Süddeutsche Zeitung

Basketball:Der Entwicklungshelfer

Als Trainer und Geschäftsführer hat Ralph Junge die Nürnberger nach mehr als einem Jahrzehnt zurück in die Bundesliga geführt. Es ist der neue Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte. Den Klub stellt der Aufstieg jedoch auch vor Probleme.

Von Sebastian Leisgang

Wahrscheinlich genügen Worte ohnehin nicht, um das zu beschreiben, was Ralph Junge bloß "eine schöne Sache" nennt. Vermutlich drückt Junge sich auch deshalb so aus, weil er selbst nicht weiß, wie er das erklären soll - wie es ist, eine Halle zu betreten, der man selbst ihren Namen gegeben hat. "Noch bevor ich unter der Erde liege", sagt Junge, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und deutet auf den Boden. Das macht es ja umso bemerkenswerter: dass sie zu Lebzeiten eine Halle nach ihm benannt haben.

Ralph Junge, 49, sitzt in einem Besprechungsraum der Geschäftsstelle der Nürnberg Falcons und redet über seine Mannschaft, die er gerade in die Basketball-Bundesliga geführt hat. Es ist eine gute Geschichte, die er da zu erzählen hat - er, der selbst der Autor dieser Geschichte ist. Es geht hier im Osten Nürnbergs also auch um ihn. Deshalb ist auch eine Halle in Urspring von Belang.

Im schwäbischen Schelklingen wurde die Basketballhalle nach Ralph Junge benannt

Manchmal wird eine Straße nach einem Menschen benannt, manchmal gleich ein ganzer Platz. In aller Regel ist es die letzte Ehre, die einer Person erwiesen wird, wenn sie nicht mehr ist. In diesem Fall liegen die Dinge aber anders. In Würzburg wollen sie etwas nach Dirk Nowitzki benennen, in Urspring steht schon jetzt die Junge-Halle. Ein Mensch, der seinen Namen einer Halle überlassen darf, hat etwas erreicht im Leben. Er hat sich verdient gemacht, und sei es nur um den Basketball in Urspring, einem Ortsteil der kleinen Stadt Schelklingen, nahe der großen Stadt Ulm. Junge hat dort den Basketball aufgebaut, "von null", wie er sagt, "und dann haben wir zwischen 2001 und 2014 jedes Jahr mit der Jugend eine deutsche Meisterschaft gewonnen". Das kleine Urspring, es war auf einmal groß. Wegen ihm, Ralph Junge, der schon zu dieser Zeit gezeigt hat, dass er Talente und Mannschaften entwickeln kann.

Ralph Junge will lediglich vier, fünf gestandene Bundesligaspieler für die neue Saison verpflichten

"Urspring gegen Real Madrid - 2:0", ruft Junge am Montag im Nürnberger Besprechungsraum und lacht. Wenn er sich an die beiden Siege bei Jugendturnieren in Italien erinnert, leuchten seine Augen. In seiner Stimme liegt dann noch immer dieses Erstaunen, das er schon damals, unmittelbar nach den Spielen, in sich hatte. "Wir haben alles gewonnen, was es auf diesem Level zu gewinnen gab", sagt Junge über die Zeit bei seinem Heimatverein.

Was also tun, wenn im Grunde alles geschafft, aber noch so viel Leben übrig ist?

Bei dieser Frage spricht Junge nicht, wie es andere Trainer vielleicht tun würden, von einer neuen Herausforderung, die er seinerzeit gesucht habe. Er spricht vielmehr von einem neuen Projekt, dem er sich gewidmet habe: den Nürnberg Falcons, zu denen er damals, vor knapp fünf Jahren, gegangen ist. Seitdem hat er gute und schlechte Tage mitgemacht. 2016 etwa den plötzlichen Rückzug eines Gesellschafters, der einen Großteil des Etats bereitstellte. Auch den notgedrungenen Auszug aus der baufälligen Halle am Berliner Platz vor einem Jahr. Und nun den Aufstieg in die Bundesliga. "Eigentlich wollten wir erst nächstes Jahr attackieren", sagt Junge - er war seinem eigenen Plan voraus.

Es ist nicht der Triumph an sich, der die Leute begeistert. Ein großer Triumph berührt vor allem dann, wenn aus ihm Dramatik spricht. Oder wenn er auf eine große Niederlage folgt oder lange schwelende Sehnsüchte stillt. So ist es auch in Nürnberg. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es keinen Bundesligabasketball in der Stadt, "jetzt werden die Leute aber auf uns aufmerksam", sagt Junge. Wenn er spricht, tut er das auch mit seinen Händen. Er sagt dann zum Beispiel "Kontinuität" und lässt seine flache Hand mit drei Berührungen den Tisch entlang wandern, als wolle er, einem Kung-Fu-Kämpfer gleich, einen Ziegelstein zerschlagen.

Junge ist ein energischer, rastloser Mann. Während des Gesprächs vibriert sein Telefon beinahe im Minutentakt. Junge wirft einen Blick auf das Display. Er wartet auf einen Anruf des Bürgermeisters, es geht um die Halle, in der seine Mannschaft in der nächsten Saison spielen soll. In der vergangenen Runde haben die Nürnberger ihre Heimspiele in einem provisorischen Zeltbau am Flughafen ausgetragen, vor 1500 Zuschauern. Die Auflagen für die Bundesliga sehen aber eine Spielstätte mit mindestens doppelt so vielen Plätzen vor.

"Wir kriegen das schon hin", sagt Junge. Wer es schafft, mit Urspring Real Madrid zu bezwingen, der schafft es auch, eine Halle aufzutreiben. Der Plan ist: ein Fertigkonstrukt, das binnen weniger Wochen aufgebaut ist. Darin wird Nürnberg dann den FC Bayern, Alba Berlin und Bamberg empfangen. Die Mannschaft, da ist sich Junge sicher, kann es auch mit diesen Gegnern aufnehmen. Er will deshalb den Kader zusammenhalten und lediglich vier, allenfalls fünf gestandene Bundesligaspieler für sein Projekt begeistern.

Zuvor muss aber eine Spielstätte gefunden werden. Die Falcons brauchen ja ein passendes Zuhause. Bis nach Urspring sind es mehr als zweihundert Kilometer. Die Junge-Halle ist also keine Option

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4434860
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.