Süddeutsche Zeitung

Basketball:Das Ego steht an letzter Stelle

Der Bamberger Christian Sengfelder will sich beim Nationalteam mit mannschaftsdienlichen Leistungen für weitere Einsätze empfehlen. Aber auf seiner Position, der des Power Forwards, ist der DBB außerordentlich stark und üppig besetzt.

Von Joachim Mölter

Man tritt dem Basketball-Profi Christian Sengfelder nicht zu nahe, wenn man ihm nachsagt, nicht der Begabteste seines Metiers zu sein. Er findet ja selber, dass er nicht wirklich athletisch ist oder gottgegebene Talente besitzt wie lange Arme oder große Hände. Bei seinem Klub Brose Bamberg haben sie vor der Saison mal die Armspannweite des 2,03 Meter großen Flügelspielers gemessen, auf gerade mal 2,01 Meter kamen sie, "schon sehr klein", gibt Sengfelder zu. Aber die Sprungkraft sei besser geworden, erzählt er, immerhin das. Sie reicht freilich noch nicht, damit er so richtig abhebt.

Am vergangenen Sonntag, zwei Tage nach der unverhofften 82:85-Auswärtsniederlage beim Aufsteiger Chemnitz, verhalf Christian Sengfelder seiner in dieser Saison notorisch wankelmütigen Mannschaft zu einem ebenso wenig erwarteten 76:67-Heimsieg über den Meister und Pokalsieger Alba Berlin. Bemerkenswert dabei war, dass er die vollen 40 Minuten durchgespielt, 31 Punkte erzielt sowie 17 Rebounds eingesammelt hat - alles Karriere-Höchstmarken. Und weil er dazu noch eine Vorlage gab, einmal den Ball stibitzte und selbst das Spielgerät kein einziges Mal verlor, summierte sich das in seiner statistikfixierten Sportart auf einen Effizienzwert von 42 - schon die Hälfte gilt als außerordentlich gut. Als "once in a lifetime wahrscheinlich" stuft Sengfelder seine Vorstellung ein, als eine Leistung, die wohl nur einmal im Leben gelingt.

"Ich hab' bis jetzt noch keinen Titel gewonnen, das ist ein Traum, auf den ich hinarbeite."

Was soll jetzt noch kommen? Einiges, sagt der 25-Jährige, aber eher wenig, was mit individuellen Erfolgen zu tun hat. Er ist ja nicht grundlos Mannschaftsspieler. "Ich hab' bis jetzt noch keinen Titel gewonnen, das ist ein Traum, auf den ich hinarbeite", sagt er und erklärt: Titel gewinnt man, indem man Spiele gewinnt, und wenn man die gewinnt, "ist es relativ egal, ob ich dabei fünf Rebounds hole und acht Punkte mache" - oder eben 17 und 31.

Einen Spieler, für den die Mannschaft an erster Stelle steht und das eigene Ego an letzter, hat jeder Coach gern; auch das ist ein Grund, warum der Bundestrainer Henrik Rödl den gebürtigen Leverkusener in seine Auswahl für die bevorstehenden Länderspiele in Podgorica gegen Großbritannien (am Samstag) und Montenegro (Montag) berufen hat. Die Partien firmieren offiziell als Qualifikation für die EM 2022; weil Deutschland als Ausrichter der Endrunde aber automatisch teilnahmeberechtigt ist, machen Rödls Männer außer Konkurrenz mit.

Mit Sengfelder sind auch dessen Klubkollegen Kenneth Ogbe und Bennet Hundt angereist, Brose Bamberg stellt das größte Kontingent im Zwölf-Mann-Kader. Das liegt daran, dass die amerikanische Profiliga NBA und die Euroleague ihren Spielbetrieb nicht unterbrechen für die Termine des Weltverbandes Fiba und ihre Profis dafür nicht freigeben. Wenn es dann nach dem Ende der Klub-Saison um Titel und Medaillen der Nationalteams geht, sind meistens alle wieder dabei. "Mit der Nationalmannschaft ein großes Turnier zu spielen, ist auch ein Traum von mir", sagt Sengfelder. Aber dieser Traum ist wohl noch schwieriger zu verwirklichen als der von einem Klub-Titel.

Auf Sengfelders Position, der des Power Forwards, ist der Deutsche Basketball Bund (DBB) ja außerordentlich stark und üppig besetzt mit den NBA-Profis Maxi Kleber (Dallas Mavericks), Daniel Theis (Boston Celtics) und Moritz Wagner (Washington Wizards) sowie dem Euroleague-erprobten Danilo Barthel (Fenerbahce Istanbul). Da müssten schon einige Leute verletzt ausfallen, bis Sengfelder beim Nachrücken an der Reihe ist. Zumal auch DBB-Kapitän Robin Benzing (Saragossa) in der Hierarchie noch vor ihm steht.

Von sich aus lautstark Ansprüche auf einen Stammplatz anmelden? "Das ist nicht mein Style."

Seine Rolle im aktuellen Aufgebot sieht Sengfelder deshalb so, "dass ich von der Bank komme, um Robin eine Pause zu geben, wenn er eine braucht". Und wenn er dann auf dem Parkett ist, versucht er, "Energie zu bringen, mich um Rebounds zu kümmern und solche Sachen". Sechs Länderspiele hat Sengfelder bislang bestritten, immer nur in den sogenannten "Fenstern", die im Terminkalender dafür freigehalten werden von der Fiba. "Die Fenster sind eine Chance, sich zu zeigen auf diesem Level", hat er dem TV-Sender Magentasport erklärt, er will "Erfahrungen sammeln, von den Jungs lernen, die da sind, mich bestmöglich weiterentwickeln".

Dass seine Chance gering ist, im Sommer bei der Olympia-Qualifikation für Tokio mitzumachen, ist Christian Sengfelder bewusst, aber das stört ihn nicht. "Im Endeffekt bin ich trotzdem Teil dieser Nationalmannschaft, und darauf bin ich extrem stolz. Das ist eine enorme Ehre." Sengfelder ist auch nicht der Typ, der von sich aus lautstark Ansprüche auf einen Stammplatz anmeldet, "das ist nicht mein Style". Aber er will sich empfehlen, mit Leistungen. Oder wie er es formuliert: "In eine Position bringen, dass ich ready bin, wenn ich gefragt werde."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5209725
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/lein/bkl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.