Eingebürgerte Basketballer:So kommen Amerikaner zur EM

Türkei - Serbien - 72:91

Neuerdings Türke: Ali Muhammed bei der EM.

(Foto: dpa)
  • Einbürgerung leicht gemacht: Bei der Basketball-EM spielt in fast jeder Mannschaft ein Amerikaner.
  • Die Spieler werden dafür mit stolzen Summen entlohnt.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Basketball-EM

Von Joachim Mölter, Berlin

Ali Muhammed passt nicht so recht ins türkische Basketball-Team, und das liegt nicht nur daran, dass es bei der Europameisterschaft immer als "die zwölf Giganten" angekündigt wird und er dann mit seinen 1,78 Metern wie ein Zwerg daherkommt. Muhammed entspricht auch mit seiner dunklen Haut nicht dem Bild, das man sich von einem typischen Türken macht. Im Grunde ist er ja auch keiner.

Unter dem Namen Bobby Dixon spielt der Amerikaner seit 2012 in der türkischen Liga, und weil er jüngst den kleinen Klub Pınar Karşıyaka aus Izmir zum Titel geführt hat, dachte sich Nationaltrainer Ergin Ataman, so einen könne er brauchen für die EM. Im Juni wurde der Mann aus Chicago unbürokratisch eingebürgert, er durfte sich einen neuen Namen aussuchen, und weil er ein Fan des Boxers Muhammad Ali ist, steht jetzt Ali Muhammed im Pass des 32-Jährigen.

Für die Türken zahlt sich die Verpflichtung des Spielmachers bislang aus. Dixon alias Muhammed hat das Team auf Achtelfinalkurs gebracht, indem er erst die Italiener durcheinander wirbelte (89:87) und am Dienstagabend dann die Deutschen, die nach der 75:80-Niederlage ums Weiterkommen in die K.-o.-Runde bangen müssen. Kein Wunder, dass ihr Kapitän Heiko Schaffartzik den Seitenwechsel kritisch sieht: "Das nimmt Züge von Vereins-Basketball an, wenn man sich einfach aussucht, welcher Amerikaner einen Pass erhält", sagte er zu Sport1.

Die Deutschen haben Anton Gavel naturalisiert

Nun ist das Phänomen der "naturalisierten Spieler", wie Akteure nach einem Nationalitätenwechsel im Basketball genannt werden, nicht neu. Aber es hat bei diesem Turnier ein neues Ausmaß angenommen. Nur acht der 24 Teilnehmer haben ausschließlich Spieler im Zwölfer-Kader, die in dem Land geboren sind, für das sie spielen. Die Hälfte hat sich die Dienste eines gebürtigen Amerikaners gesichert, so viele wie noch nie. Zu den übrigen vier Ländern mit einem naturalisierten Ausländer gehört Spanien, am Donnerstag (17.45 Uhr/ARD) letzter Gruppengegner der deutschen Basketballer in einem Quasi-Endspiel um den Achtelfinal-Einzug: Die Spanier haben den in Montenegro geborenen Center Nikola Mirotić, 24, bereits als Teenager mit einem Pass ausgestattet.

Und dazu gehört Deutschland selbst, wo sich der Verband die Spielberechtigung für den gebürtigen Slowaken Anton Gavel besorgte. Aber der sei ein ganz anderer Fall als Ali Muhammed, findet Schaffartzik: Gavel kam bereits als Jugendlicher nach Deutschland, "er hat hier sein Abitur und seinen Führerschein gemacht, spielt seit vielen Jahren hier", derzeit in München. Und den deutschen Pass hat Gavel auch schon lange.

Modernes Söldnertum

Es sind wohl Spieler wie Gavel - oder wie Giannis Antetokounmpo, 20, der als Sohn nigerianischer Einwanderer in Athen geboren wurde und offiziell staatenlos war, ehe er vor zwei Jahren die griechische Staatsbürgerschaft erhielt -, an die der Weltverband Fiba gedacht hat, als er die Zulassung von Spielern regelte, die außerhalb des Landes ihrer Eltern eine neue Heimat gefunden haben. Aber vor allem in Osteuropa machen sich immer mehr Länder die Möglichkeit zunutze, einen Profi zu naturalisieren, um ihre Nationalmannschaft zu verstärken.

Nun machen bei dieser EM zwar Amerikaner mit, die tatsächlich einen emotionalen Bezug haben zu dem Land, dessen Trikot sie tragen: D'or Fischer ist mit einer Israelin verheiratet, Blake Schilb mit einer Tschechin. Aber die meisten US-Profis haben nicht den geringsten Bezug zu dem Land, für dessen Ehre sie nun kämpfen: Der von Alba Berlin zum FC Bayern gewechselte Alex Renfroe hat nie für einen Klub in Bosnien-Herzegowina gespielt, A. J. Slaughter nie in Polen, Jacob Pullen nie in Georgien, Jerome Randle nie in der Ukraine, Richard Hendrix nie in Mazedonien.

Bis zu 20 000 Euro im Monat

Für die Amerikaner lohnt sich ein neuer Pass; es werden Summen von bis zu 20 000 Dollar pro Monat genannt, die manche Länder für ihre Dienste zahlen. Zudem steigern sie mit erfolgreichen Auftritten auf internationaler Bühne ihren Marktwert. Bo McCalebb etwa, im vorigen Jahr kurzzeitig vom FC Bayern beschäftigt, bekam lukrative Verträge in Italien und der Türkei, nachdem er Mazedonien 2011 auf den vierten EM-Platz geführt hatte.

Um das moderne Söldnertum nicht so ausarten zu lassen wie im Handball, wo sich der Golfstaat Katar für seine Heim-WM im vorigen Winter eine Welt-Auswahl zusammenkaufte, die bis ins Finale vordrang, hat die Fiba der Zahl von naturalisierten Spielern einen Riegel vorgeschoben: Jede Mannschaft darf immer nur einen einsetzen. Die deutsche Auswahl hätte für die EM den Center Chris Kaman aktivieren können, der nach seiner Einbürgerung 2008 bei der Olympia-Qualifikation für Peking mitgewirkt hatte. Aber Bundestrainer Chris Fleming wollte lieber den Guard Gavel, weil er dessen Position für eine Schwachstelle hielt. Gavel ist bei dieser EM bislang unauffällig. So wie Ali Muhammed den Türken hat Gavel seiner neuen Heimat jedenfalls bisher nicht geholfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: