Basketball-EM:Beste Freunde

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Maßarbeit: Daniel Theis übertrifft beim Dunking den Franzosen Boris Diaw.

(Foto: Yorgos Matthaios/imago)

Eine Doppelspitze führt die deutschen Basketballer gegen die favorisierte französische Auswahl ins Viertelfinale: Neben Dennis Schröder glänzt Daniel Theis als bester Werfer.

Von Matthias Schmid, Istanbul/München

Anfang Juni saß Dennis Schröder in der Bamberger Arena und langweilte sich. Desinteressiert tippte er in sein Mobiltelefon, es sah so aus, als ob der Basketballprofi der Atlanta Hawks auf der Tribüne das Spielende herbeisehnte. Unten lief gerade das erste Playoff-Spiel zwischen Meister Brose Bamberg und Bonn in der Bundesliga. Wer wollte, konnte das Bild des tippenden Schröder gegen ihn verwenden, er konnte es so auslegen, dass der 23-Jährige dem deutschen Basketball entrückt ist, sich nicht mehr für die Basis interessiert. Doch seit Samstagnachmittag ist diese Interpretation endgültig aus der Luft gegriffen. Ein hoch motivierter Dennis Schröder führte die deutschen Basketballer bei der Europameisterschaft in Istanbul ins Viertelfinale, wo Titelverteidiger Spanien der Gegner ist. Zehn lange Jahre mussten sie auf solch einen Glücksmoment warten, nachdem Dirk Nowitzki den deutschen Basketball auf ein neues Niveau gehoben hatte, WM-Bronze (2002) und EM-Silber (2005) zeugen von dieser glänzenden Ära, der EM-Titel 1993 war noch ein wundersamer Ausrutscher gewesen.

Der 84:81-Sieg gegen den favorisierten EM-Dritten Frankreich dokumentierte deshalb auch eine Zeitenwende im deutschen Basketball. Es hat lange gedauert, bis sich die heutige Generation vom Überspieler Dirk Nowitzki emanzipieren konnte. "Eine tolle Sache", schwärmte Ingo Weiss hinterher, der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes (DBB). "Nach der Generation Nowitzki brauchten wir ein bisschen Pause, haben es gut aufgebaut. Wenn man das Viertelfinale erreicht, kann man sagen: alles richtig gemacht."

Doch Schröder ist dabei, anders als der NBA-Champion der Dallas Mavericks, nicht der Alleinunterhalter inmitten staunender Mitspieler, er hat jede Menge hochbegabte Helfer um sich - mehr als Nowitzki je hatte. Das dokumentierte auch der Sieg gegen Frankreich, bei dem nicht Schröder, sondern Daniel Theis mit 22 Punkten am meisten Zähler sammelte, und auch Spieler wie Kapitän Robin Benzing (12 Punkte), Lucca Staiger (10) die Partie entscheidend prägten.

Das Team von Trainer Fleming ist unberechenbar: Vielseitigkeit ist seine Stärke

Theis, 25, hat sich im Sommer nach drei Meisterschaften mit Bamberg den Boston Celtics angeschlossen. Er wird Schröder nun auch beruflich in der besten Liga der Welt begegnen. Die beiden sind seit gemeinsamen Tagen beim Erstligisten Braunschweig das, was man ziemlich beste Freunde nennt: Buddies fürs Leben. Wegen Theis war Schröder im Juni auch nach Bamberg gereist. Er hatte gehofft, sein Kumpel werde ihm nach Atlanta folgen. Daraus wurde nichts. Aber wie gut sie sich auch auf dem Parkett verstehen, zeigte eine Szene im Spiel gegen die Franzosen. Nach einem missratenen Start (4:14) und einem ersten Viertel, in dem Schröder kein Punkt gelang, holten die Deutschen im zweiten Viertel Punkt für Punkt auf, vor allem ein Spielzug, vielleicht der schönste des, zeigte, dass Schröder kein selbstverliebter Egozocker ist, sondern ein verlässlicher Mannschaftsspieler, ein Kämpfer. Er stibitzte in der Verteidigung einem Gegner den Ball aus den Händen, ein Doppelpass mit Benzing, ein paar schnelle Schritte und ein sehenswertes Anspiel hinter seinen Rücken, das der aufrückende Theis mit einem Slam Dunk in den Korb wuchtete.

"Daniel und Dennis waren herausragend", lobte Bundestrainer Chris Fleming. Schröder ordnete klug das Spiel und fand im zweiten Viertel auch seine Wurfpräzision wieder, Theis war der Vollstrecker unterm Korb. "Dennis ist immer gewillt, den Ball zu teilen", sagte Theis über die Vorzüge Schröders.

Aber die neue Qualität dieser deutschen Mannschaft ist ihre Unberechenbarkeit, ihre Vielseitigkeit, sie hat in Schröder zwar den herausragenden Spieler der Europameisterschaft. Doch der smarte Fleming, im Hauptberuf Assistenztrainer beim NBA-Klub Brooklyn Nets, hat es in den vergangenen drei Jahren geschafft, eine Mannschaft um Schröder herum aufzubauen, auf die er sich verlassen und die eng und lästig verteidigen kann.

Schröder bleibt aber natürlich die entscheidende Figur. Das machte auch Fleming klar, indem er ihn einen "echter Anführer" nannte, der "seine Mitspieler besser gemacht hat". Die Partie gegen Frankreich öffnete dabei schön den Blick in die Entwicklung von Schröder in den vergangenen Jahren. Bei der EM 2015 in Berlin, Nowitzkis letztem Auftritt, kritisierte der 23-Jährige nicht nur Bundestrainer Fleming nach dem frühen Aus öffentlich, er war auch dem Spielfeld ein Heißsporn. Inzwischen ist er ruhiger geworden, er hat seinen noch immer unverschämt verwegenen Spielstil um Raffinesse erweitert. Das Ungestüme, das Anarchische gehört zu ihm, wie sein Hang zu Bling-Bling-Ketten, die er so liebt. Er zeigt gerne, was er hat. Zum Beispiel seine Boliden vor der Haustür. Während der EM hat er einmal im Bus eine Tasche liegen lassen. 20 000 Euro sollen angeblich drin gewesen sein. Genug Geld also, um mit der Mannschaft am Halbfinaltag am Donnerstag in seinen Geburtstag hineinfeiern zu können. Die Tasche tauchte wieder auf. Doch für eine große Fete müssen die Deutschen erst einmal ihr Viertelfinale am Dienstag gewinnen.

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