Madrid informiert. Red Bull ist der Bauherr des SAP Garden und hat einen Großteil der Kosten von rund 150 Millionen Euro getragen. Die Basketballer hatten viel Mitspracherecht, sie sind aber nur Mieter, was ihrer Einflussnahme Grenzen setzt.
Die Halle ist auch deshalb so besonders, weil sie binnen sieben Stunden von einer Eishockey- in eine Basketballarena verwandelt werden kann. Der Boden wird dabei temporär über die Eisfläche gelegt. Red Bull hat zudem mit der slowenischen Firma Elan Inventa mit Sitz in Begunje na Gorenjskem das sogenannte Dual-Rise-Tribünensystem konzipiert. Mit dieser Technik kann die Kapazität von rund 10 796 Zuschauern bei Spielen des EHC Red Bull München auf rund 11 500 Fans beim Basketball erhöht werden. Die Idee, ganz vereinfacht: Die untersten Reihen der Tribüne werden angehoben, mobile Teleskoptribünen davorgeschoben. Dadurch muss auch die Eishockey-Bande nicht temporär entfernt werden, sondern nur das Plexiglas. In Imagefilmchen verspricht die als Weltneuheit angepriesene Technik „optimale Sicht für alle Zuschauer“.
Allerdings muss sie halt auch funktionieren. Offenbar hatte Red Bull den Basketballern ganze zwei Tage vor dem so strahlkräftigen Spiel gegen Madrid eröffnet, dass das Dual-Rise-System nicht wie geplant läuft. Ein Provisorium musste her. Viele Zuschauer, die dreistellige Beträge für ihre Tickets gezahlt hatten, machten ihrem Ärger über die schlechte Sicht später in Beschwerdemails an die Basketballer und auch in Posts in den sozialen Netzwerken Luft.

In ihrer Mitteilung schrieben die Bayern-Basketballer weiter, sie arbeiteten „mit dem Betreiber der neuen Arena mit Hochdruck daran, möglichst zeitnah seine weiteren geplanten Heimspiele im SAP Garden im ursprünglich vorgesehenen Basketball-Setup durchzuführen“. Die Red Bull München Stadion GmbH selbst äußerte sich nicht, sie verweist auf SZ-Anfrage auf das Kommuniqué der Basketballer. Die Firma Elan ließ selbiges auf Anfrage ausrichten.
Das große Schweigen herrscht nun also auf Betreiberseite, aber hinter den Kulissen dürften in den nächsten Tagen die Drähte glühen zwischen den Münchner Basketballern und Red Bull. Dem FC Bayern bleibt dabei nur zu hoffen, dass hinter den baulichen Verzögerungen und technischen Problemen nicht noch mehr steckt. Grundlegende Konstruktionsfehler, die möglicherweise das ganze System infrage stellen, können sie gerade jedenfalls nicht gebrauchen. Das nächste Heimspiel in der Euroleague steht ja bereits am 17. Oktober an, der Gegner heißt Paris. Tickets gibt es nur noch vereinzelt, die besten Plätze sind alle weg. Es droht also das nächste Chaos, wieder mit Provisorien, Ticket-Umbuchungen und unzufriedenen Fans. Denn wie man im Umfeld des SAP Garden hört, wird es zumindest Wochen dauern, bis das Problem gelöst ist.