Basketball-EM: Jan-Hendrik Jagla:Held im Straßenkampf

Der Basketball-Nationalspieler Jan-Hendrik Jagla stand lange im großen Schatten von Dirk Nowitzki. Jetzt ist er zum Führungsspieler gereift und glänzt bei der EM mit guten Leistungen.

Fabian Heckenberger

Reisegruppen vertreiben sich die Zeit gerne mal mit dem Singen von Reiseliedern, und auch die deutschen Basketballer heben von Zeit zu Zeit zum Gesang an, wenn sie im Bus von Sporthalle zu Sporthalle fahren. Doch als die Nationalspieler am Donnerstag von Danzig nach Bydgoszcz reisten, wo bei der Europameisterschaft in Polen die Partien der Zwischenrunden-Gruppe E ausgetragen werden, war es ruhig im Bus. Der mit der 62:68-Niederlage gegen Lettland haarscharf geglückte Einzug in die zweite Gruppenphase der EM bot zwar eigentlich Anlass zur Freude, doch die körperliche Verfassung der Spieler stand lustigen Liedern im Weg.

Basketball-EM: Jan-Hendrik Jagla: Nationalspieler Jan-Hendrik Jagla spielt sich derzeit bei der Basketball-EM mit großem Einsatz und Führungsqualitäten in den Vordergrund.

Nationalspieler Jan-Hendrik Jagla spielt sich derzeit bei der Basketball-EM mit großem Einsatz und Führungsqualitäten in den Vordergrund.

(Foto: Foto: Getty)

Patrick Femerling beispielsweise gibt gerne den Ton vor, doch der Klangkörper des Centers war beschädigt. Er hatte einen lettischen Ellbogen auf die Nase bekommen und wurde mit drei Stichen genäht. Steffen Hamann hielt sich ebenfalls zurück. Lettlands heutiger Center und früherer Berufsboxer Kaspars Kambala (Kampfbilanz: vier Siege, ein Unentschieden) hatte dem Spielmacher nach der Partie, ebenfalls per Ellbogen, einen Backenzahn zertrümmert. Beide Spieler werden an diesem Freitag gegen Griechenland (18.15/ DSF) aber auflaufen können. "Es war eine Schlägerei, aber wir haben es überstanden", fasste Teamkollege Jan-Hendrik Jagla zusammen.

Gute Vorstellungen bei der EM

Jagla, 28, spricht zurzeit mit ordentlich Stolz in der Stimme. Er weiß, dass er großen Anteil an der Überraschung hat, die der deutschen Auswahl bei der Europameisterschaft gelungen ist. Beim Vorrundensieg gegen Russland war Jagla mit 19 Punkten und elf Rebounds bester deutsche Spieler, am Mittwoch sorgte er mit einem Dreier und zwei verwandelten Freiwürfen in den letzten 23 Sekunden dafür, dass seine Mannschaft aufgrund des besseren Korbverhältnisses im Turnier blieb. Ausgerechnet Jagla wurde im "Straßenkampf" gegen Lettland, wie es Bundestrainer Dirk Bauermann formulierte, zum "Held des Tages".

Jan-Hendrik Jagla, beim Berliner Nachwuchsteam TuS Lichterfelde ausgebildet, galt bisher nicht als unerschütterlicher Turm unter dem Korb. Von seinem ersten großen internationalen Auftritt bei der WM 2006 in Japan blieben vor allem die Bilder, wie er nach Auswechslungen mit feuchten Augen auf der Bank saß. Ein gewisser Dirk Nowitzki spielte bisher auf Jaglas Position des Power Forward - beide blond, beide 2,13 Meter groß, der eine als "Dirkules" bezeichnet und ein NBA-Star - der andere, "Dirklight" genannt, auf der Suche nach Selbstvertrauen. "Die Älteren haben Show gemacht, ich saß auf der Bank rum", erinnert sich Jagla.

Stück für Stück sammelte der Berliner Erfahrung und den Glauben an sich; zwischen 2004 und 2007 bei Panellionis Athen, den Artland Dragons in Quakenbrück, Drac Inca Mallorca und Türk Ankara, ehe er 2008 mit Joventut Badalona den Uleb Cup gewann. Jetzt, wo Nowitzki zum ersten Mal seit zehn Jahren seinen Platz im Nationalteam frei lässt, spielt sich Jagla auch in der DBB-Auswahl frei, sieht sich nun selbst als Vorbild für die Jüngeren. Früher musste er vom Feld, wenn die Partie eng und das Spiel hässlich wurde - jetzt spielt er gern im Schmutz. "Er macht das, was sonst Dirk gemacht hat", sagt Bauermann: "Jetzt muss er sich auf dem Niveau eines Führungsspielers stabilisieren."

Das EM-Viertelfinale als Ziel

Dass Jagla diese Rolle anstrebt, demonstriert Jagla auch durch seine Aussagen. Zuletzt kritisierte er offen die Bundesliga (BBL) und die Förderung deutscher Spieler: "Dort wird grausamer Basketball gespielt. Da kann man sich genauso Streetbasketball im Hinterhof anschauen." Die Worte brachten ihm einen Rüffel von BBL-Präsident Thomas Braumann ein. Das dürfte Jagla kalt lassen. Er ist zwar noch ohne Verein, empfiehlt sich aber bei der EM für spiel- und finanzstärkere Ligen als die BBL. "Bevor ich irgendwo unterschreibe, will ich aber unbedingt ins Viertelfinale", sagt er.

Ein Sieg aus den drei Partien gegen Griechenland, Mazedonien und Kroatien könnte genügen, um die Runde der letzten Acht zu erreichen. Gegen Mazedonien, Jagla erinnert sich gern daran, hat Deutschland vor drei Wochen beim Supercup in Bamberg gewonnen - 78:77, in einem umkämpften Spiel nach schmutziger Schlussphase.

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