Luisa Geiselsöder bei der Basketball-EMEin wenig wie Jokić sein

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Luisa Geiselsöder (li.) und Spaniens Raquel Carrera lieferten sich in der EM-Vorrunde enge Duelle – jetzt trifft die Deutsche auf eine weitere dominante Centerin: die Belgierin Emma Meesseman.
Luisa Geiselsöder (li.) und Spaniens Raquel Carrera lieferten sich in der EM-Vorrunde enge Duelle – jetzt trifft die Deutsche auf eine weitere dominante Centerin: die Belgierin Emma Meesseman. (Foto: Frank Molter/AFP)

Centerin Luisa Geiselsöder ist die große Konstante bei den deutschen Basketballerinnen, sie tut meist das Richtige. Ihr Spiel erinnert an einen bekannten NBA-Revolutionär – an diesem Abend trifft sie im EM-Viertelfinale auf ihr Vorbild.

Von Jonas Beckenkamp

Wer wissen will, wie wichtig Luisa Geiselsöder für das deutsche Basketball-Nationalteam ist, kann ja zurückspulen. Die ersten zwei Minuten beim 80:67 gegen Großbritannien boten reichlich Anschauungsmaterial. Sie ließ einen Dreier durch die Reuse rauschen, dann versenkte sie einen Korbleger und schließlich einen komplizierten Wurf im Zurückfallen, dazu räumte sie einmal eine Gegnerin mit einem Block ab. Es war das komplette Arsenal, das die gebürtige Ansbacherin da zeigte – am Ende hatte sie wieder einmal 14 Punkte erwirtschaftet, dazu sechs Rebounds und vier Vorlagen.

Zahlen sind das eine im Basketball, aber der Wert einer Spielerin schlägt sich mitunter in anderen Aspekten nieder. Geiselsöder, 25, ist nämlich das, was man in Sportmannschaften gemeinhin als Klebstoff bezeichnet, als „Glue Guy“, und es ist an der Zeit, diesen Begriff auch für Frauen anzuwenden: „Glue Girl“, jene Basketballerin also, die den Laden zusammenhält. Wenn von den bisherigen Auftritten der deutschen Frauen bei dieser EM die Rede ist, geht es oft um Leonie Fiebich, WNBA-Champion und talentierteste Deutsche im Kader. Oder um Frieda Bühner, gerade 21 geworden und schon so abgezockt.

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Aber den Geist des Teams von Bundestrainerin Lisa Thomaidis, die Identität des Zusammenhalts, verkörpert die Frau in der Mitte: Centerin Geiselsöder, 1,92 Meter groß, zuletzt Champion in Frankreichs Liga und neuerdings angestellt bei den Dallas Wings in der US-Profiliga WNBA. Trotz dieser transatlantischen Tätigkeit bildet sie gemeinsam mit ihrer Freundin Fiebich seit Jahren den Kern der DBB-Auswahl. Während andere wie Satou Sabally sich immer wieder Auszeiten vom Nationalteam nehmen, um ihre Karriere im Klubbasketball voranzutreiben, gilt bei Fiebich und Geiselsöder: Sie kommen immer, egal, ob die WNBA oder mal ein zwickendes Knie im Weg stehen.

Beide kennen sich seit ihren Auftritten mit der U16, U18 und U20, sie verstehen das im deutschen Basketball viel besungene „Commitment“ derart, dass die Nationalmannschaft nun mal ihr „Baby“ ist, wie Fiebich sagt. Dass die Gruppe nach Jahren in der Bedeutungslosigkeit endlich wieder ein Gesicht hat, dass man die Olympia-Teilnahme schaffte und ein Momentum für den Frauenbasketball in Deutschland erzeugen konnte, liegt nicht zuletzt an ihr und Geiselsöder. Zwei Spielerinnen im besten Alter, die die darbende Bundesliga früh Richtung Ausland verließen und nun Führungskräfte im Nationaltrikot sind. Und wenn sie dann auftauchen, übernehmen sie auch gerne die Rolle der Team-DJanes samt Wiesnhits und Hip-Hop-Beschallung.

In gewisser Weise ähnelt sich ihr Weg, denn in den USA landeten beide erst mit etwas Verzögerung. Anders als Fiebich fand Geiselsöder mit Anfang 20 in Frankreich ihr Glück, wo sie bei verschiedenen Vereinen fünf Jahre verbrachte. Sie lernte Französisch und das Zusammenspiel mit extrem versierten Aufbauspielerinnen – für eine Centerin ein wichtiger Prozess, denn so schulte sie ihr Gespür für Räume auf dem Parkett. Und jetzt die WNBA, wo sie zu Saisonbeginn zwar einige Niederlagen kassierte, aber individuell ansprechende Leistungen zeigte. „Ich find’s total cool, dass sie es in den Kader der Wings geschafft hat“, sagt Fiebich über Geiselsöder, „basketballerisch hat sie auf jeden Fall eine Chance in dieser Liga.“

Zwei, die sich lange kennen: Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder (re).
Zwei, die sich lange kennen: Leonie Fiebich und Luisa Geiselsöder (re). (Foto: Christian Charisius/dpa)

Drei Partien hat die DBB-Auswahl in der Vorrunde in Hamburg absolviert, dreimal ragte Geiselsöder mit ihrem technisch einwandfreien Spiel heraus. Sie hat sich über die Jahre einen Baukasten an Grundlagen angeeignet, der sie zu einer der modernsten Spielerinnen Europas gemacht hat: geschickte Fußarbeit, Täuschungen, Spielverständnis, saubere Wurftechnik – das alles basiert auf jahrelanger Akribie und Vertrauen ihrer Trainerin in Frankreich, wie sie im Frühjahr im Podcast „Got Nexxt“ erzählte. Ein wenig wie Nikola Jokić zu sein, fände sie „schon schön“. Der serbische NBA-Big-Man hat mit seiner Beweglichkeit das Spiel revolutioniert, Geiselsöder hat sich bei ihm Elemente abgeguckt. „Je mehr du bieten kannst, desto schwerer kann man dich verteidigen“, sagt sie, und sie nennt auch ein weibliches Vorbild: „Eine Spielerin, die ich sehr viel anschaue, ist Emma Meesseman, die auch ein Allrounder ist.“

Ausgerechnet die große Belgierin also, seit Jahren eine der besten Centerinnen des Betriebs – gegen die Geiselsöder nun am Mittwoch im EM-Viertelfinale in Piräus (19.30 Uhr live auf Magentasport) ins direkte Duell geht. Die belgischen Titelverteidigerinnen fegen bisher durchs Turnier, auch den Deutschen verpassten sie in der Vorbereitung zwei deutliche Niederlagen. Aber unnötig klein machen will sich Geiselsöder deshalb nicht, wie sie nach dem Großbritannien-Spiel erklärte.

„Wenn wir uns nicht von der Intensität der Gegnerinnen überraschen lassen und unseren Rhythmus beibehalten, können wir jeden schlagen“, sagte sie noch in Hamburg. Von dort geht es jetzt nach Griechenland, Montagmittag um 12.30 Uhr landete das Team in Athen – mit reichlich Zeit zur Vorbereitung. „Wir werden viel Physio machen, gut regenerieren und dann gegen Belgien bereit sein“, fand Geiselsöder. Ab jetzt wird nicht mehr zurückgespult, es zählt nur noch Mittwoch.

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