Basketball:Eine Kirsche für den Briefkopf

FC Bayern München - Alba Berlin

Münchens maßgebliche Männer: Trainer Andrea Trinchieri (links) und der herausragende Vladimir Lucic bei der Siegerehrung nach dem Pokalfinale.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Nach dem dritten Pokalgewinn der Klubgeschichte gehen die Basketballer des FC Bayern München nun auch als Favorit in die Playoffs um die Meisterschaft. Mit der Trophäe haben sie sich bereits für eine famose Saison belohnt.

Von Ralf Tögel, München

Eine Flasche. Oder zwei. Ein edles Tröpfchen jedenfalls. Und eine gute Zigarre. Andrea Trinchieri schätzt edlen Rotwein genauso wie den großen Auftritt, am Sonntagabend begnügte sich der Trainer des FC Bayern München jedoch mit den leisen Tönen. Er werde stilvoll, aber still feiern. Als seine Basketballer im April die Euroleague-Playoffs erreicht hatten, wäre er vor Freude am liebsten in einen "Pool voll mit Rotwein" gehechtet, was er allein des Bildes wegen irgendwann nachholen sollte. Und nun? Wie sind seine Gefühle nach dem dritten Pokalsieg in der Vereinsgeschichte, nach einem dramatischen Halbfinale gegen Ulm (104:102 nach zwei Verlängerungen) und einem gutklassigen Finale gegen Alba Berlin (85:79)? "Ich bin nicht wichtig", befand der Italiener, er freue sich für die Mannschaft und sei mit seinen Gedanken bei den Spielern, die aus diversen Gründen nicht mitwirken durften.

Da konnte er ganz beruhigt sein, denn der verletzte Kapitän Nihad Djedovic war der erste, der die Trophäe in der leeren Halle stemmte, Diego Flaccadori und JaJuan Johnson hüpften längst im Kreis der Teamkollegen mit. Beide hatten wegen der Ausländerregel in Wettbewerben der Basketball-Bundesliga (BBL) aussetzen müssen, die höchstens sechs Ausländer zulässt. Als dann auch noch Nick Weiler-Babb auf Krücken zum Siegerfoto humpelte, war die FCB-Glückseligkeit im Konfettiregen komplett. Es war das Bild, das diese Mannschaft auszeichnet, jeder hat seinen Platz, trägt seinen Teil bei, keiner wird vergessen. Spieler und Trainer sprechen immer wieder von einer "besonderen Chemie" in der Gruppe.

In der Tat darf man den Pokalsieg als Kollektivleistung sehen, der nach typischem Muster vonstatten ging. Erst das schwere Spiel mit müden Beinen gegen Ulm, "das wir eigentlich schon zweimal verloren hatten", wie Trinchieri fand. Die resistenten und talentierten Schwaben gaben sich erst nach zwei je fünfminütigen Verlängerungen knapp geschlagen, die Bayern waren deutlichen Rückständen hinterhergehechelt. Auch im Finale lagen die Münchner weit zurück, Titelverteidiger Berlin dominierte das erste Viertel (29:17) auf für die Gastgeber beängstigende Weise.

Vladimir Lucic sticht aus dem Kollektiv heraus und wird zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt

Dieses Mal kamen die Bayern schneller zurück, hatten die Partie bereits zur Pause gedreht (41:39) und ließen sich den Sieg im Duell der beiden deutschen Euroleague-Vertreter nicht mehr entreißen. Die Leistung der Berliner darf keinesfalls übersehen werden, nie ließ sich der Double-Sieger der Vorsaison um die famosen Distanzschützen Jayson Granger (17 Punkte) und Marcus Eriksson (12) abschütteln, doch die starke Münchner Defense war erneut Grundlage des Erfolgs. Und es gibt schon auch ein paar Extrakönner im Münchner Ensemble, das der Maestro ein weiteres Mal stimmig zu orchestrieren wusste.

Trinchieri beließ etwa seinen Spielmacher Wade Baldwin lange auf der Bank. Der kann ein Spiel dank seiner individuellen Klasse an sich reißen, überdreht aber oft auch. Im Finale sammelte er 13 Punkte, es war der zweitbeste Einzel-Wert der Bayern, stellte sich aber auffällig in den Mannschaftsdienst. Bester Werfer war Paul Zipser (18), der dem Trainer einen gewaltigen Leistungssprung verdankt, wie Leon Radosevic (12). Dass Punkte nicht ausschlaggebend sind, bewies erneut Vladimir Lucic.

Manchmal ist es ein provoziertes Stürmerfoul, dann ein Hecht zum Ballgewinn, dann ein schwieriger Wurf: Lucic trifft die richtigen Entscheidungen in brenzligen Momenten, er geht voran, wenn es eng wird. Am Sonntag brachte er den Sieg mit einem Block endgültig ins Ziel. Die fünfte Saison im Bayern-Trikot ist seine bisher beste, der 31-Jährige wurde zum wertvollsten Spieler der Pokalendrunde gewählt und nun auch unter die besten fünf Spieler der Euroleague-Saison.

Der verletzte Kapitän Nihad Djedovic hofft auf eine baldige Rückkehr. Eine Saison ohne Titel war für ihn schwer vorstellbar

Doch alle internationalen Ruhmestaten taugen im Gegensatz zum Pokal nicht für den Briefkopf; die Währung, in der im Sport abgerechnet wird, steht im Trophäenschrank. Der Pokalgewinn nimmt nun viel Druck, auch wenn das kein Offizieller so recht zugeben mag. Ehrenpräsident und Basketball-Förderer Uli Hoeneß höchstselbst hatte nach dem Zittersieg gegen Ulm erinnert, dass "diese Saison voll auf die Euroleague ausgerichtet" sei. Auch Nachfolger Herbert Hainer bezeichnete den Triumph als "Kirsche auf der Torte", die Spielzeit war aber bereits "ein Riesen-Erfolg". Geschäftsführer Marko Pesic immerhin sah den Pokal als "Belohnung für eine unglaubliche Reise", er habe schon befürchtet, dass die Mannschaft am Ende der Saison "ohne etwas Richtiges in der Hand" dastehen könnte. Der verletzte Kapitän Nihad Djedovic, der seit dieser Woche wieder trainiert und auf eine Rückkehr hofft, wurde deutlicher: "Das sehe ich nicht so", eine Saison ohne Titel sei "schwer vorstellbar".

Das ist nun erledigt, schon am Mittwoch (20.30 Uhr) und Freitag (19 Uhr) startet der neue Pokalsieger mit zwei Heimspielen in die Playoffs um die deutsche Meisterschaft - spätestens nach diesem Wochenende als Favorit. Gegner in der Best-of-five-Serie sind die Merlins Crailsheim. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen um Rotwein kümmern, genug für einen Pool.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: