Basketball-EM:Kater nach dem Blitzrausch

Basketball EM Dennis Schröder

Dennis Schröder spielte wie ein Anführer gegen Montenegro, aber auch Maodo Lo traf wieder mit wichtigen Würfen.

(Foto: Michael Sohn/AP)

Deutschland zeigt im Achtelfinale gegen Montenegro zwei Spiele in einem und lernt die Gefahren des Basketballs kennen - für Unruhe sorgen eine Verletzung und der nachlassende Zuspruch der Zuschauer.

Von Jonas Beckenkamp

Nach allem was bekannt ist, fand am Samstagabend in Berlin ein Basketballspiel statt, aber vielleicht waren es auch zwei. So sicher konnte sich Bundestrainer Gordon Herbert nach diesem 85:79 im EM-Achtelfinale gegen Montenegro nicht mehr sein. Denn er fand: "Das waren heute eigentlich zwei Partien in einer." Deutschland steht nach langer Zeit wieder in einem Viertelfinale, am Dienstag (20.30 Uhr, Liveticker SZ.de) warten entweder Tschechien oder die Griechen, das ist die gute Nachricht.

Die schlechte: Die DBB-Auswahl wirkte vor allem in der zweiten Halbzeit gegen die Montenegriner wie ein Team, das nach einem Blitzrausch von einem heftigen Kater heimgesucht wurde. "Im Endeffekt haben wir den Sieg geholt", fand Kapitän Dennis Schröder, diesmal bester Deutscher mit 22 Punkten und acht Assists, "aber wir haben echt nicht diszipliniert gespielt."

Abstimmungsmängel, Strukturverlust und Ratlosigkeit angesichts der Zonenverteidigung Montenegros kosteten in den letzten Minuten einen zwischenzeitlichen 27-Punkte-Vorsprung. Zwanzig Minuten lang hatten die Deutschen wieder ihr Können gezeigt, hatten Basketball wie ein Siegerteam gespielt, konsequent, mit Präzision und Esprit, ehe dann ein Einbruch kollektives Stöhnen in der Halle auslöste. Und als wäre es nicht genug gewesen, dass plötzlich nichts mehr funktionierte und der Gegner immer weiter aufholte, verletzte sich noch Franz Wagner.

Wagners Diagnose steht noch aus

Mitte des dritten Viertels war der 21-jährige NBA-Profi bei der Landung nach einem Dreierversuch so aufgekommen, dass er sich den Knöchel verstauchte. Eine fiese Szene, als sein Gegenspieler den Fuß in den Absprungkreis Wagners stellte, sodass dieser ins Straucheln geriet. Als "eindeutig unsportlich" bezeichneten diese Sequenz unisono Schröder und Daniel Theis, "in der NBA wird sowas klar als unsportliches Foul gepfiffen", meinte Schröder. Doch diesmal gab es von den bei dieser EM umstrittenen Fiba-Referees "nur" drei Freiwürfe, das "U" blieb aus.

Basketball-EM: Franz Wagner knickte in der zweiten Hälfte um und krümmte sich am Boden liegend.

Franz Wagner knickte in der zweiten Hälfte um und krümmte sich am Boden liegend.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Nachdem er alle drei Würfe versenkt hatte, verabschiedete sich Wagner (15 Zähler, fünf Rebounds) immerhin auf den Beinen vom Feld, er bekam eine Eispackung auf die malade Stelle und fasste sich vor Schmerzen ins Gesicht. Der Bundestrainer erfuhr von den Physiotherapeuten zunächst nur, "dass er für spielunfähig erklärt" wurde. "Es war eine ziemlich üble Verstauchung, glaube ich", sagte Herbert unmittelbar nach dem Spiel dem Sender Magentasport und ergänzte auf der Pressekonferenz: "Bei ihm wird ein MRT gemacht. Es ist schwer für mich, über eine Verletzung zu spekulieren."

Noch in der Nacht gab es Bilder des 2,08-Meter-Mannes, wie Betreuer ihn in einen DBB-Transporter hievten und ins Krankenhaus brachten. Eine Diagnose steht noch aus. Wagners Gesundheit gilt als Faktor in der Mannschaft, denn einen wie ihn, der mit Explosivität zum Korb geht, der sich selbst Würfe erarbeiten kann, haben sie sonst nicht mehr beim DBB.

Trotzdem blickten die Beteiligten nicht nur mit Trübsal auf das Erlebte, Schröder zum Beispiel wollte lieber den ersten Part des Achtelfinals in den Mittelpunkt stellen: "Wir haben gezeigt, was wir können. Wie wir verteidigen und wie wir in der Offensive spielen", sagte der NBA-Spielmacher, der in der ersten Halbzeit sogar einen Dunking ins Gesicht eines Montenegriners stopfte, wie die Basketballer sagen, also am Gegenspieler vorbeiflog.

"Unsere Erwartungen gehen noch weiter", sagt Bundestrainer Herbert vor dem Viertelfinale

Ähnlich lautete das Fazit von Theis, der trotz fünf Fouls einen seiner besseren EM-Auftritte ablieferte. "Das sind Do-or-Die-Spiele. Und am Ende ist es scheißegal, wie man gewinnt. Hauptsache, man gewinnt", befand der NBA-Center. Dass die Sache in den Schlussminuten nicht kippte, lag auch am nächsten Statement-Spiel von Maodo Lo (14 Punkte). Der Alba-Profi zementiert bei diesem Turnier endgültig seinen Status in der europäischen Spitzenklasse, sein Dreier kurz vor dem Ende erstickte die letzten Versuche der Montenegriner.

Es reichte gerade so fürs Viertelfinale, Deutschland hat noch was vor bei dieser Heim-EM. Beim Blick nach vorne offenbarten sich die Ansprüche des Teams, das in seinen guten Momenten wie ein Medaillenkandidat auftritt. "Das ist das, was wir erwartet hatten", sagte Bundestrainer Herbert, der schon nach vorherigen Partien selbstbewusst Ziele formuliert hatte. "Aber unsere Erwartungen gehen noch weiter. Wir haben erwartet, in Berlin zu gewinnen. Und wir erwarten noch mehr."

Das ließe sich freilich auch auf den Zuspruch der Zuschauer in der Hauptstadt ummünzen, denn anders als in der Vorrunde in Köln blieben diesmal sichtbar Plätze in der Halle frei. Darüber herrschte Erstaunen im deutschen Lager, schließlich waren sich zuletzt alle einig, dass zumindest ein kleiner Hype um den DBB entstanden ist. Am deutlichsten sprach Lo, gebürtiger Berliner, die Problematik an. "Hoffentlich sind beim nächsten Mal etwas mehr Fans da. Es wäre cool, wenn die Halle komplett voll wäre", sagte er.

Der Vergleich zur Vorrunde, als sogar bei Spielen ohne deutsche Beteiligung mitunter 17 000 Menschen kamen, ist ein Thema. "Köln war sehr stark, das hat uns sehr gepusht. Heute waren hier und da ein paar leere Plätze, es war in einigen Phasen etwas still", bemerkte Lo. Diesmal waren nur 12 938 Zuschauer in die 14 500 Besucher fassende Mercedes Benz-Arena gekommen. Er und seine Kollegen dürften nun hoffen, dass die Viertelfinal-Ansetzung der Fiba am Dienstag zur Primetime sich nicht zu einem größeren Problem auswächst. Beinahe zeitgleich regiert König Fußball in der Champions League, die Bayern treffen auf Barcelona.

Andererseits bleibt den Deutschen so mehr Zeit zur Regeneration als dem kommenden Gegner, der erst am Sonntagabend ermittelt ist. "Das hilft uns sehr. Von daher haben wir wohl die frischeren Beine", betonte Johannes Thiemann nach dem Achtelfinale. Sollte auch noch der Fuß von Franz Wagner die nötige Fitness erlangen, stünde der größtmöglichen Überraschung nichts im Wege.

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