Viertelfinale der Basketball-EM:Der listigste deutsche Spieler

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Spanien-Experte: Robin Benzing hat zuletzt in Saragossa gespielt. Den Viertelfinal-Gegner des DBB-Teams kennt er bestens. (Foto: dpa)
  • Robin Benzing ist neben den beiden NBA-Profis Dennis Schröder und Daniel Theis der wichtigste Spieler in der Basketball-Nationalmannschaft.
  • Nach einem verlorenen letzten Jahr beim FC Bayern wechselte er nach Spanien, dem Gegner im Viertelfinale.
  • In Saragossa fand er zu alter Stärke zurück. "Der Wechsel war extrem wichtig für mich", sagt der 28-Jährige.

Von Matthias Schmid, Istanbul/München

Robin Benzing ist Ainhoa noch nicht begegnet. Er hat sie nicht im Arm gehabt, gestreichelt oder angelächelt. Er kennt sie nur von Fotos. Dabei ist Ainhoa seine Tochter und erst vor ein paar Tagen geboren worden. "Sie ist glücklicherweise wohlauf und gesund. Das ist das Wichtigste", sagt er. Benzing, 28, gibt zu, dass er und seine Frau lange darüber grübelten, wie sie mit der Geburt ihres ersten Kindes umgehen sollen. "Ich war in einem großen Zwiespalt", bekennt er. Aber letztlich blieb er der Niederkunft fern - und stattdessen beim Nationalteam.

Der Basketballer Robin Benzing hat also große Entbehrungen auf sich genommen, um bei der Europameisterschaft eine tragende Rolle spielen zu können. Das weiß auch Bundestrainer Chris Fleming, der Vater von drei Kindern ist. "Dafür können wir alle nicht die richtigen Worte finden", hatte Fleming nach dem Auftaktsieg gegen die Ukraine kundgetan, nach der Geburt Ainhoas. Aber er ist gleichzeitig auch froh, dass er Benzing aufbieten kann, seinen Kapitän und einen seiner listigsten Spieler im Kader. "Ich habe schon viel mitgemacht mit dem Nationalteam", erzählt Benzing. Er kann deshalb ganz gut einschätzen, was es bedeutet, dass die Mannschaft an diesem Dienstag (17.45 Uhr/www.telekomsport.de) in Istanbul gegen Titelverteidiger Spanien erstmals nach zehn Jahren wieder um den Halbfinaleinzug spielt: "Wir haben sehr viel Potenzial, sind in guter Form und haben bisher gezeigt, dass auch Spanien auf uns aufpassen muss."

Neben den beiden NBA-Profis Dennis Schröder (Atlanta Hawks) und Daniel Theis (Boston Celtics) ist Benzing einer der Schlüsselspieler. Er steht neben Schröder am längsten auf dem Parkett, fast 25 Minuten pro Partie, weil er mit wenigen Aktionen viel erreichen kann. Besonders vor dem Spiel gegen Spanien mit den beiden hochdekorierten Gasol-Brüdern Pau und Marc ist er ein geschätzter Gesprächspartner Flemings: Denn Benzing hat in den vergangenen beiden Jahren in Spanien gespielt, bei Cai Saragossa. Die Mannschaft war zwar wenig erfolgreich, dafür hat Benzing wieder zu sich und seinem Stil gefunden, der ihn einst in die Notizbücher von NBA-Agenten gebracht hat.

Vier Jahre hat der gebürtige Hesse zuvor in München gespielt. Zunächst sehr erfolgreich. 2014 hatte er mit seinem erfrischend frechen Spiel entscheidend mitgeholfen, den Meistertitel zu holen. Doch die letzte Saison vor zwei Jahren war eher zäh, zum Vergessen sogar. Der Flügelspieler saß meistens draußen auf der Bank, wenn es auf dem Parkett wichtig wurde. Er begann zu zweifeln und schlimmer noch: an sich zu zweifeln. "Ich hatte mein Spiel verloren, mein Selbstvertrauen", gibt Benzing heute zu. Aber das braucht er für seine Art von Basketball, er spielt sehr aggressiv, immer an der Grenze zur Regelüberschreitung.

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Für seine Größe von 2,08 Metern ist er ein sehr beweglicher Spieler, sehr geschmeidig, mit einem sehr schnellen ersten Schritt, mit dem er sich an seinem Gegenspieler vorbeiwinden und mit einem Korbleger abschließen kann. Zudem ist er ein exzellenter Distanzwerfer. "Der Wechsel nach Spanien war extrem wichtig für mich", sagt er. Endlich verließ er die Komfortzone, in der sich deutsche Basketballer in Deutschland häufig gemütlich einrichten, weil sie wegen der Ausländerbeschränkung so umworben sind.

Benzings Vertrag in Saragossa ist im Sommer ausgelaufen. Wohin es ihn und seine kleine Familie verschlagen wird, weiß er noch nicht. Alles ist möglich. Die ungewisse Situation stresst ihn aber nicht, im Gegenteil. "Ich lasse alles in Ruhe auf mich zukommen." Er will zunächst mit der Nationalmannschaft reüssieren, Spanien bezwingen. Die Gelegenheit ist günstig. "Wir haben alle sehr viel Selbstvertrauen und in Dennis und Daniel zwei unglaubliche Spieler, die vorangehen", sagt Benzing: "Es macht allen sehr viel Spaß." Die wundersame Reise soll nicht im Viertelfinale enden.

Auch nicht gegen Spanien, das mit seinen besten Spielern bei der EM antritt. Mit den famosen Gasol-Brüdern, mit den schlauen Spielmachern Sergio Rodriguez, Juan Carlos Navarro und Ricky Rubio. Viel lieber als über die Stärken der Iberer mag Benzing über die Stärken der eigenen Mannschaft sprechen. Über die Unberechenbarkeit und die Tiefe des Kaders, der nicht nur aus Schröder oder Theis bestehe, wie Benzing hervorhebt: "Wir werden alle gebraucht und wissen, dass wir stark sind." Er hofft, dass sie die Partie lange eng halten können, unbequem wollen sie in der Verteidigung sein, lästig, bis die Spanier die Lust am Spiel verlieren.

Ainhoa wird von all dem nichts mitkriegen. Nicht einmal vom Beben, wenn es die deutsche Nationalmannschaft tatsächlich schaffen sollte, die spanische zu bezwingen. Aber ganz egal, wie es ausgehen wird, Benzing kann es kaum erwarten, seine Tochter endlich in seine langen Arme nehmen zu können.

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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