Süddeutsche Zeitung

Basketball-EM:Ins Viertelfinale gezittert

Die deutsche Nationalmannschaft spielt Montenegro in Halbzeit eins schwindlig, lässt dann bis zum 85:79-Sieg aber stark nach. Nun muss das Team sich steigern - und womöglich auf Franz Wagner verzichten.

Von Ralf Tögel

Meterhohe Flammen schossen vom Spielfeldrand empor, so feurig wurden die deutschen Basketballer bisher noch nicht empfangen. Aber es ging ja auch um einiges im Achtelfinale gegen Montenegro bei dieser Europameisterschaft, die ihre Endrunde in Berlin austrägt. Die Gastgeber nahmen die Anregung umgehend an und spielten feurig, aber nachdem die Auswahl des Deutschen Basketball Bunds (DBB) dem Gegner in der ersten Halbzeit mit einem 48:24-Vorsprung in die Kabine ging, lief in der zweiten Halbzeit nicht mehr viel zusammen. Letztlich blieb es bei einem verdienten 85:79-Sieg. Das Viertelfinale ist erreicht, das war das erklärte Ziel. Nun geht es gegen den Sieger der Partie Griechenland gegen Tschechien, so weit wollte Trainer Gordon Herbert aber noch nicht denken. "Wir waren in der zweiten Halbzeit schlampig, aber wir nehmen den Sieg."

Bislang war seinem Team eine gewisse Anfangsnervosität anzumerken, im ersten K.o.-Spiel nun verzichteten die Spieler weitgehend auf unnötige Fehler. Dennis Schröder versenkte gleich seinen ersten Distanzwurf, bislang eher eine ungeliebte Disziplin des Teamkapitäns. Und der Spielmacher machte auf diesem Level weiter - er fiel auf mit Zauberpässen, er zog zum Korb und stopfte den Ball per Dunking unter dem Jubel der Zuschauer durch die Reuse. Schröder spielte groß auf und war mit 22 Punkten bester Deutscher.

Dem wollte Maodo Lo nicht untätig zusehen, der Berliner Spielmacher traf wie gewohnt fast fehlerlos, zog mit viel Energie zum Korb und punktete ebenfalls zweistellig (14). Weil auch die Defensive in bester Manier funktionierte und Johannes Voigtmann, Jonas Wohlfarth-Bottermann und Johannes Thieman den kräftigen montenegrinischen Topscorer Bojan Dubljevic und den NBA-Center Marko Simonovic im Griff hatten, schien die Partie früh entschieden zu sein.

Franz Wagner knickt um und bleibt auf der Bank. Ob er weiterspielen kann, ist noch offen

Doch in der zweiten Halbzeit ließ die deutsche Mannschaft heftig nach, was lange nicht gefährlich wirkte, denn der Vorsprung betrug kurz nach der Pause sogar 27 Punkte. Doch so wurde dem Gegner gestattet, sich heranzukämpfen. Je weniger das DBB-Team zustande brachte, desto mehr flogen ihm die Bälle um die Ohren, desto besser fielen die Würfe des Gegners: Dubljevic erhöhte sein Konto auf 22 Zähler. Spielmacher Kendrick Perry, von dem in der ersten Halbzeit nichts zu sehen war, setzte den Deutschen mit fünf Dreiern zu, war mit 25 Punkten bester Akteur der Partie und führte sein Team bis auf 77:80 heran - da waren noch 25 Sekunden zu spielen. Aber Schröder und Lo brachten den Sieg mit ihren Freiwürfen ins Ziel.

In dieser Phase wurde neben dem verletzten Abwehrspezialisten Nick Weiler-Babb, der wohl zum Viertelfinale am Dienstag zurückkommt, auch Franz Wagner schmerzlich vermisst. Wagner ist ein Spieler, der in solchen Phasen Entlastung bringt, der 21-Jährige war aber kurz vor Ende des dritten Viertels umgeknickt und konnte nicht mehr mitwirken. Bis dahin hatte er 14 Punkte erzielt. Eine MRT-Untersuchung am Abend werde zeigen, wie es weitergeht, erklärte Trainer Herbert.

"Wir waren vielleicht zu lässig", befand Thiemann hernach, nun sei er einfach froh, zwei Tage frei zu haben und sich zu erholen. Im Viertelfinale wartet der Sieger der Partie Griechenland gegen Tschechien, da müsse man sich steigern, das sei dem Team schon bewusst.

Frankreich kommt glücklich weiter. Bei Slowenien glänzt Doncic mit 35 Punkten

Zuvor hatte der Olympia-Zweite aus Frankreich die starken Türken, denen ihr Spielgestalter Lane Sharkin wegen einer Fingerverletzung fehlte, nach Verlängerung knapp 87:86 bezwungen. Der türkische Trainer Ergin Ataman hatte schon vorher eine Verschwörung des ausrichtenden Verbands Fiba gegen sein Team gewittert. Zuerst waren die Türken im Spiel gegen Georgien benachteiligt worden, weil die Uhr trotz Unterbrechung 22 Sekunden weiterlief. Nach einem Handgemenge drohte die türkische Delegation gar mit der Abreise. Vor dem Achtelfinale gegen die Franzosen monierte Ataman nun die frühe Ansetzung um 12 Uhr: Die Türken kamen aus Georgien, dem Gegner blieb ob seiner eindeutig kürzeren Anreise aus Köln ein Tag mehr Pause. Jedenfalls polterte der türkische Trainer, der ohnehin nicht gerade für überbordende Zurückhaltung bekannt ist, nach dem Spiel mit deutlichen Worten gegen den Ausrichter.

Nur der Erste der Gruppe A konnte sich durchsetzen, Spanien gewann in einer spannenden Partie 102:94 nach Verlängerung gegen Litauen. Weil auch Slowenien nach dem 88:72-Sieg gegen die unbequeme Belgier ins Viertelfinale einzog, stützt das zum einen die These, dass die deutsche Vorrundengruppe die mit Abstand stärkste war. Zum anderen warf der Erfolg die Frage auf, wer diesen Luka Doncic stoppen soll. Der slowenische Spielmacher war einmal mehr mit 35 Punkten bester Werfer und bestimmender Akteur auf dem Parkett. In einer EM hat seit 30 Jahren kein Basketballer mehr in drei aufeinanderfolgenden Partien mehr als 30 Punkte erzielt.

Auf die Slowenen könnte die deutsche Mannschaft erst im Finale treffen, es wäre der bereits dritte Vergleich in kurzer Zeit: Im Gruppenspiel kassierte das deutsche Team mit 80:88 Punkten die einzige Niederlage im bisherigen Turnierverlauf. Im WM-Qualifikationsspiel kurz vor EM-Beginn allerdings hatte Deutschland mit 90:71 die Oberhand behalten - und eine Antwort auf Doncic gefunden.

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