Süddeutsche Zeitung

Basketball:Ungehörte Sorgen der Spieler

Die Bundesliga-Basketballer sind längst nicht so begeistert über die mögliche Fortsetzung der Saison, wie es die Klubs suggerieren: Unter den Profis wächst der Frust darüber, dass die Liga nicht mit ihnen spricht.

Von Joachim Mölter

Bevor die große Politik am Mittwoch über die Wiederaufnahme des Bundesliga-Betriebs der Fußballer entschied, hat der kleine Verein "Athleten Deutschland" schnell noch ein Positionspapier verschickt zur "Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs in Zeiten der Corona-Pandemie". Darin fordert die 2017 gegründete Interessensvertretung hiesiger Kaderathleten unter anderem, die betroffenen Sportler mitreden zu lassen bei den entsprechenden Konzepten. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist offenbar eine dringend notwendige Mahnung, wie Johannes Herber anklingen lässt, der Geschäftsführer der "Athleten Deutschland".

Der 37-Jährige war früher mal Basketball-Profi, sogar Nationalspieler, und er hat noch gute Kontakte zu seinen ehemaligen Kollegen. Die sollen nach dem am Montag verkündeten Willen der Funktionäre die im März unterbrochene Saison demnächst wieder aufnehmen - sofern die Behörden das am Donnerstag vorgelegte Hygiene- und Sicherheitskonzept genehmigen. Tun sie das bis zum 18. Mai, will die Basketball-Bundesliga (BBL) in einer Turnierform mit zehn Teams im Juni in München noch einen deutschen Meister 2020 ermitteln; innerhalb von drei Wochen müssen die Profis dafür zehn Partien absolvieren. "Die Basketballer sind schon bereit zu spielen, aber sie wollen informiert sein", formuliert Herber vorsichtig: "Es gibt bei den Spielern viele Fragen, die offen sind."

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Wenn man Vereinsvertreter in den vergangenen Tagen gehört hat, haben alle versichert, ihre Spieler könnten es kaum noch erwarten, dass sie wieder spielen dürfen. Hat man Spieler gefragt, war das freilich ganz und gar nicht so.

"Ich sehe das sehr kritisch", sagte Niels Giffey, der Kapitän von Pokalsieger Alba Berlin, der SZ. "Ich bin auch hin- und hergerissen", sagte Danilo Barthel, der Kapitän des deutschen Meisters Bayern München, im Podcast des Fernsehrechte-Inhabers Magentasport. Frankfurts Nationalspieler Akeem Vargas sagte im Interview der FAZ, er sei gespannt, "wie das Sicherheitskonzept ausschauen soll". Jedenfalls findet nicht nur Barthel: "Ich hätte mir gewünscht, dass man auch die Stimmen der Spieler hört, was die vielleicht für Sorgen haben in dem ganzen Prozedere." Eine der Sorgen formuliert Niels Giffey so: "Es gibt ein ganz großes Verletzungspotenzial."

Derzeit trainieren die Basketballer nur individuell, "als Profisportler erachte ich es als schwierig, sich nach der Wettkampfpause in dieser kurzen Zeit auf ein Level zu bringen, mit dem man spielfähig ist", erklärt Akeem Vargas. Danilo Barthel beschreibt seinen aktuellen Fitnesszustand so: "Wenn jetzt ein Spiel wäre, müsste ich wahrscheinlich nach fünf Minuten einen Wechsel anzeigen und wüsste nicht, wie schnell ich mich erholen kann." Angesichts der knappen Vorbereitung sei das geplante Turnier "von der Belastung her ein Ausnahmezustand für alle Spieler".

Verschärfend hinzu kommt die Quarantäne, die für die teilnehmenden Teams vorgesehen ist: Alle sollen mitsamt ihren Betreuern in einem Münchner Hotel untergebracht werden, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu minimieren. Vargas sieht darin sogar das größte Risiko des Konzepts. "Für mich ist es schwer vorstellbar, dass bei 200 Leuten keiner den Drang verspürt, mal auszubrechen und sich eine Cola an der nächsten Ecke zu holen." Er fragt sich, wie man sicherstellen wolle, dass sich jeder auch tatsächlich an alle Vorgaben hält. Auch Giffey sagt: "Ich sehe ein großes Problem in der Gesamtidee, für drei Wochen in einem Hotel eingesperrt zu sein, und das möglicherweise im folgenden Monat wegen der Euroleague gleich noch einmal."

Auf die im höchsten kontinentalen Wettbewerb beschäftigten Klubs aus München und Berlin kommt ja unter Umständen eine weitere Quarantäne zu: Auch die Euroleague will ihre unterbrochene Saison noch beenden, ebenfalls zentral an einem Ort, im Juli. "Das ist noch schwerer umzusetzen", glaubt Barthel, "weil die Spieler theoretisch im Juli keine Verträge mehr haben." Seiner zum Beispiel läuft am 30. Juni aus, und weil die Gespräche über eine Verlängerung mit dem FC Bayern derzeit ruhen, hat er sich schon mal arbeitslos gemeldet: "Das muss man ja im voraus machen."

Zumindest das ist klar geregelt, ansonsten wissen die Basketballer gerade nicht wirklich, wie es weitergehen soll. "Es wird extrem viel kommuniziert unter den Spielern", sagt Giffey: "Man merkt, das es eine Sammelstelle für Meinungen geben muss in Zukunft." Unter der Oberfläche brodelt es, die Profis warten mit zunehmender Ungeduld darauf, dass die BBL-Führung mal mit ihnen kommuniziert. "Es ist eine klare Frustration zu spüren", sagt Giffey. Den Spielern ist durchaus bewusst, dass es eine Chance sein kann, demnächst neben dem Fußball als einzige Sportart präsent zu sein - sofern die BBL die Genehmigung zum Weitermachen bekommt.

Aber das gesundheitliche Risiko bei dieser Chance tragen halt die Profis, erinnert Giffey. Da ist es nur legitim, ein Mitspracherecht einzufordern. Der mögliche Titelgewinn bei dem geplanten Turnier scheint auch kein überzeugender Ansporn zu sein und keinen allzu großen Reiz auszuüben. "Sportlich gesehen wird das kein deutscher Meister sein", findet Niels Giffey, "sondern nur ein Corona-Cup-Gewinner."

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Quelle:
SZ vom 08.05.2020/ska
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