FC Bayern in der Euroleague:"Jetzt sind wir in den Köpfen der Mailänder"

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Aus dem Weg: Auch vom hünenhaften Mailänder Center Kyle Hines (re.) lässt sich Paul Zipser beim Dunking nicht aufhalten. (Foto: Markus Fischer/imago)

Der Trainer kann es kaum fassen, die Spieler sind voller Selbstbewusstsein: Nach dem Playoff-Krimi gegen Olimpia Mailand lebt bei den Basketballern des FC Bayern der Glauben an die große Überraschung in der Euroleague.

Von Ralf Tögel, München

Das war keine Antwort, das war ein Reflex: "Alles", sagte Marko Pesic, noch bevor die Frage, was er seiner Mannschaft jetzt noch zutraue, zu Ende gestellt war. Der Geschäftsführer des FC Bayern München sah dabei fast so abgekämpft aus wie sein spielendes Personal, im letzten Viertel hatte ihn nichts mehr auf seinem Platz gehalten, unruhig tigerte er am Spielfeldrand auf und ab. In Sachen Glücksgefühl dürfte er die müden Helden in diesem Moment sogar übertrumpft haben: "Es ist historisch, was diese Mannschaft leistet." Das war keine von Hormonen befeuerte Übertreibung, die Basketballer des FC Bayern legen die Messlatte für deutschen Teams im internationalen Wettbewerb von Spiel zu Spiel höher.

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Erst das Erreichen der Playoff-Runde, was keiner deutschen Mannschaft seit der Jahrtausendwende gelungen war, dann der erste Sieg am vergangenen Mittwoch (85:79) und nun haben die Münchner mit dem 85:82-Triumph im vierten Spiel der Best-of-five-Serie den Showdown erzwungen. Spiel fünf wird am kommenden Dienstag wieder im Mailänder Mediolanum Forum (20.45 Uhr) über die Bühne gehen, jenem Spielort, den die Bayern bisher in dieser Saison stets als Verlierer verlassen haben.

"Der ist jetzt fällig", sagte der schweißnasse Paul Zipser nach getaner Arbeit in Bezug auf den angepeilten ersten Sieg in Mailand. Man musste ihm nur ins grinsende Gesicht schauen, um zu wissen, dass die Bayern mit viel Selbstvertrauen in die Lombardei reisen werden: "Jetzt sind wir in den Köpfen der Mailänder." In jedem Fall hat dieser Sieg, den die Bayern den Gästen in letzter Sekunde entrissen haben, im Münchner Lager den Glauben an die Sensation verstärkt. Denn ein weiterer Triumph wäre die Fahrkarte zum Final-Four-Turnier nach Köln, eine Vorstellung, die vor dieser Saison jedem Fachmann ein herzhaftes Lachen ins Gesicht gezaubert hätte.

Ettore Messina, Mailands erfahrener Coach, der die Euroleague bereits viermal gewonnen hat, war weniger nach Lachen zumute: "Ich glaube sie haben uns zurückgegeben, was sie im ersten Spiel bei uns erlebt haben." Damit erinnerte der Italiener an jene 78:79-Niederlage, in der die Bayern fast die gesamte Spielzeit über wie der sichere Sieger ausgesehen hatten, ehe der letzte Wurf das Spiel auf den Kopf stellte.

Auch der Münchner Trainer Andrea Trinchieri war abgekämpft, als er in der Pressekonferenz erschien. Er nahm einen großen Schluck aus einer kleinen Cola-Flasche, dann atmete er erst ein paarmal tief durch: "Ich will mir gar nicht vorstellen, was heute in einem vollen Audi Dome los gewesen wäre." Das ist ja die große Tragik dieser famosen Euroleague-Saison. Die Bayern zeigen große Leistungen, drehen Spiele in dramatischen Schlussphasen in eigener Halle, was sich nun in der Playoff-Serie aufs Feinste zuspitzt. Und alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. "Was für ein Spiel, was für ein Gegner, was für eine Dramatik", befand Trinchieri, "das war einfach unglaublich."

Zipser übernimmt Verantwortung

Auch die Einschätzung des Trainers war nicht übertrieben. In der Vorsaison bekamen die Zuschauer oft chancenlose Münchner zu sehen, die von hochkarätig besetzten europäischen Topteams meist ordentliche Abreibungen erhielten. In dieser Spielrunde haben sich die Münchner mit begeisternden Leistungen in die kontinentale Spitze katapultiert, auch der Freitagabend war an Spannung kaum zu überbieten. Erneut prallten zwei Kontrahenten mit viel Intensität und Wucht aufeinander, was sich lange ausgeglichen gestaltete.

Nach dem ersten Viertel hatten die Münchner noch die Nase vorn (23:19), doch Mitte des zweiten Durchgangs setzte sich Olimpia langsam ab. Was vor allem an einem ehemaligen Münchner lag: Malcolm Delaney, der den FCB 2014 zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, war in prächtiger Spiellaune und erzielte mit 28 Punkten den Bestwert des Abends. Zur Pause war der Vorsprung der Gäste bereits zweistellig (50:40), zwischenzeitlich betrug er 13 Punkte (57:44). Doch einmal mehr ließen sich die Bayern nicht abschütteln, kämpften sich mit einer bravourösen Teamleistung näher. Topscorer Wade Baldwin, der 18 Punkte beisteuerte, ging voran, aber auch D. J. Seeley (11 Punkte), Jajuan Johnson, Vladimir Lucic (je 12) trafen zweistellig. Vor dem letzten Viertel war der 63:71-Anschluss hergestellt, dann kam die Zeit von Paul Zipser, mit 16 Punkten zweitbester FCB-Schütze.

Erst rammte er den Ball über Kyle Hines, einem Berg von einem Center, per Dunking in den Mailänder Korb. Dann setzte er 23 Sekunden vor Schluss mit einem hoch riskanten Alley-oop-Pass Lucic in Szene, den dieser schräg in der Luft liegend fing und ebenfalls in den Korb stopfte. Etwas Glück hatten die Bayern, als die Referees acht Sekunden vor dem Ende erst auf Foul gegen Mailands Shevon Shields (17) entschieden, dies aber nach Studium der Videobilder in ein Offensivfoul umwandelten. Co-Kapitän Lucic war es dann vorbehalten, mit zwei Freiwürfen den Endstand zu erzielen.

Er könne nicht stolzer sein auf seine Spieler, sagte Trinchieri, "wir waren mit dem Rücken zur Wand, mit zehn Punkten hinten. Und sie haben besser gespielt. Aber wieder einmal haben wir großartigen Charakter gezeigt und exzellente Defensive gespielt. Wir haben einfach nicht aufgegeben und waren aggressiver." Vor der Partie am Dienstag in Mailand muss der Bayern-Tross noch einen Zwischenstopp in Niedersachsen einlegen, wo am Sonntag (15 Uhr) die BG Göttingen in der Bundesliga wartet. Von dort wird die Reise in die Lombardei fortgesetzt, erklärte Pesic, nun müsse man erst mal beratschlagen, "wie wir das managen". Für diese Antwort ließ er sich etwas mehr Zeit.

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