Süddeutsche Zeitung

Basketball:Signal von den Grünen

Der FC Bayern München schlägt in einem nervenaufreibenden Euroleague-Spiel Maccabi Tel Aviv und rückt der Playoff-Teilnahme immer näher.

Von Ralf Tögel, München

"Bitte warten", rief Andrea Trinchieri, er bat sich einen kurzen Moment aus, um einen großen Schluck Cola Light zu nehmen. Abgekämpft sah er aus, der italienische Trainer der Bayern-Basketballer, kein Wunder nach der Energieleistung vom Donnerstagabend. Seine Mannschaft lag fast über den gesamten Spielverlauf zurück gegen Maccabi Tel Aviv, kämpfte leidenschaftlich und drehte das packende Spiel in einer nervenaufreibenden Schlussphase zu einem hauchdünnen 72:70-Erfolg. Trinchieri hatte zwar nicht mitgespielt, aber seine Trainerrolle wie üblich interpretiert: Er rannte hin und her, zappelte, brüllte, fuchtelte, gestikulierte und schimpfte so wild, dass er nach der Schlusssirene kaum weniger durchgeschwitzt war als seine Spieler auf dem Parkett. Und er hatte einmal mehr die richtigen Entscheidungen parat.

Etwa die, James Gist lange auf der Bank zu belassen, um den Routinier in der wichtigen Schlussphase ins Gefecht zu schicken: "Er hat viel Erfahrung, hat jahrelang gegen die Besten gespielt, er weiß schon, was er in so einem Moment zu tun hat." Wusste er in der Tat, zum einen ackerte er unter dem eigenen Korb und sammelte sechs wichtige Abpraller vom Brett ein, bester Wert der Münchner. Zum anderen war er auch offensiv zur Stelle. Etwa in dem Schlüsselmoment, als der Ball mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Reihen der Münchner lief, was wohl auch damit zu tun hatte, dass keiner den heißen Wurf nehmen wollte. Bis die orangefarbene Kugel zu Gist kam - und der sie einfach zum 70:66 durch den Korb der Gäste warf. Die Vorentscheidung, knapp eineinhalb Minuten vor dem Ende, den Sieg stellte schließlich Nick Weiler-Babb mit zwei Freiwürfen sicher.

Das Duell der Spielmacher zwischen Maccabis Wilbekin und Baldwin geht an den Münchner

Scottie Wilbekin, Maccabis Prominentester, vergab den letzten Wurf, weil er diesen aus der Dreierdistanz versuchte, um einmal mehr die Entscheidung im Alleingang herbeizuführen. Ein Foul, zwei Freiwürfe und die Aussicht auf eine Verlängerung wären wohl besser gewesen, aber so denkt ein Spieler vom Zuschnitt eines Wilbekin nicht.

Dieses intensive Spiel hatte ja einige interessante Duelle zu bieten, das der jeweils prägenden Spielmacher zum Beispiel: Wilbekin gegen Münchens Wade Baldwin; der routinierte und mit höchsten Meriten versehene Maccabi-Regisseur gegen den Newcomer. München deckelte Wilbekin auf zehn Punkte, Baldwin führte die Aufholjagd im letzten Viertel an und landete bei deren 16, der Vergleich ging an den Münchner. Oder das Duell der Center, der FCB-Fels Jalen Reynolds gegen den kroatischen 2,10-Meter-Riesen Ante Zicic, mit 18 Punkten Maccabis bester Schütze. Unentschieden darf man wohl sagen, Reynolds sammelte 15 Zähler, gab aber erneut die wichtigen Impulse zur rechten Zeit. Es waren aber nicht die Hochgelobten, die das Spiel für die Bayern entschieden, es war eine Teamleistung. Hervorzuheben ist die kämpferische Abwehrleistung, beide Mannschaften agierten in der Defensive auf sehr hohem Niveau, aber die Bayern waren einen Tick besser.

Mit jedem Spieler, der aus der Verletzungspause zurückkehrt, steigen Trinchieris Möglichkeiten

Außerdem kann Trinchieri wieder aus dem Vollen schöpfen, was dies bedeutet, war gut zu beobachten. Etwa als der genesene Zan Sisko dem Kollegen Baldwin wichtige Pausen ermöglichte, was auch für Weiler-Babb galt. Vladimir Lucic, der nach jedem Ball hechtete, oder Paul Zipser, der die wichtigen Dreier versenkte. "Jeder einzelne Spieler", und alle kamen zum Einsatz, habe "wichtige Dinge" für den Sieg beigesteuert, betonte Trinchieri, um gleichzeitig anzudeuten, dass diese Mannschaft noch besser spielen kann: "Trotz all unserer Fehler haben wir gewonnen, ich habe eine Mannschaft, die einfach nicht verlieren will." Damit sprach der Italiener vor allem die fehlende Routine im Kader an, einige Spieler müssen ungewohnt viel Verantwortung tragen, andere spielen ihre erste Euroleague-Saison überhaupt: "Wir sind ein grünes Team."

Die Bayern sind nun wieder Fünfter, mit einer Bilanz von 16:10 Siegen. Bei acht ausstehenden Partien sind die Playoffs der besten Acht in Reichweite, zwei, drei Siege müssten noch gelingen, meinte Trinchieri. Daran wolle er aber nicht denken, nun gelte es zu sondieren, welche Spieler für die Bundesliga-Partie am Sonntag gegen Würzburg gesund und fit sind, sagte er. Dann ging er zum Duschen.

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