Süddeutsche Zeitung

Basketball:Ende der Achterbahnfahrt

Die Angels Nördlingen verlieren das letzte Spiel der Hauptrunde gegen Bundesliga-Tabellenführer Keltern und verpassen damit den Einzug in die Playoffs. Am Ende einer schwierigen Saison steht nun ein großes Finanzloch - und der Abschied des jahrelangen Sportlichen Leiters Kurt Wittmann.

Von Mathias von Lieben

Dabei hatte doch alles so gut angefangen. Als die Saison in der Basketball-Bundesliga der Frauen Ende Oktober endlich startete, fuhren die Angels Nördlingen mit 90:71 Punkten gleich einen souveränen Auftaktsieg gegen Aufsteiger Osnabrück ein. Sechs Spielerinnen punkteten zweistellig, die Teamleistung stimmte, die Zugänge waren integriert. Konnte das Vereinsziel, bald wieder zur deutschen Spitze gehören zu wollen, vielleicht sogar schon in diesem Jahr erreicht werden?

Heute, rund sechs Monate später, ist die Euphorie im schwäbischen Städtchen vorerst verflogen. Einen einzigen Sieg hätte es aus den vergangenen vier Partien im März noch gebraucht, um Platz acht und damit die Qualifikation für die Playoffs zu sichern. Doch das letzte Spiel der Hauptrunde gegen Tabellenführer Keltern ging am Mittwochabend (56:81) genauso verloren wie schon die Begegnungen zuvor gegen Marburg, Wasserburg und Herne. Durch die Niederlagenserie sind die punktgleichen Halle Lions in der Abschlusstabelle nun noch vorbeigezogen - wegen des besseren Abschneidens im direkten Vergleich. "Klar bin ich enttäuscht, dass wir die Playoffs nicht erreicht haben", sagt Kurt Wittmann, der Sportliche Leiter der Angels: "Aber ich mache den Spielerinnen und dem Trainerteam gar keinen Vorwurf. Denn die ganze Saison war ja eine einzige Achterbahnfahrt." Am Ende dieser Fahrt wurde Nördlingen unsanft ausgebremst.

"In der Mannschaft war einfach keine Luft mehr drin", sagt der Sportliche Leiter Kurt Wittmann

Bereits während dieser Pandemie-bedingt so schwierigen Saison in der Bundesliga wurden die Angels einige Male kräftig durchgerüttelt. Schon kurz nach der ersten, erfolgreichen Auffahrt, dem Sieg gegen Osnabrück, musste die Mannschaft wegen eines Corona-Falls zwei Wochen pausieren. Als sie dann im Dezember mit drei Siegen aus vier Spielen im Rücken zum bayerischen Derby nach Wasserburg reisen wollte, wurde sie erneut von einem positiven Befund gestoppt. Drei Partien wurden abgesagt, die gesamte Mannschaft musste über die Weihnachts-Feiertage in Quarantäne. "Das war der Knackpunkt", sagt Wittmann. Denn durch die Nachholtermine standen allein im März sieben Spiele in drei Wochen an. "In der Mannschaft war einfach keine Luft mehr drin." Die fehlende Luft könnte auch die vielen einfachen Ballverluste und Fehlversuche bei den zuletzt knappen Niederlagen gegen Wasserburg, Halle oder Marburg erklären.

Für Wittmann ist die verpasste Playoff-Qualifikation auch aus einem anderen Grund enttäuschend: Nach 13 Jahren als Sportlicher Leiter der Angels zieht er sich zur kommenden Saison zurück und übergibt sein Amt an Martin Fürleger, einen 34-jährigen Quereinsteiger und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit. Dass sein Nachfolger die Nördlinger Philosophie, besonders auf junge, deutsche Nachwuchstalente zu setzen, fortführen will, lässt Wittmann trotz allem versöhnlich zurückschauen: "Ich bin stolz darauf, dass wir hier in einer kleinen Stadt wie Nördlingen 13 Jahre lang Spitzen-Basketball in der Bundesliga anbieten konnten." Die vergangene Saison stellte dabei noch einmal eine der größten Herausforderungen dar.

Trotz der Planungssicherheit in den Kern-Bereichen dürften allzu große Sprünge erst einmal nicht drin sein

Denn lange war nicht klar, ob Frauen-Basketball in Nördlingen ohne die durchschnittlich 650 Zuschauer pro Heimspiel überlebensfähig ist. Allein in dieser Saison haben die Geisterspiele ein rund 50 000 Euro-schweres Finanzloch in die Angels-Kasse gerissen. Kompensiert werden konnte das nur durch eine Crowdfunding-Aktion, bei der knapp 8 000 Euro zusammenkamen sowie durch eine Finanzspritze aus dem bayerischen Corona-Soforthilfe-Programm. "Wir mussten an allen Ecken und Ende sparen", sagt Wittmann. "Und trotzdem wollen wir unser Budget für die kommende Saison nicht senken."

Das liegt auch daran, dass mit einem lokalen Bauunternehmen schon frühzeitig ein neuer Namenssponsor für die kommenden drei Jahre präsentiert werden konnte. Hinzu kommt: Zumindest zwei Jahre läuft der Vertrag von Trainer Ajtony Imreh noch, Vertragsgespräche mit Spielerinnen stehen demnächst an. Und trotz der Planungssicherheit in den Kern-Bereichen dürften allzu große Sprünge angesichts der Konkurrenz absehbar erst einmal nicht drin sein. Umso mehr überraschte es kürzlich, als Wittmanns Nachfolger Fürleger selbstbewusst postulierte, mit den Nördlinger Frauen mittelfristig europäisch spielen zu wollen. Weitere Achterbahnfahrten sind im Landkreis Donau-Ries also keinesfalls ausgeschlossen.

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